Wally Koval: "Accidentally Wes Anderson"

Das Grand Budapest Hotel ist überall

05:45 Minuten
Buchcover zu Wally Koval: "Accidentally Wes Anderson"
Szenerien wie aus "Grand Budapest Hotel: Wally Kovals Bildband "Accidentally Wes Anderson". © Dumont/Deutschlandradio
Von Eva Hepper · 03.11.2020
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Seit 2017 fotografiert eine Online-Community surreale Orte weltweit. Einzige Bedingung: Sie müssen aussehen wie Kulissen aus einem Wes-Anderson-Film. Nun gibt es das Best-of dieser Bilder als Buch.
Um eine typische Szenerie von Wes Anderson zu erkennen, reicht meist ein einziger Blick. Seine Liebe zu perfekten Symmetrien, schrägen Kompositionen und vor allem pastellenen Farbtönen macht die Bildsprache des amerikanischen Regisseurs unverwechselbar. Zudem passt sie perfekt zu den skurrilen Geschichten, Typen und Orten, von denen Anderson seit über 20 Jahren so genial erzählt; sei es in der im Zug spielenden Story "Darjeeling Limited" (2007) oder der Tragikomödie "Grand Budapest Hotel" (2014).

"Accidentally-Wes-Anderson-Community"

Kein Wunder also, dass die Wes Anderson-Fangemeinde riesig ist. Dass sie nicht nur der Größe nach beeindruckt, sondern ihrem Idol auch in Sachen Kreativität nacheifert, beweist die 2017 von Wally Koval auf Instagram gegründete Online-Community "Accidentally Wes Anderson". Diese zählt mittlerweile über eine Million Mitglieder, die eine besondere Leidenschaft teilen: die weltweite Suche nach Orten und Settings, die einem Wes Anderson Film würdig wären, oder anders gesagt, diesem gar entsprungen sein könnten.
Wally Koval ist nicht nur der – in Brooklyn beheimatete – Initiator dieses Online-Projekts, er ist auch dessen Kurator und postet täglich neue Bilder; eigene und solche, die ihm aus aller Welt zugehen. Über 200 der besten dieser inzwischen zahllosen Fotografien präsentiert der Autor nun in einem dicken Bildband; aufwändig gestaltet im Anderson-Stil als zart rosafarbenes Hardcover mit hellblauem Vorsatzpapier.

Extravagante und ganz normale Bauten

Die Bilder sind bestechend! Sie zeigen fantastische und mitunter auch berühmte Gebäude wie Hotels, Bibliotheken, Regierungssitze oder Badeanstalten (von innen und von außen), sie versammeln extravagante Bauwerke, darunter Leuchttürme, Piers, Bahnhöfe oder Aussichtspunkte und sie präsentieren auch ganz normale Bauten wie Geschäfte, Kioske, Rolltreppen oder Strandbuden aus allen Kontinenten.
So vielfältig die Motive sind, sie alle eint der typische Wes-Anderson-Look. Er zeigt sich ebenso im Eingangsbereich des Nationalen Kunstmuseums der Ukraine, wo eine gelangweilte Ticketverkäuferin hinter einem blauen Tresen döst, das wiederum auf rosafarbenen Kugeln ruht, wie auch beim schwarz-weiß geringelten Leuchtturm am Cape Hatteras in North Carolina oder auch in der Anordnung bunter Sitzschalen im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.

Kuriositäten und die Geschichten dahinter

Als wahrer Fan Wes Andersons weiß Wally Koval auch um die Bedeutung der Geschichten hinter den Kuriositäten. So ist jedem Bild ein Text zur Seite gestellt, der der Ästhetik in nichts nachsteht. Wer hätte gewusst, dass das texanische Marfa nicht nur eine seltsam konstruierte Feuerwache hat, sondern auch eine Verbindung zu Jules Verne? Oder dass das kalifornische Georgian Hotel – eine eigentümliche Verbindung von Art déco und Romantik – während der Prohibition zur Flüsterkneipe wurde? Oder welche Töne seit 1973 aus den Lautsprechern der nordkoreanischen Metrostation Kaeson rieseln?
Dieses Buch macht großen Spaß. Es ist eine tolle Huldigung und ein Reiseführer der schönsten Art: originell, bildverliebt und herrlich skurril!

Wally Koval: "Accidentally Wes Anderson"
Übersetzt aus dem Englischen von Mia Pfahl
Dumont/Köln 2020
368 Seiten, 28 Euro


Unter dem Hashtag #accidentallywesanderson finden Sie auf Instagram zahlreiche Motive des hier besprochenen Bandes. Drei der schönsten haben wir für Sie ausgesucht:
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