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Irlands Premier kämpft um sein politisches Überleben

Irland flüchtete als erstes Land unter den EU-Rettungsschirm. Die rigide Sparpolitik führte zu Unmut - heute Abend stellt der angeschlagene Premierminister Brian Cowen, seiner Parlamentsfraktion die Vertrauensfrage.

Von Martin Alioth | 18.01.2011
    "Having consulted with my colleagues and having reflected on the current and future challenges, I've come to the conclusion that I should continue to lead the party. I believe this to be in the best interests of the government, the country and the party. "

    Nach zweitägigen Konsultationen mit seinen Parteikollegen verkündete der irische Premierminister Brian Cowen am Sonntagabend, er werde im Amt bleiben. Das sei gut für die Regierung, das Land und die Partei. Der Sturz des ungeliebten Premierministers war einmal mehr misslungen. In einem Punkt sind sich alle einig: was auch immer man über die Fähigkeiten Cowens denken mag – er ist ein Pechvogel. Seit er vor zweieinhalb Jahren die Führung der Koalitionsregierung übernahm, hagelt es Katastrophen. Als Erstes kam die Ablehnung des EU-Vertrags von Lissabon, dann führte der Kollaps des Immobilienbooms zur Implosion des irischen Bankensystems, und schließlich mussten europäische und internationale Partner die Finanzierung des irischen Staates übernehmen. Die Popularität Cowens, eines Anwalts aus der Provinz, schrumpfte beängstigend. Sie liegt heute unter der Rendite irischer Schuldverschreibungen. Als dann vor zehn Tagen ein neues Buch eine mehrstündige Golfpartie und ein ausführliches Nachtessen Cowens mit der Führungsriege der toxischen Anglo Irish Bank enthüllte, überlief das Fass. Cowen mochte beteuern, man habe gar nicht über die Bank gesprochen. Die Öffentlichkeit sah ihren alten Verdacht bestätigt, dass Cowen und seine Fianna-Fáil-Partei in der Tasche der Spekulanten und ihrer maßlosen Geldgeber waren. Demnach wäre Anglo Irish Bank wenige Wochen nach dem Golfturnier Nutznießerin der umfassenden staatlichen Bankgarantie geworden, weil das Führungspersonal so verfilzt war. Doch Cowen weist das alles beleidigt von sich. Heute Abend will er den Flächenbrand löschen:

    "I have therefore decided to place a motion of confidence in my leadership before next Tuesday's parliamentary party meeting. The vote will be by secret ballot."

    Die Fraktion soll ihm das Vertrauen aussprechen. Die 71 stimmberechtigten Abgeordneten der Fianna-Fáil-Partei wissen, dass ihnen in der nächsten Wahl, die vermutlich vor Ende März stattfinden wird, ein Blutbad droht. Ohne das Konterfei Cowens auf dem Wahlplakat wäre der Schaden womöglich etwas geringer. Aber es fehlt ein Gegenkandidat. Der aussichtsreichste Anwärter, Außenminister Micheál Martin, wird Cowen zwar sein Vertrauen verweigern, bleibt aber im Kabinett – weil der Premierminister sein Rücktrittsangebot ausschlug. Und weshalb tritt Martin nicht selbst an?
    "I am not involved here in a contest to exercise the maximum damage on the party or to create further damage to the party."

    Es gehe hier nicht um einen Wettbewerb, wer der Partei den größten Schaden zufügen könne.

    "I think we are both showing that there is a way to do this civilly and within the party. And that's what we are doing. And I think there's nothing wrong with that."

    Man könne das auch mit gesitteten Umgangsformen austragen. Da sei eigentlich nichts dagegen zu sagen. – Cowen wollte kein schlechtes Wort über seinen zaghaften Rivalen hören:

    "We are excellent friends, good friends, good colleagues, and, as I say, he has my admiration and respect."
    Sie seien gute Freunde, er bewundere und respektiere seinen Außenminister. – Bei so viel Herzensgüte fragten sich manche, was das Ganze Theater denn solle? Könnte es denn sein, dass niemand diese Zentrums-Partei, die nicht an Ideale, sondern an Macht glaubt, in ihren sicheren Untergang führen will, dass Cowen deshalb mit dem Schwarzen Peter sitzen bleibt? Cowen selbst sprach das an, wenn auch wie immer in den Formulierungen eines Vertragsentwurfs:

    "I am keenly aware that in putting the country first, and given the magnitude of the decisions we have taken, necessary as they are, this has impacted on support levels for our party."

    Die unvermeidlichen, drakonischen Entscheidungen seiner Regierung hätten die Popularität der Partei negativ beeinflusst. Das ist vorsichtig ausgedrückt. Die jüngsten Meiniungsumfragen zeigen Fianna Fáil, die Staatspartei Irlands, die seit achtzig Jahren die Geschicke des Landes fast durchgehend gelenkt hat, gerade noch bei 14 Prozent. Normal wären 40. Die Hoffnungen des widerwilligen Herausforderers Martin, wonach ein Führungswechsel wie ein Jungbrunnen wirken könnte, erscheinen daher etwas verträumt:

    "I do believe though that it would put fire in the belly of the organisation, that it would give a lift to the party membership, and that you would witness a far more vigorous campaign."

    Das würde Feuer im Bauch der Partei entfachen, die Gemüter beleben und den Wahlkampf befeuern. – Tatsache ist vielmehr, dass Fianna Fáil vom Wähler für Irlands Schicksal verantwortlich gemacht und dafür büßen wird.


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