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Isländisches Schwestern-Duo "Pascal Pinon"
Musikalische Herausforderung mit Happy End

Geschwister, die zusammen Musik machen, gibt es viele - und genau so oft gibt es dabei Schwierigkeiten. So auch bei den isländischen Schwestern Jofridur und Asthildur Aladottir alias Pascal Pinon. Ihr neues Album wäre wegen Unstimmigkeiten fast nicht erschienen - der Zuhörer merkt davon jedoch nichts.

Von Kerstin Poppendieck | 20.08.2016
    Die Schwestern Jofridur und Asthildur Aladottir alias "Pascal Pinon"
    Die Schwestern Jofridur und Asthildur Aladottir alias "Pascal Pinon" (Morr Music/Magnus Andersen)
    "Ich glaube, hätten wir dieses Album nicht gemacht, würden wir uns heute besser verstehen."
    Die Isländerin Jofridur Aladottir schaut traurig und nachdenklich, als sie diesen Satz sagt. Die beiden Schwestern standen sich immer sehr nah, haben sich ein Zimmer im Elternhaus geteilt und ständig Zeit miteinander verbracht. 2010 veröffentlichten sie ihr erstes gemeinsames Album als Pascal Pinon, da waren sie gerade mal 14 Jahre alt. Heute sind sie Anfang 20. Vor zwei Jahren zog Asthildur nach Amsterdam, um dort Klavier und Komposition zu studieren, und Jofridur ging mit ihrer zweiten Band Samaris auf Tour. Diese Trennung verarbeiten die beiden Schwestern in ihrem neuen Album, "Sundur". Die räumliche Trennung hatte auch zur Folge, dass sich ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten immer deutlicher zeigten.
    "Während der Aufnahmen gab es immer mehr Persönliches, worüber wir nicht reden konnten, über unsere Gefühle zum Beispiel. Ich hatte ständig schlechte Laune, weil ich mit dem Album unzufrieden war, sie hat versucht, das zu ignorieren und hat mir dauernd Versprechungen gemacht, die sie nie eingehalten hat. Eigentlich ist es verrückt, dass das Album jetzt erscheint, denn wir waren kurz davor, alles abzusagen."
    "Unsere Stimmen klingen einfach gut zusammen"
    Dass Geschwister zusammen Musik machen, ist nichts Ungewöhnliches. Bei den Jackson 5 sangen gleich fünf Brüder zusammen, bei den Kings of Leon sind es drei, Angus und Julia Stone sind Bruder und Schwester und die Band HAIM besteht aus drei Schwestern – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Meistens wirkt nach außen alles harmonisch und familienfreundlich, es sei denn, man heißt Liam und Noel und zofft sich bei Oasis ganz öffentlich und heftig. Psychologen haben herausgefunden, dass es vor allem bei Geschwistern kracht, die ähnlich alt sind und das gleiche Geschlecht haben. Trifft alles auf Asthildur und Jofridur Aladottir zu, die Zwillinge sind.
    "Unsere Stimmen klingen einfach gut zusammen. Es ist wirklich selten, dass man so jemanden findet, mit dem man so gut zusammen passt. Ich glaube, deshalb machen auch viele Geschwister zusammen Musik. Zumal es eine tolle Möglichkeit ist, Zeit miteinander zu verbringen. Aber wenn es schwierig wird, wird es gleich noch schwieriger, weil es eben die Schwester ist. Man kann nicht einfach abhauen, man sieht sich einfach ständig, weil wir eine Familie sind."
    Lange konnten sich die Schwestern nicht einigen, wie dieses Album aufgenommen werden sollte. Ob mit Produzent oder alles im Alleingang. Dann liebt Jofridur Hall und würde am liebsten ständig Hall-Effekte verwenden, Asthildur dagegen hasst Hall und findet ihn kitschig. Und so ging es ständig.
    "Es ist ein Kompromissalbum"
    So frustrierend diese Streits und Meinungsunterschiede waren, haben sie natürlich auch jede Menge Stoff für Texte geliefert. Gleich der erste Song zum Beispiel heißt: Josa und Lotta, die Spitznamen der beiden Schwestern. Zwei Herzen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, zwei Herzen zu groß für einen Raum. Es ist immer so leicht, den anderen zu beschuldigen. Aber wenn beide streiten, verlieren auch beide - heißt es im Text.
    "Das ist wie eine Einführung in das Album, wie eine Zusammenfassung dessen, was passiert ist. Wir beide hier an diesem Ort und der Versuch, sich in der Mitte zu treffen. Das war wirklich schwer. Das ist quasi die Geschichte des Albums und unsere Geschichte."
    Es ist ein Kompromissalbum, sagt Jofridur Aladottir. Das wissen die beiden Schwestern, aber als Außenstehender hört man das nicht. Dafür hört man melancholische Melodien, zurückgenommen mit Klavier und Gitarre instrumentiert, dazu emotionaler Harmoniegesang mal auf englisch mal auf isländisch. Ein Album, das den Zuhörer in die karge und raue Landschaft Islands versetzt. Im Unterschied zum neuen Album klangen die früheren tatsächlich harmonischer, melodiöser. Diesmal wirkt die Musik sensibler und verletzlicher. Für die beiden Schwestern war es die größte musikalische Herausforderung - zum Glück mit Happy End.