Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Is was!?
Der satirische Wochenrückblick

Die CSU macht auf Anarchismus: Egal ob bei der Asylpolitik, der Maut oder beim Betreuungsgeld. Sie sollte sich ein Beispiel an Jesus nehmen, meint unser Kolumnist.

Von Stefan Reusch | 24.07.2015
    Die Deutschen nähern sich einander an. Die Forscher des Berlin-Instituts für Bevölkerung, sorry, die heißen wirklich so, stellten sich die Frage: Kann man die Deutschen Ost und die Deutschen West noch voneinander unterscheiden, 25 Jahre nach der Einheit? Kurz gesagt: Wenn man nix Besseres vorhat, kann man sie unterscheiden. Aber man sollte Besseres vorhaben. Dieses ständige Ost-West-Vergleiche nervt. Es gibt Wichtigeres: das Nord-Süd-Gefälle. Seit knapp 70 Jahren gibt es im Süden Deutschlands den Freistaat Bayern. Ja, es gab zwischenzeitig schöne Erfolge in der Angleichung der Lebensverhältnisse. Nicht zu bestreiten. Aber die Tendenz - besorgniserregend: Ob Asylpolitik oder Autobahnmaut – Bayern bzw. die dort regierende CSU stellt sich quer.
    Hatte der bayrische Filmemacher Achternbusch recht mit seinem "Bayern besteht aus 60 Prozent Anarchisten, und die wählen alle CSU"? Jüngstes Beispiel: ein höchstrichterlicher Beschluss kippt das Betreuungsgeld, aber die CSU will es weiter auszahlen, finanziert vom Bund, der das ja gar nicht darf. Typisch Anarchisten. Aber es sind auch Christen bzw. Christsoziale. Also, guck doch mal, liebe CSU: der Jesus, der hatte Erfolg, und warum? Weil er früh gefördert wurde! Der Jesus, der hatte – na, was?- einen Krippenplatz! Von Anfang an. Also: ein innerdeutscher Nord-Südvergleich, liebes "Berlin–Institut für Bevölkerung", täte mal not. Wäre aber vielleicht zu erschütternd. Hervor würden dann auch diese irreparablen sprachlichen Eigenheiten treten, das Jodeln, das gerollte "R", in Franken das "harde und das weiche D". Für Menschen mit Lederhoseintoleranz ist Bayern No-Go-Area - und die bayrische Wirtschaft? Keine Kohle, wenig Windenergie, so gut wie keine Krabbenfischerei und und und.
    Doch aus dem krabbenreichen Norden kommt ein Signal der Versöhnung, des Verzichts. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig fände es ok., wenn seine Partei, die SPD, auf einen eigenen Kanzlerkandidaten verzichtete. Merkel mache das doch, so Albig, ganz ausgezeichnet. Das ist peinlich? Nein! Wenn sich die Gegensätze Ost-West-Nord-Süd bald auflösen zu einem Einheitsbrei, sorry: zu einer breiten Einheit , das ist doch nicht peinlich.
    Peinliches Verhalten gibt es nur noch im Ausland. Ein 17 Sekunden-Privat – Film zeigt, Mitte der 30er, die britischen Royals beim Hitlergruß. Beinahe ehrlich entsetzt schreibt man sich darauf hierzulande das Brett vorm Kopp zu Kleinholz. Zitat "Die Royals haben sich erst gegen Hitler gestellt, als der Krieg ausbrach." In Deutschland war das ganz anders: Da gab es welche, die haben sich bereits gegen Hitler gestellt, da gab es den schon gar nicht mehr.
    Und für das nächste Mal feilen unsere deutschen Bevölkerungsforscher bitte hieran: "Die Deutschen von damals und von heute – kann man die noch voneinander unterscheiden."