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Is was?! Aufreger der Woche
Vom Wunder der Bürokraten-Poesie

Worte, deren Wohlklang wärmt: "Software-Zuordnung" und "Bilanzpressekonferenz" - man könnte ins Schwärmen geraten. Könnte - wenn dieser wärmende Wohlklang nicht so nerven würde, findet Corso-Satiriker Stefan Reusch.

Von Stefan Reusch | 23.03.2018
    Ein Stempel mit der Aufschrift "Bürokratie" steht vor einem Stapel Papier.
    Der diskrete Charme der Bürokratie: Stefan Reusch reibt sich lustvoll an der Poesie spröder Sprachwindungen (picture alliance/ dpa/ Ralf Hirschberger)
    Ohne Witz ist doch immer der Russe, also alles! Erst macht er den Trump zum Präsidenten, dann macht er einen Ex-Spion halbtot, lässt sich dafür sofort verurteilen, schon bevor es Beweise gibt, nur, damit er eingeschnappt sagen kann: "Nee, war ich nicht." Und gestern hat der Russe seinem Trump wohl gesteckt: "Lass' das mal mit den Strafzöllen gegen die EU" - damit die Europäer noch genug Kohle ha'm, um sein Gas zu kaufen, um bei seiner Fußball-WM anzutreten, dass der Rubel rollt!
    Der Russe... überall hat er seine Finger drin. Jetzt bei der Wahl vom Putin, da steckt doch auch der Russe wieder hinter. Sollte mich nicht wundern.
    Wundern will ich mich über wunderschöne Dinge. Vorgestern, Mittwoch, bei BMW ist "Bilanzpressekonferenz" - ein schönes Wort. Der Konzernsprecher Schöberl bezeichnete den Einbau einer Software zum Abschalten der Diesel-Abgasreinigung als "Betrug" - nein, Spaß - als "Versehen". Wörtlich: "Es handelt sich um eine fehlerhafte" - auch ein schönes Wort - "Software-Zuordnung".
    Der Welttag der Poesie
    Ein Wort zum Welttag der Poesie. Der war nämlich am Mittwoch. Und da hat böse Absicht - Betrug - hat da keinen Platz. Und es kann ja leicht so ein Versehen geschehen, bei zehn oder elf Autos. Oder wie jetzt bei BMW bei zehn- oder elftausend Autos! Eine fehlerhafte Software-Zuordnung. Bürokraten-Poesie. Aber schön.
    Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg war am Mittwoch poetisch unterwegs. Er entschuldigte sich so überzeugend, als habe er das bei BMW gelernt; also so, dass ihm bei aller Zerknirschtheit anzumerken war, nun möge es aber auch sein Bewenden haben mit Sack, Asche und Datenschutz.
    Und am selben Mittwoch, da gab uns Angela Merkel auch noch ihre neueste Regierungserklärung; und laut "Süddeutscher Zeitung" sagte sie dreimal den hochpoetischen Satz: "Seien wir ehrlich." Was das heißt? Keine Ahnung. Häufig entzieht sich Poesie der schnellen Interpretation. In 100 Tagen werden wir mehr wissen.
    Dann, pünktlich am 1. Juli, werden wir drüber lachen; über "seien wir ehrlich", über Zuckerberg und über fehlerhafte Software-Zuordnung. Dann, am 1. Juli, ist nämlich der Internationale Tag des Witzes. Lustig, ne?!