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Islam in den Medien
Geprägt von Stereotypen und Vorurteilen

Krisen, Krieg und Katastrophen. Diese klassischen Negativthemen dominieren seit Jahren die Berichterstattung über den Islam in deutschen Medien. Hinzu kommen viele Vorurteile und Stereotype, die das medial vermittelte Islambild oft verzerren. Aber gilt das auch für die Zeit der arabischen Revolution, die ja im Westen meist durchaus positiv gesehen wurde?

Von Bettina Köster | 18.06.2015
    Ein Kugelschreiber zeigt auf einen Text, in dem die Worte "Jihad-Salafismus" zu lesen sind.
    Die negative Berichterstattung über den Islam beherrscht die Medien. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    "Wenn wir jetzt zum Beispiel nach Syrien schauen oder Irak und wenn wir uns anschauen, was ISIS oder der sogenannte Islamische Staat dort so fabriziert und welche unmenschlichen Taten wir dort zu sehen bekommen, ist es natürlich klar, wenn man das medial abbilden will, dass man das mit drastischen Bildern oder mit einer drastischen Sprache zum Ausdruck bringt. Das dominiert den medialen Diskurs über den Islam so, dass es so ein krass verzerrtes Bild entsteht am Ende und das ist das, was viele Muslime in Europa oder speziell in Deutschland leben ziemlich nervt."
    "Der islamische Staat macht da jetzt noch mal ganz viel kaputt, was durch die arabische Revolution hätte neu entstehen können - an Verständnis auch dafür und an neuen Perspektiven."
    Der Journalist Eren Güvercin und der Medienwissenschaftler Janis Brinkmann geben den aktuellen Berichten über den Islam schlechte Noten. Sie sind zu einseitig in fast allen Medien und die negative Berichterstattung überwiegt, beobachten beide seit Jahren. Und so werde davon auch das Islambild in Deutschland weitgehend geprägt. Der 11. September 2001 - also der Anschlag auf das World Trade Center in New York durch Islamisten - gilt als ein Schlüsselereignis, durch das die Berichterstattung über den Islam noch negativer und undifferenzierter wurde. Das spiegeln auch viele Untersuchungen, die Janis Brinkmann in seiner Medienanalyse als Grundlage für seine eigenen Inhaltsanalysen herangezogen hat.
    "Man hat einen großen Focus auf Eliten in der Berichterstattung. Es gibt kaum Stimmen aus der einfachen Bevölkerung. Da geht es dann darüber, dass Feindbilder konstruiert werden auf der Mikroebene durch gewisse Aussagen. Im Text gibt es dann häufig Metaphern, wie 'die Flamme des Islam', 'das Feuer des Islam', 'die kriegerische Auseinandersetzung des Islam'. Da gibt es ganz viele Beispiele, die natürlich nur für sich stehen und erst vor dem Hintergrund der Hauptstruktur, der Makrostruktur, der wenig Positives gegenübergestellt wird. Dadurch entfaltet es seine ganze Relevanz."
    Seine eigene Untersuchung stützte Janis Brinkmann auf einen kleinen Ausschnitt der deutschen Medienlandschaft. Vier Qualitätsblätter nahm er als Grundlage: SZ, FAZ, "Der Spiegel" und "Stern". Der Medienwissenschaftler schaute erst einmal, wie zu Revolutionsbeginn von Januar bis März 2011 über die betroffenen islamischen Länder Tunesien, Ägypten und Libyen berichtet wurde. "Man sieht ganz deutlich, dass das Islambild, das vermittelte, positiver wird. Das lässt sich an quantitativen Kriterien festmachen. Es wird über alle Ereignisse positiver berichtet. Da sind wir so im 60 Prozent Bereich, wo es neutral ist, und ich sage mal acht bis neun Prozent positiv, das ist viel, wenn man vorher auf 3,3 Prozent positiv kam über einen langen Zeitraum bis zur arabischen Revolution."
    Auch inhaltlich wurde die Berichterstattung durch zusätzliche Perspektiven angereichert. "Es tauchen deutlich mehr Akteure aus der Zivilgesellschaft auf. Man hat Stimmen aus dem einfachen Volk. Studenten kommen zu Wort. Einfache Menschen auf der Straße, die ihre Sichtweise der Dinge darstellen, das ist ganz ganz deutlich. Der Islam als Religion spielt kaum eine Rolle."
