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Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Ein gut gemeintes Schreiben eines Odenwälder Bürgermeisters an die im Ort lebenden Flüchtlinge erregt die Gemüter, Sepp Blatter und Michel Platini werden für 90 Tage vom FIFA-Ethikkommission suspendiert. Und der Berliner "Tagesspiegel" schafft es unfreiwillig mit einer sogenannten Text-Bild-Schere zu ungewollter medialer Aufmerksamkeit.

Von Klaus Nothnagel | 09.10.2015
    "Willkommenskultur" - wie freut mich dieses warmherzige Wort! Seit gestern weiß ich auch, was es bedeutet: Der Bürgermeister von Hardheim im Odenwald hat den 1.000 Flüchtlingen seines Städtchens einen Brief geschrieben, auf Deutsch, versteht sich, und mit der schönen Anrede "Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann". Aber dann kommt's knüppeldicke: "Man betritt kein Privatgrundstück, keine Gärten, Scheunen und andere Gebäude und erntet auch kein Obst und Gemüse, das einem nicht gehört".
    Offenbar ängstigt sich die Odenwälder Landbevölkerung vor Scheunenbesetzung und Obstklau. Und dann geht's Schlag auf Schlag weiter mit: Müll in den Mülleimer; Waren im Supermarkt erst bezahlen, dann öffnen; nicht zu dritt ein Fahrrad benutzen; keine jungen Mädchen um Handynummern anquatschen; nicht in Parks und Gärten pinkeln; ab 22 Uhr Nachtruhe. Ein abreguliertes, um nicht zu sagen: ein totenstarres Land, das da beschrieben wird.
    Wie soll jemand "Willkommenskultur" verströmen, der selbst gar keine Kultur hat?
    Großes Getöse in den sozialen Medien
    Den Berliner "Tagesspiegel" lese ich normalerweise nicht; ich fürchte zu sehr, vor Langeweile ohnmächtig zu werden. Diese Woche sorgte das matte Kalkblatt aus dem verschnarchten Berliner Westen doch mal für Aufregung, allerdings unfreiwillig: "Der schon wieder" war die Schlagzeile zu einem Bild des Hitler-Darstellers in voller Montur, aus der Filmsatire "Er ist wieder da". Direkt unter dem Bild die Schlagzeile "Flüchtlingskrise wird Chefsache" - gerade so, als hätte der Führer sich im Jenseits entschlossen, das deutsche Flüchtlingsproblem zu regeln.
    Großes Getöse in den sozialen Netzwerken und überall dort, wo man sich sonst öffentlich erregt. Die Redaktion entschuldigte sich umgehend für die "geschmacklose Verbindung von Bild und Text". Dabei hätte man die Panne so leicht vermeiden können: "Flüchtlingskrise wird Chefinnen-Sache" - bitte, schon stimmt's!
    Das Phänomen Sepp Blatter
    Wie soll man das Phänomen Sepp Blatter jemandem erklären, der sich nicht für Fußball interessiert? Vielleicht so: Blatter ist ein kleiner, undurchsichtiger, meist jovial lächelnder 79jähriger Schweizer, der zwar längst im Rentenalter ist, aber trotzdem noch als Fußballfunktionär amtiert. Schon als er 1998 zum Präsidenten des Weltfußballverbandes FIFA gewählt wurde, hörte man den Verdacht, er habe sich die nötigen Stimmen gekauft. Erstaunlicherweise kann die milliardenschwere FIFA, in der sich Blatter wie ein Alleinherrscher aufführt, auch ohne ihn agieren,- und jetzt ist der Pate tatsächlich von der FIFA für 90 Tage von allen Aktivitäten im Weltfußball ausgeschlossen worden.
    Sein Amt übernimmt Issa Hayatou aus Kamerun, gegen den zwar schon der eine oder andere Korruptionsverdacht vorlag, gegen den aber noch nie ermittelt wurde. Fast wie bei der Mafia: Der einsitzende Pate wird vom jeweils Ranghöchsten vertreten, der verfügbar ist, weil er gerade nicht im Knast sitzt. Glaubt eigentlich noch irgendjemand, die FIFA könnte sich reformieren? Sagen wir's so: Dass Hertha BSC deutscher Meister wird, ist wahrscheinlicher.