Archiv


Irische Vergangenheit

Es ist ein Politthriller über den Nordirland-Konflikt. Ein Belfaster Katholik trifft in einer Fernseh-Talkshow auf den Bruder jenes Mannes, den er vor 25 Jahren getötet hat. Alistair und Joe treffen aufeinander und ringen um die Schatten der Vergangenheit und den Unsinn von Rache. Es geht um den "Bloody Sunday" von 1975.

Von Josef Schnelle | 17.06.2010
    Da kommt ein kleiner Film aus Großbritannien. Es geht um den Nordirlandkonflikt und seine Verwerfungen. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Die Darsteller sprechen breitesten Slang. Es sind aber, Liam Neesen zumindest, gestandene Hollywoodstars. Der Regisseur dieses ungewöhnlichen Films aber ist Deutscher.

    Ein deutscher Erfolgsregisseur sogar, der in der Eichinger-Factory Welterfolge wie "Das Experiment" mit Moritz Bleibtreu und "Der Untergang" mit Bruno Ganz gedreht hat. Oliver Hirschbiegels ganz offensichtliches Herzensprojekt ist angesiedelt mitten in Irland. Ein Mann gesteht einen Mord, den er als 15-Jähriger begangen hat.

    "The man I was”: "”Um über den Mann zu sprechen, der ich geworden bin, müssen Sie von dem Mann hören, der ich war. Mit 15 wurde ich Mitglied der Ulster Volonteer Force. Auf den Straßen gab es Kämpfe jedes Wochenende, Bomben jeden Tag. Es war wie eine Belagerung, Sie müssen verstehen, wenn man da einmal drin ist, dann ist man bereit jeden zu töten.""

    Ein kleiner Junge steht neben dem Täter, der durch das Wohnzimmerfenster schießt. Es ist der kleine Bruder des Mordopfers Jim. Da der Mörder Alistair eine Strumpfmaske trägt muss er keine Rache für das im Auftrag der Ulster Defence League begangene Verbrechen befürchten und lässt den Kleinen am Leben. 30 Jahre später hat eine Reporterin eine gute Idee: die beiden sollen als erwachsene Männer noch einmal zusammen kommen und miteinander ganz direkt über die damalige Begegnung reden. Von Versöhnung ist die Rede - aber was wird tatsächlich passieren.

    "Five Minutes": "Ihn zu töten würde vielleicht nicht gut für Sie sein
    Meine persönlichen fünf Minuten Himmel würde das sein. Das ist gut für mich."

    Alistair war zwölf Jahre im Gefängnis und ist inzwischen ein geachteter Mann, der sich für die Aussöhnung zwischen der evangelischen Ulster Volunteer League und der katholischen IRA einsetzt. Doch Joe - damals war er ein kleiner Junge, jetzt ist er ein gestandener Mann - kann nicht vergessen. Zwischen den beiden nachhaltig traumatisierten Männern kann es in Wahrheit zu keiner Versöhnung mehr kommen. Sie sind beide von den terroristischen Bürgerkriegsparteien missbraucht und gebrochen worden.

    "Du wirst dem Mann, der Deinen Bruder getötet hat, im Angesicht gegenüber stehen."

    Joe kann Alistair mit der Fernsehkamera im Rücken nicht mal in die Augen schauen. Damit beginnt der eigentliche Film, der in einer heftigen gewalttätigen Konfrontation der unversöhnten Männer mündet. Solch einen unerwartet vielschichtigen Film über einen kaum überschaubaren Konflikt hatte man von Hirschbiegel, der als braver Studioregisseur der Constantin gilt kaum erwartet.

    Was ihn zu dieser Geschichte getrieben hat, konnte Hirschbiegel nur sehr undeutlich formulieren. Er hat jedenfalls mit den Vorbildern seiner Figuren ausführlich gesprochen, im Grunde also die Fiktive TV-Situation selbst hergestellt.

    Auf dem Filmfestival von Sundance im Frühjahr 2009 war "Five Minutes of Heaven" eines der großen herausragenden Ereignisse und ist inzwischen auch in der BBC ausgestrahlt worden. In Deutschland kommt er lediglich Original mit deutschen Untertiteln ins Kino, fügt aber der Filmographie Oliver Hirschbiegels eine ungewöhnlich interessante Variante hinzu. Einen archaischen Film, der über die Natur von Schuld und Sühne reflektiert, wie kein Film aus dem Land des Nordirlandkonfliktes.

    Überzeugende Darsteller und ein knappes Drehbuchkonzept machen möglich, was weder den oft auf das Irlandproblem zurückgreifenden einheimischen Filmemachern, wie auch Oliver Hirschbiegel von seinen Kommisar-Rex-TV-Produktionen bis zum umstrittenen "Untergang"- Erfolg samt Oscarnominierung in Deutschland nie gelungen ist: Ein wunderbares kleines Schmuckstück des politischen Autorenfilms.

    Wie so oft bleibt gerade das versteckt und verborgen in der Sprachenfalle: Englisch und dann noch mit irischem Akzent. Das mag man in deutschen Kinos nun wirklich nicht sehen. Es könnte sich aber mehr lohnen als viele Hollywoodblockbuster, die derzeit darauf setzen, dass Leidenschaft und überhaupt Inhalt niemand auf der Rechnung hat.