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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Die einen pochen auf ihr Recht auf Meinungsfreiheit und randalieren in Sachsen vor einem Flüchtlingsheim. Die anderen pochen auf die Gleichstellung, protestieren gegen Frauenfeindlichkeit und veranlassen den WDR, eine längst gelaufene Sendung aus der Mediathek zu löschen und komplett neu zu produzieren.

Von Klaus Pokatzky | 28.08.2015
    Demonstranten und Polizisten in Schutzkleidung.stehen in der Nacht auf einer Straße. Im Hintergrund sind Leuchtfeuer und Rauch zu sehen.
    Nach den nächtlichen Ausschreitungen vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau ist die Lage wieder ruhig. (dpa / Arno Burgi)
    In der DDR gab es wirklich auch Gutes. Radeberger Bier zum Beispiel. Und die schönen Kinderlieder. Obwohl: Es gab auch Schlechtes. Die Zensur zum Beispiel. Was gedruckt werden konnte und über den Äther ging, das entschied das Politbüro.
    Beim WDR, dem Westdeutschen Rundfunk, heißt das Rundfunkrat. Dessen Programmausschuss hat beschlossen, dass eine Sendung mit Frank Plasberg zur Geschlechterdebatte aus dem Onlinearchiv gelöscht wurde. Hart aber unfair. Sie war, so die offizielle Begründung, "von Frauenverbänden und Gleichstellungsbeauftragten als unseriös empfunden worden". Wenn jetzt alle unseriösen Fernsehsendungen aus den Online-Archiven gelöscht werden, dann bleibt da nicht viel drin.
    Gelöscht
    Trinken wir also ein Radeberger auf das Radio. Bei uns gibt es keine Zensur. Das Bier ist aber nicht bekömmlich. Das hat jetzt das Landgericht Ravensburg entschieden und einer schwäbischen Brauerei verboten, dass sie ihr Gesöff "bekömmlich" nennt. Könnte ein Gericht nicht auch mal den rassistischen Randalierern im sächsischen Heidenau verbieten, dass sie sich als Patrioten bezeichnen?
    Ach so, nee, geht nicht; Meinungsfreiheit! Die hat aber auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, wenn er solche Leute als "Pack" bezeichnet. Ist das Pack? Also erst mal: Rechtsradikale sind das nicht, auch wenn die Agenturen das gerne und blöde schreiben. Rechtsradikalismus liegt nach der gängigen Definition nämlich "noch innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Die Heidenauer Nazis sind also Rechtsextremisten. Aber sind sie auch Pack?
    Ich finde, sie sind einfach Primaten. In der DDR gab es neben der Zensur und dem Radeberger auch das wunderschöne Kinderlied "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht – dann bleibe ich zu Haus". Heute singen die Kinder in Heidenau: "Wenn Mutti gleich zum Krawall geht, dann gehe ich doch mit". Wenn die da nachmittags bei Kaffee und Kuchen sitzen, fragt der Sohnemann: "Mutti, hast du auch die Steine schon eingepackt?"
    Und Mutti kramt in der Handtasche und ist dann ganz erleichtert: alles drin – auch die Feuerwerkskörper für den Papa und das Radeberger. Und dann ziehen die Primaten los.
    Aber jetzt mal rein dialektisch betrachtet, so nach Marx und Engels und Cicero: Cui bono?
    Viel zu verdanken
    Unter dem Strich haben wir den braunen Primaten unheimlich viel zu verdanken: Die verletzten Polizisten allerdings sicherlich nicht – wie kann eine Polizeileitung auch so blöde sein, gegen braune Primaten normale Streifenpolizisten zu schicken? Aber ansonsten haben die Primaten uns weitergebracht. Wann jemals haben innerhalb weniger Tage Bundespräsident und Kanzlerin, Vizekanzler und Innenminister Flüchtlingsheime besucht?
    Einen solchen Massenanfall von Politikern hat es da noch nie gegeben. Initiativen für Flüchtlinge sprießen aus dem Boden – von denen, die nicht mehr von Baum zu Baum hüpfen. Wer kann heute noch von Politikverdrossenheit reden? Danke, ihr Hüpfer. Bevor es jetzt hier Hass-Mails hagelt: Primaten kommt vom lateinischen primus, "der Erste", und bezieht sich auf den Menschen als "Krone der Schöpfung". Oder, wie Gottfried Benn dichtete: "Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch". Das war aber nur ein Zitat, ihr Hass-Mailer. Bei uns gibt's eben keine Zensur. Und darauf jetzt ein Radeberger. "Hart aber fair".