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Irlands Bevölkerungszahl steigt

Irlands Wirtschaft boomt. Und auch die Bevölkerungszahl auf der Insel steigt, denn zum einen bekommen die Iren selbst viel Nachwuchs, zum anderen lässt die gute Wirtschaftslage Einwanderer ins Land strömen. Martin Alioth berichtet.

02.08.2006
    Sam Greene ist seit dreieinhalb Monaten Teil des irischen Wirtschaftswunders, das als Keltischer Tiger bewundert und beobachtet wird. Im Moment ist der Jungtiger dabei, sein Gebiss zu entwickeln, und das ist kein ungeschmälertes Vergnügen. Sam wohnt mit seiner dreieinhalbjährigen Schwester Kim und seinen Eltern, Emma und Ben, im Dörfchen Julianstown, rund 40 Kilometer nördlich von Dublin.

    Vor vier Jahren hatte der unscheinbare Flecken am Flüsschen Nanny noch 5800 Einwohner; inzwischen sind es über 8000. Mit anderen Worten: Die Bevölkerung wuchs in diesem kurzen Zeitraum um 43 Prozent, und da ist Sam noch nicht mal mitgezählt. Landesweit nahm die Bevölkerung um über acht Prozent zu. Mit einer Geburtenrate von ziemlich exakt zwei belegt Irland den europäischen Spitzenplatz. Emma und Ben tragen ihr Scherflein dazu bei:

    Vier Kinder möchten sie haben, Emma denkt gelegentlich sogar an fünf, aber da fürchtet sie schon um ihre geistige Gesundheit. Zurzeit nimmt sie ihren Mutterschaftsurlaub, normalerweise leitet die 32-Jährige die Datenbank eines großen Dubliner Krankenhauses. Ihr 37-jähriger Gatte Ben führt das Reisebüro, das sein Vater aufgebaut hatte. Die Jungfamilie passt perfekt in die irische Bevölkerungspyramide, erklärt Tony Fahy, Demograf beim Wirtschaftsforschungsinstitut Esri:

    "1974 war das irische Spitzenjahr für Heiraten, sechs Jahre später für Geburten. Diese geburtenstarken Jahrgänge sind jetzt in ihren späten 20ern und frühen 30ern und haben selbst Kinder."

    Emmas Freundinnen haben alle zwei Kinder oder erwarten grad das zweite. Warum wollen gut ausgebildete Frauen mit attraktiven Arbeitsplätzen trotzdem mehr Kinder? Die Geburtenrate werde von der Beschäftigungslage für Frauen gesteuert, erklärt der Demograf. Entscheidend sind dabei die Erwartungen, die Zuversicht, nach einem vorübergehenden Ausstieg aus dem Berufsleben wieder eine Stelle zu finden.

    Im Gegensatz dazu haben familienpolitische Maßnahmen und Förderprogramme nach Ansicht des Experten nur sehr wenig Einfluss auf die Geburtenrate: Die Wirtschaftslage beeinflusst natürlich nicht nur die Fortpflanzung, sondern auch die Einwanderung. In den vier Jahren seit der letzten Volkszählung stieg der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung in Irland von 5,8 auf etwa 9,4 Prozent. Das sind fast 200.000 Menschen mehr, und auch die werden krank, wollen wohnen und essen und pendeln zur Arbeit.

    Emma jedenfalls meint, langfristig seien die 40 Kilometer nach Dublin unerträglich: Straßen und öffentliche Verkehrsmittel sind hoffnungslos überlastet. Früher konnte sie um halb acht das Haus verlassen; inzwischen muss sie die Fahrt um viertel nach sechs antreten.

    Für Sam und seine künftigen Geschwister ist das alles noch bedeutungslos, er muss jetzt mal schlafen. Aber für Ben und Emma wird der Wettbewerb um Fahrgelegenheiten und Krippenplätze bestimmt nicht einfacher.