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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Der eine erregt mit einer unbedachten Äußerung über "wunderbare Neger" die Gemüter, der andere erzürnt die EU durch seine eindimensionale ungarische Sicht auf die Flüchtlingskrise und das Foto eines ertrunkenen kleinen Flüchtlingsjungen erschüttert die Gemüter.

Von Klaus Nothnagel | 04.09.2015
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sorgte mit der Äußerung "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger" für Schlagzeilen. (imago/Sven Simon)
    Wissen Sie, wer Joachim Herrmann ist? Bayrischer Innenminister ist der; ich nehme an, er verteilt Filmpreise und hält die Schnarchrede bei den Landesjugendwettspielen, solche Sachen. Diese Woche hatte der Minister einen großen Auftritt; bei "Hart aber fair" wies er alle Rassisten harsch in die Schranken, indem er sagte: "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger, der den meisten Deutschen wunderbar gefallen hat." Alles klar soweit. Erstens: "Neger" sagen ist doch nicht verboten, sonst tät es ein leibhaftiger Minister nicht. Zweitens: Negertum ist verzeihlich, aber nur das sogenannte wunderbare Negertum.
    "Köche, Schweißer, Altenpfleger" sind gesuchte Berufe, wunderbar, auch in der Neger-Version. Und eben der Lach- und Unterhaltungsneger, der laut singt, täppisch tanzt und wild grimassiert, sich also in jeder Hinsicht zum Horst macht. Das dazu.
    Der Amokläufer Europas
    Das Flüchtlingsproblem ist kein europäisches, sondern ein deutsches Problem. Viktor Orban hat uns das erklärt, der berüchtigte politische Amokläufer Europas, der Mann, der in Ungarn eigenhändig die Demokratie beerdigt. Die Flüchtlinge wollten in keinem anderen Land bleiben, sagt er, sie wollten nach Deutschland.
    Ich glaube, das lässt sich beheben. Unser Land muss sich ändern: Die Medienfreiheit richten wir künftig nach Putins Russland aus; die Wirtschaftspolitik machen wir englisch, die Rechtspolitik berlusconisieren wir, - und am Ende machen wir noch einen Rundumschlag in Sachen Demokratie-Abbau, wie Viktor Orban ihn uns täglich vormacht.
    Wenn das alles geschafft ist, muss kein Flüchtling sich mehr nach Deutschland sehnen; dann kann man auch in Ungarn bleiben. Kann natürlich sein, dass in unserem Land dann der Zufluss an wunderbaren Negern gänzlich versiegt. Traurig.
    Eine Welle der Sentimentalität und Betroffenheit
    Es ist ja immer sehr schwer, sich anderer Leute Not und Elend vorzustellen, schon weil wir sowas nur aus Erzählungen kennen. Dann wird ein Bild von einem ertrunkenen kleinen Flüchtlingsjungen gedruckt und überall nachgedruckt, eine Welle von Sentimentalität schwappt los. Schön. Wenn so auch die hartherzigeren Deutschen zur Flüchtlingshilfe überredet werden können, schmieren wir eben etwas Kitschsoße über die Flüchtlingsthemen, zeigen Kinder, kleine puschelige Hunde, Sterben für die ganze Familie sozusagen. Und wenn Fotos nicht genügen: Auf Initiative des Bochumer Statdttheaters konnte man sich diese Woche probeweise in einen geschlossenen Kühl-Lkw einsperren lassen, einfach um mal so ein Gefühl dafür zu kriegen, wie die 71 jämmerlich erstickten Flüchtlinge sich zuletzt gefühlt haben mögen.
    71 Bürger – so war in einer Zeitung zu lesen - stiegen über die Ladebühne auf die 15 Quadratmeter große Ladefläche und standen auf mehrere Minuten zusammengedrängt und schauten betroffen ins Freie.
    Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich bin unserer Kultur zutiefst dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gibt, zusammengedrängt zu stehen und betroffen ins Freie zu schauen. Fast wie echte Notleidende.