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IRT: Verdacht der schweren Untreue
Der 100-Millionen-Vorwurf

Der Bayerische Rundfunk hat gegen einen ehemaligen Patentanwalt beim Institut für Rundfunktechnik Strafanzeige erstattet. Das IRT wird unter anderem von ARD, ZDF und auch Deutschlandradio getragen. Der Beschuldigte soll über Jahre hinweg Lizenzgebühren in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Von  Wolfram Schrag | 04.05.2017
    Ein Wegweiser mit der Aufschrift "Bayerischer Rundfunk BR" und "Institut für Rundfunktechnik IRT"
    Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) ist ein gemeinsames Forschungsinstitut von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle sowie den österreichischen und Schweizer Rundfunkanstalten ORF und SRG. (picture alliance / Felix Hörhager/dpa)
    Es geht um Erfindungen, um Patente und um das ganz große Geld. Das Institut für Rundfunktechnik ist nicht umsonst eines der renommierten Forschungsinstitute und setzt immer wieder Meilensteine bei der Rundfunk- und Fernsehtechnik. Dort wurden unter anderem der Videotext mit entwickelt oder auch das sogenannte MPEG-Verfahren, mit dem Musikdateien so komprimiert werden können, dass sie auch im kleinsten Gerät noch Platz finden.
    Und das IRT verdiente mit diesen Erfindungen Geld. Nur eben offenbar viel weniger, als ihm zustand. Den viel größeren Teil, so der Verdacht, sackte ein ehemaliger Patentanwalt ein, erklärt der Wirtschaftsstrafrechtler, Rechtsanwalt Christoph Knauer, der die Strafanzeige formulierte: "Der Bayerische Rundfunk hat die Strafanzeige auf der Basis des Verdachts erstattet, dass der Beschuldigte seine Position ausgenutzt hat, um für das IRT besonders nachteilige Verträge zu verhandeln. Denn er hat gleichzeitig eine Vereinbarung mit der Verwertungsgesellschaft getroffen gehabt, der Verdacht besteht darin, dass er auch dort Kick Backs erhalten hat."
    Gewinnformat MPEG
    Bereits seit Mitte der 1970er-Jahre war der Beschuldigte, der nun schon über 70 Jahre alt ist, für das Institut tätig und machte sich Mitte der 1990er-Jahre selbstständig. Nach den ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gründete er in dieser Zeit eine eigene Firma. Dort, so Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl, flossen Lizenzgebühren hin: Der Beschuldigte selbst, beziehungsweise eine von ihnen kontrolliert der Familiengesellschaft hat im Laufe der Zeit, nach derzeitigen Erkenntnissen, eine Betrag von 100 Millionen Euro erhalten. Für den Bayerischen Rundfunk ist nach derzeitiger grober Schätzung ebenfalls einen Schaden im dreistelligen Millionen Bereich entstanden. Wir gehen von deutlich über 100 Millionen Euro aus."
    Vor allem das sogenannte MPEG-Format, das heute in jedem MP3-Player zu finden ist, ging danach durch die Decke, wie es Bäumler-Hösl formulierte. Fast alle großen Technikanbieter nutzen den Standard, den das IRT unter anderem zusammen mit der niederländischen Philips entwickelt hatte. Nur beim IRT blieb von den Lizenzeinnahmen nicht so richtig was übrig. Entsprechend hat die Staatsanwaltschaft auch einen Haftbefehl beantragt: "Die Staatsanwaltschaft München eins ermittelt wegen des dringenden Tatverdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall, der Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall und des Parteiverrats. Wir haben deswegen Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehl beantragt, die heute vollzogen werden konnten."
    Ist das Geld noch da?
    Auf Untreue mit dieser hohen Schadenssumme stehen im schlimmsten Fall mehrjährige Haftstrafen. Die Frage ist nun, ob das Geld weg ist. Doch da kann die Staatsanwältin zumindest Hoffnung machen. Auch wegen der guten Zusammenarbeit mit dem BR: "Nach unserem Kenntnisstand hat der Bayerische Rundfunk sehr schnell und sehr gut reagiert. Er hat sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe die erforderlichen zivilrechtlichen und auch strafrechtliche Schritte eingeleitet. Es ist zivilrechtlich, nach unserem Kenntnisstand, ein Arrest gegen die Betroffenen in Höhe von circa 130 Millionen Euro erlassen."
    Damit wäre ein Teil des Geldes gesichert. Aber, die Ermittlungen stehen auch erst am Anfang.