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Namibias Chefkuratorin zu kolonialer Raubkunst
"Die Deutschen müssen ihre Schuld anerkennen"

Frankreich will geraubte Kulturschätze restituieren, Deutsche diskutieren das. Afrikanische Experten halten die Rückgabe von Exponaten aus europäischen Museen für völlig unmöglich. Außerdem bedeute eine Rückgabe ohne Anerkennung der Geschichte nichts, so Chefkuratorin Mubusisi vom Nationalmuseum Namibia.

Von Werner Bloch | 24.11.2018
    Ausstellungsansicht Benin-Bronzen im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
    Ausstellungsansicht Benin-Bronzen (Museum für Kunst und Gewerbe, Martina Hille)
    "Sagen Sie mir eins: Was wissen Sie über Wakanda?"
    Wakanda – das ist der fiktive Schauplatz des vielleicht revolutionärsten Films, der jemals über Afrika gedreht wurde: Black Panther. Eine afro-futuristische Fiktion, die Afrika ein neues Selbstbewusstsein gegeben hat.
    Der Film stellt die Welt auf den Kopf. Hier besitzen die Afrikaner Superwaffen, Hightech und alle Reichtümer der Welt, während Europäer um Asyl bitten. Allerdings besitzen die Europäer noch großartige afrikanische Kunst, die sie den Afrikanern geraubt haben.
    Eine Szene des Films spielt in einem Museum in London, das dem British Museum erstaunlich ähnelt:
    Eine Gruppe von Afrikanern stürmt das Museum, zerschlägt eine Vitrine und holt sich die Kunstschätze zurück, die ihren Vorfahren gestohlen wurden.
    Damit sind wir mittendrin in der Raubkunstdebatte, die der französische Präsident Emmanuel Macron bei seiner Rede in Ouagadoudou losgetreten hatte.
    Misstrauen gegenüber Macron
    Man könnte annehmen, dass die Afrikaner über dieses Angebot begeistert wären – doch weit gefehlt. Bei den afrikanischen Museumsexperten, die zurzeit auf Einladung des Goethe-Instituts in Deutschland sind, kommt keine Freude auf. Eher Misstrauen, ob Macron wirklich so großzügig ist oder was er eigentlich bezweckt.
    Manche halten die Rückgabe afrikanischer Kulturgüter aus europäischen Museen und Privatsammlungen sowieso für völlig unmöglich. Zum Beispiel Professor Germain Loumpé aus Kamerun, einer ehemaligen deutschen Kolonie:
    "Die Rückgabe der Objekte nach Afrika ist materiell und technisch unmöglich. Man kann das gar nicht zurückschicken. In den deutschen Völkerkundemuseen lagern ungefähr eine Million Objekte. Ich weiß nicht, wie man das alles nach Afrika schicken soll? Wohin? An wessen Adresse? Das ist schlicht unmöglich."
    Unsicherheit bei afrikanischen Museumsexperten
    Germain Loumpé ist eine Instanz, er gilt als Koryphäe sowohl in Afrika als auch in Europa. Der wuchtige, hoch gewachsene 60-Jährige hat schon vier Kameruner Kulturminister beraten. Er kennt die Politik. Doch er ist skeptisch: In Afrika, meint er, gebe es keine Kulturpolitik. Die Museen hätten dort keinen großen Stellenwert.
    Tatsächlich sind Afrikas Museen schlecht ausgerüstet und unterfinanziert; auf dem ganzen afrikanischen Kontinent gibt es nur ein Land, in dem Kunstobjekte fachgerecht aufbewahrt und präsentiert werden können: in Südafrika. Und es gibt noch viel mehr Probleme:
    "Die Mehrzahl der afrikanischen Kunstwerke in Europa sind ethnische Objekte. Afrika ist immer noch eine Stammesgesellschaft. Die afrikanischen Staaten bestehen aus Ethnien. Trotzdem leben sie in einem übergeordneten Nationalstaat, der das kulturelle Erbe treuhänderisch verwaltet, aber das bringt oft Konflikte mit sich."
    Eine Restitution der Objekte, wie Macron sie plant, könnte in den Empfängerstaaten mehr negative als positive Effekte auslösen, meint Germain Loumpé.
    Der Wunsch, Kolonialgeschichte abzuschließen
    Was Deutschland angeht, herrscht bei vielen afrikanischen Museumsexperten große Unsicherheit. Sie wissen in der Regel nicht, welche Kulturgüter aus ihrem Land in deutschen Museen lagern. Doch die Rückgabe, über die so viel und unerbittlich in Deutschland und Frankreich diskutiert wird, sie sei gar nicht entscheidend, meint Nzila Marina Mubusisi, die Chefkuratorin am Nationalmuseum von Namibia. Es komme auf etwas ganz anderes an.
    "Kultur verbindet. Ich bin nach Deutschland gekommen, weil wir historische und kulturelle Beziehungen nach Deutschland haben. Unser Nationalmuseum wurde 1907 von Deutschen gegründet – von Kolonisatoren. Aber unser Museum verfolgt seit der Unabhängigkeit einen Geist der Versöhnung. Und wir wollen nicht verbittert sein."
    Man wolle, sagt die Chefkuratorin, mit dem Kapitel der Kolonialgeschichte abschließen. Dazu aber müssten die Deutschen ihre Schuld anerkennen. Die Museumsobjekte an sich - ohne Anerkennung der Geschichte und der deutschen Verantwortung - das bedeutet uns nichts, sagt Nzila Marina Mubusisi.
    "Ablasshandel bringt uns nicht in die Zukunft"
    Bis heute hat sich die Bundesregierung für den Genozid an den Hereros und Namas, den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, nicht einmal offiziell entschuldigt. Der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, hat kürzlich erst gesagt, es sei doch nicht alles am Kolonialismus schlecht gewesen. Die Europäer hätten die Afrikaner aus ihren archaischen Zwängen befreit.
    Das Goethe-Institut sieht das anders. Der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung erst begonnen hat. Jetzt gehe es um eine gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte von Afrikanern und Deutschen, so Lehmann. Von einer pauschalen Rückgabe der Kulturgüter ohne Dialog hält er nichts.
    "Was Rückgabe und Restitution angeht, bin ich der Meinung, dass es falsch ist, wenn das nur in Deutschland und isoliert passiert. Das empfinde ich so: Ich wasche mich von der Schuld rein, ich mache einen Haken und das ist es. Das finde ich eine neue Arroganz.
    Sonst ist es wie Ablasshandel. Das bringt uns nicht in die Zukunft."