Paulus Hochgatterer: "Fliege fort, fliege fort"

Mehr als nur ein Krimi

11:07 Minuten
Paulus Hochgatterer, Psychiater und Schriftsteller
Fordert seine Leser mit vielschichtigem Schreiben aus mehreren Perspektiven: der österreichische Autor Paulus Hochgatterer. © Heribert Corn/ Deuticker
Moderation: Andrea Gerk · 09.01.2020
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Paulus Hochgatterer ist nicht nur Kinderpsychiater, er ist auch Schriftsteller. Sein neuer Krimi "Fliege fort, fliege fort" ist ein Kritiker- und Publikumsliebling. Als reinen Krimiautor will sich der Österreicher aber nicht sehen.
Furth am See ist nicht groß, eine ländliche Idylle, aber langweilig wird es nicht: Ein Mord hat dort stattgefunden, dann eine Reihe von Kindesmisshandlungen, diesmal werden alte Menschen brutal angegriffen, aber die Opfer schweigen aus Angst. Außerdem wird ein Kind entführt.
Nach den Bestsellern "Die Süße des Lebens" und "Das Matratzenhaus" ist "Fliege fort, fliege fort" der dritte Roman von Paulus Hochgatterer, in dem der Psychiater Horn mit Kommissar Kovacs ermittelt. Zweimal hat es das Buch sogar auf die Krimibestenliste geschafft. Doch einen Krimi möchte man den Roman fast nicht nennen.

Literarischer Anspruch

"Ich mag die Verkürzung nicht", sagt Hochgatterer. "Ich stelle diverse Ansprüche an meiner Bücher." Sie sollen nicht ausschließlich als Krimis gelesen werden. Er lege literarische Maßstäbe an. Tatsächlich fordert er seine Leser mit einer komplexen Erzählweise.
"Ich finde nichts öder als langweilige Literatur", sagt der Österreicher. "Langweilig ist eine Geschichte, wenn sie auf der ersten Seite schon durchschaubar ist und wenn sie keine Musikalität aufweist oder keine anspruchsvolle Form." Er habe immer große Lust an der Form gehabt, wenn er geschrieben habe.
Als Vorbild nennt Hochgatterer den Filmemacher Akira Kurosawa und sein multiperspektivisches Erzählen in "Rashomon". "Das ist etwas, das mich immer interessiert hat. Die Art und Weise, in der sich Ereignisse verändern, wenn der Betrachter den Standpunkt verändert."

Inspiration in der Kinderpsychiatrie

Hochgatterer ist selbst nicht nur Autor, sondern Kinderpsychiater. Aus dieser Erfahrung schöpfe er beim Schreiben, sagt er. Er sei in der glücklichen Verfassung, dass in der Kinderpsychiatrie das Erzählen eine große Rolle spielt. "Daher passiert es, dass da ganz viel Befruchtendes aus der einen Hälfte meiner Berufstätigkeit in die andere herüberfließt."
In "Fliege fort, fliege fort" gehe es um die systematische Vernichtung der Erzählfähigkeit von Kindern. Das wirke sich fatal aus. "Verschwiegene Dinge tendieren dazu, an die Oberfläche gelangen zu wollen." Und es geht um Rache als Form der Selbstermächtigung - aber es soll nicht zu viel verraten werden.
Hochgatterer schöpft beim Schreiben auch aus dem eigenen Leben. Die alte Autorenweisheit, man könne nie über etwas anderes schreiben, als über sich selbst, hält er für "legitim und nicht uncharmant". Auf seine schrägen und beschädigten Figuren befragt, lässt er durchscheinen, dass sie auch etwas von ihm haben könnten: "Ich glaube, wenn man Mitte 50 ist und man ist selbst nicht etwas schräg und vielleicht ein wenig beschädigt, dann hat man im Leben irgendetwas falsch gemacht."
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