    Aus der unterdrückten, kopftuchtragenden Frau, die vor der Revolution die Berichterstattung prägte, wurde in der Revolutionszeit eine agierende Frau, die auf der Straße protestierte und ihr Leben riskierte. Kritische journalistische Stimmen verwandelten sich plötzlich zu euphorischen, beobachtete Brinkmann weiter. "Man hatte den Eindruck, dass das die Leute sind, die jahrelang vielleicht gezwungen waren, negativ über diese Region zu berichten, die waren richtig froh. Man konnte diesen Geist und das ist ja dann auch der Geist, der bei Leuten in Deutschland, die diese Artikel lesen, dann deren Geist prägt, der hat richtig Hoffnung geatmet. So nach dem Motto: Da bewegt sich was. Sogar der Nahostkonflikt schien in einigen Artikeln wieder lösbar, weil diese Bewegung als etwas demokratisches und unislamisches wahrgenommen wurde. Und dann wurde alles, was man an Hoffnungen für diese Region hatte, was man vielleicht auch schon abgeschrieben hatte, drauf addiert sozusagen."
    "Einerseits hatte man das Gefühl, ja okay, da ändert sich etwas über diese Hoffnung, dass da auch mal etwas positives in dem Sinne aus der islamischen Welt kommt und die Muslime, die hier in Deutschland und Europa leben auch davon ein Stück weit profitieren können. Aber wenn wir uns jetzt die Lage in Libyen und Ägypten anschauen oder den anderen Regionen, dann sind diese Hoffnungen für den momentanen Stand der Dinge enttäuscht."
    Schon ein Jahr nach der Revolution bleibt nur noch ein Hauch von Jasmin in der Berichterstattung über den Islam, schreibt Brinkmann in seiner Untersuchung. Der Medienwissenschaftler Kai Hafez spricht sogar davon, dass eine historische Chance das Islambild zu verbessern, vertan wurde. Und die Analysen von Janis Brinkmann unterstützen diese Aussage. Ein Jahr nach der Revolution schaute er sich erneut drei Monate lang noch einmal die Berichte der FAZ, SZ, "Spiegel" und "Stern" aus den arabischen Regionen genauer an. Unruhen, Proteste und gewalttätige Auseinandersetzungen rücken den Islam dann wieder in ein negatives Gesamtbild. "Wenn eine Polizeiwache während der arabischen Revolution brennt, dann ist ganz häufig die Interpretation auch in der Nachrichtenberichterstattung, also das dient einer positiven Entwicklung, dass die Leute sich da von Gaddafi befreien. Also kein negatives Ereignis. Da brennt ein Jahr später diese Polizeiwache wieder. Da ist das in der Berichterstattung häufig Ausdruck von der Entfesselung des Volkes, die ja genauso negativ für Libyen ist wie es Gaddafi war. Also das wird nicht mehr positiv geframt."
    Dass die islamische Wirklichkeit in den Revolutionsländern durch die untersuchten Medien überhaupt erfasst werden konnte, bezweifelt der Medienwissenschaftler inzwischen. "Ich glaube, es wurde in beiden Untersuchungszeiträumen nicht das abgebildet, was wirklich war. Einmal wurde es zu positiv dargestellt. Was dann in der Islamberichterstattung nur eine Normalisierung bedeutet, also wenn vorher alles negativ war und auf einmal kommt neutrales oder positives hinzu, trifft man sich irgendwo in der Mitte. Und ein Jahr später spielt das keine Rolle mehr. Es wurde nicht mehr durch die etwas positivere Brille gesehen, sondern durch die alte negative."
    Und diese negative Brille wurde sogar noch einmal verdunkelt, meint Janis Brinkmann. Er hat den Eindruck, dass der journalistische Blick auf islamische Länder noch desillusionierter geworden ist als vor der Revolution. Und das wirkt sich wiederum auch manchmal auf eine skeptischere Haltung gegenüber muslimischen Journalisten in einigen Redaktionen aus, beobachtet Eren Güverin. "Ich bin nun mal muslimischer Journalist und ich kenne sehr viele Muslime sei es von Milli Görüs, sei es von Ditib, sei es von allen möglichen Organisationen und ich geh da auch hin und ich tausch mich mit denen auch aus, aber dann läuft man immer auch Gefahr als Milli-Görüs-Mitglied abgestempelt zu werden, obwohl ich nie irgendwo Mitglied war. Ah, Milli Görüs wird vom Verfassungsschutz beobachtet, ah, die haben Antisemiten unter sich und da ist man schon in einer Schublade, das verheerende Auswirkungen haben kann. Und da gibt es dann schon Redaktionen, die einen schon etwas meiden. Oder auf einmal jahrelang Beiträge von einem nehmen und dann von heute auf morgen gibt es da keine Kommunikation mehr."