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Iren sprechen von Erpressungsversuchen

Auch Irland steckt in der Krise. Niedrigere Zinslast gegen höhere Unternehmenssteuern - so sieht der Deal aus, den Deutschland und Frankreich dem krisengeplagten Land heute beim EU-Gipfel anbieten wollen. Aber die Iren - bleiben wohl stur.

Von Martin Alioth | 24.03.2011
    Als Insel am Rande Europas hat Irland schon lange begriffen, dass es multinationalen Firmen gewisse Zückerchen bieten muss, damit sie ihre Zelte in Irland aufschlagen. Der Körperschaftssteuersatz von 12,5 Prozent ist das größte Bonbon unter diesen Süßigkeiten.

    Als Irland im letzten Dezember Milliardenkredite vom Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union beanspruchen musste, blieb die Steuerfrage ausgespart, aber der Zinssatz der EU für ihre Darlehen betrug das Doppelte dessen, was die EU selbst bezahlen muss. Vor zwei Wochen, als Griechenland eine Zinsermäßigung erhielt, gingen die Iren leer aus, denn es sei schwierig, Irland zu helfen, wenn dieses darauf beharre, die tiefsten Unternehmenssteuern zu behalten, bemerkte der französische Präsident Nicholas Sarkozy. In völliger Unkenntnis der enormen irischen Sparmaßnahmen verwies Sarkozy lobend auf Griechenland: gesunkene Löhne und Renten, gestiegene Steuern. Auch Irland müsse Opfer bringen. Die Eurozone wolle mindestens eine Geste als Gegenleistung.

    Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, packte den Erpressungsversuch ebenfalls in Zuckerwatte:

    "Wir haben ja überhaupt gar keinen Druck ausgeübt. Aber ich glaube es ist redlich zu sagen, die Zinssenkung können wir auch erst in Aussicht stellen, wenn eine Gegenleistung erbracht ist, aber dass der Premierminister etwas mehr Zeit haben möchte, das haben wir ja respektiert."

    Und dann kam der Köder:

    "Was mich optimistisch macht: Ich glaube Irland möchte die 100 Basispunkte Zinsreduktion schon haben."

    Ein unwiderstehliches Angebot also, schien Merkel zu denken. Doch das Erpressungsopfer hatte andere Ideen. Zwei Tage nur nach seinem Amtsantritt sprach Irlands neuer Premierminister, Enda Kenny, bloß von einem "gallischen Scharmützel".

    Aber er habe alle Anwesenden daran erinnert, dass sie mit gleichen Rechten um den Tisch säßen. Kleine wie große Länder. Kenny verwies auch darauf, dass die EU Irlands Steuersouveränität vor dem zweiten Lissaboner Referendum ausdrücklich garantiert habe. Eine Erhöhung der Körperschaftssteuer käme einem gravierenden Vertrauensbruch gleich. Oppositionsführer Micheál Martin stellte sich bedingungslos hinter Kenny.

    Die Iren werden also eher bereit sein, Wucherzinsen zahlen, als zu kapitulieren. Die Druckversuche der großen EU-Partner halten sie indessen nicht nur für rechtlich willkürlich, sondern auch für widersinnig. Denn die irische Exportwirtschaft bietet die einzige Hoffnung auf Wachstum. Dieser Sektor wird indessen überwiegend von multinationalen Firmen betrieben, die unter anderem wegen der tiefen Körperschaftssteuer nach Irland kamen. Die Kritik an Irland ist aber auch sachlich fragwürdig. Die Beratungsfirma Pricewaterhouse Cooper und die Weltbank haben ausgerechnet, dass der effektive Körperschaftssteuersatz in Frankreich geringfügig über acht Prozent liege, der effektive irische aber knapp unter 12. Monsieur Sarkozy sitzt also in einem Glashaus.

    Beim heutigen EU-Gipfel wird sich wohl eine irische Scheinkonzession finden – wahrscheinlich bei der harmonisierten Veranlagung der Firmensteuern. Aber die rüde Art, wie hier mit einem Kleinstaat in Not umgesprungen wird, dürfte die Iren nachhaltig verärgern. Zumal Irland als einziger Staat seine Bürger über die beiden letzten EU-Verträge hat abstimmen lassen – und das gleich zwei Mal.