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Irland
Kritik an EZB-Entscheidung

Die EZB hat entschieden, dass das Ankaufsprogramm der Staatsanleihen über die nationalen Notenbanken abgewickelt wird. Doch auch das Ausfallrisiko wird zu 80 Prozent auf nationaler Ebene geregelt. Das stößt vor allem in Irland auf Unmut.

Von Martin Alioth | 23.01.2015
    Die Iren waren das Versuchskaninchen für Feuerwehreinsätze der Europäischen Union während der Finanzkrise. Sie mussten um jedes Zugeständnis heftig ringen und erhielten längst nicht alles, was sie sich wünschten. So musste der irische Steuerzahler den ausländischen Gläubigern der bankrotten irischen Banken ihre Guthaben bis auf den letzten Heller zurückbezahlen, weil die Währungshüter in Frankfurt das so befahlen. Der Widerwille Berlins und Frankfurts, Risiken gemeinsam zu schultern, war auch gestern spürbar.
    Dass das Ankaufsprogramm der Europäischen Zentralbank über die nationalen Notenbanken abgewickelt wird, ist eines, aber dass das Ausfallrisiko zu 80 Prozent ebenfalls nationalisiert wurde, stößt auf Widerspruch. Der irische Finanzminister, Michael Noonan, formulierte es diese Woche ziemlich deutlich: Die ganze Operation werde wirkungslos sein, wenn sie von den nationalen Notenbanken durchgeführt werde anstatt von der EZB, weil dann das Risiko nicht vergemeinschaftet werde.
    Rückschritt statt Fortschritt
    Das ist ein altes Anliegen der Iren und anderer Euro-Staaten, die in den letzten Jahren ins Schleudern gerieten. Einst ging es um Eurobonds, dann um die Beteiligung europäischer Fonds an geretteten irischen Banken, aber die Antwort war stets: Nein. Letztlich war der irische Steuerzahler auf sich allein gestellt, wenn es darum ging, die Suppe auszulöffeln. Noonan diagnostizierte einen Rückschritt. Schließlich hätten er und seine Ministerkollegen die letzten drei Jahre damit zugebracht, eine Bankenunion aufzubauen. Die Renationalisierung der Geldpolitik, wie Noonan es nannte, sei eine Kehrtwende.
    Er äußerte diese Kritik pikanterweise an einer Tagung in Dublin, die eine Art von Bilanz des irischen Rettungsprogramms zog. Ebenfalls anwesend war ein Direktoriumsmitglied der EZB, Benoît Coeur, der Noonan höflich aber unmissverständlich widersprach.
    Wenn es nun plötzlich darum gehe, wie man die Staatsschulden des Euroraumes besser vergemeinschaften könne, dann sei das die falsche Diskussion.
    Diese Entscheidungen würden nämlich nicht in Frankfurt, sondern in Brüssel gefällt, von demokratisch gewählten Politikern.
    So klingt es, wenn heiße Kartoffeln herumgeschoben werden. Den Iren nützt die Öffnung der Geldschleusen wohl herzlich wenig. Sie haben sich, wie Münchhausen, weitgehend am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen und stehen inzwischen wieder auf einigermaßen festem Boden.
    Mehr gemeinschaftliche Haftung
    Die Renditen auf irischen Staatsobligationen sind bereits auf rekordtiefem Niveau, die Sparpolitik hat offiziell aufgehört, weil die Wirtschaft kräftig wächst. Trotzdem verlangt der Musterknabe mehr gemeinschaftliche Haftung für mögliche Verluste.
    Der nächste Schock kommt ja schon übers Wochenende: die griechischen Wahlen. Irland fürchtet sich vor Kollateralschäden, wie Premierminister Enda Kenny gestern in Davos zugab.
    Irlands Erholung dürfe nicht durch einen Verlust von Stabilität anderswo aufs Spiel gesetzt werden.
    Eine Frage der Glaubwürdigkeit
    Stabilität heißt in diesem Falle wohl, dass die Lasten auf alle Schultern verteilt werden sollten, wenn die Währungsunion ihre Glaubwürdigkeit behalten will.