Neues Album der Eels

Abschied von der Vergangenheit

06:13 Minuten
Die Eels während eines Konzerts auf der Bühne des Pariser Olympia
Mit "Earth To Dora" legt die US-amerikanische Band Eels ein bemerkenswertes neues Album vor. © Getty Images / Redferns / David Wolff-Patrick
Von Dirk Schneider · 04.11.2020
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"Earth To Dora" ist eines der optimistischsten Alben der US-Band Eels. Die leidvolle Lebensgeschichte von Sänger Mark Oliver Everett ist Thema, aber der Schmerz in den Songs hat nachgelassen. Es verbinden sich melodiöse Leichtigkeit und inhaltliche Tiefe.
Mark Oliver Everett ist ein mitfühlender Mensch. Den Titelsong des neuen Eels-Albums, "Earth To Dora" (Erde an Dora), hat er für eine traurige Freundin geschrieben.
"Es ist kein wirkliches Liebeslied. Es ist für eine Freundin. Ich habe das Lied geschrieben, um sie aufzuheitern."
"Liebe Dora, wach auf! Du weißt nicht, wie viel du wert bist! Wo immer du bist, wird Magie wahr." Mark Oliver Everett weiß vielleicht so gut wie kaum jemand, wie nötig man solche Worte haben kann. Unter der Gefühlskälte seines Vaters und dem distanzierten Verhältnis zu ihm, dem berühmten amerikanischen Physiker Hugh Everett, hat er stark gelitten. Everett hat sich auch schon in zwölf Alben an seinem eigenen Leid abgearbeitet.
"Earth To Dora" ist Nummer 13, und eines der optimistischsten Eels-Alben. Musikalisch knüpft es an Werke aus den 90er-Jahren an wie "Electro Shock Blues" oder "Daisies of the Galaxy", die auf den Tod seiner Mutter und den Suizid seiner Schwester folgten. Musikalisch also die guten, alten Eels?

Am Vorabend der Präsidentschaftswahl erschienen

"Da reden Sie mit dem Falschen, für mich sind wir immer die guten, alten Eels. Was immer ich mache, ich versenke mich total darin. Das ist für mich absolut entscheidend. Ich habe mich zuletzt viel mit altmodischem Singer-Songwriter-Zeug beschäftigt, mit Melodien und akustischen Instrumenten. Das war meine Welt."
Die Beatles, für Everett eine der wichtigsten Bezugsgrößen, dürften dabei gewesen sein. Es ist eine Freude zu hören, wie sich hier nach Liverpooler Vorbild melodiöse Leichtigkeit und inhaltliche Tiefe verbinden, in Songs wie "Earth To Dora", "Anything For Boo" oder "Are We Alright Again".
Ein Corona-Album ist "Earth To Dora" nicht. Nur "Are We Alright Again" wurde vor dem Hintergrund der Pandemie geschrieben, als eine Hymne der Hoffnung auf eine Zeit nach Covid-19. Auch dass "Earth To Dora" am Vorabend der US-Präsidentschaftswahl erscheint, verfolgt keinen größeren Plan:
"Nein, das Album sollte ja viel früher erscheinen. Und als wir das coronabedingt auf den 30. Oktober verschoben haben, war uns nicht klar, dass das direkt vor der Wahl ist. Aber wir dachten uns dann, die Stimmung ist so angespannt, vielleicht freuen die Leute sich, wenn sie sich am Wochenende vor der Wahl noch einmal entspannen können, Atem holen, einen Drink nehmen und ein bisschen neue Musik hören."

Vorreiter in Sachen eigener Schmerz in Popsongs

Politische Songs, hat Everett schon öfters gesagt, interessierten ihn nicht sonderlich, zumal seine Fans politisch ohnehin eher links stünden. Schön ist der Humor, der immer wieder in den Songs aufblitzt, und die Hoffnung, auch und gerade, wenn Everett sich auf seine eigene Leidensgeschichte bezieht: In "I Got Hurt" suhlt er sich noch einmal ausführlich in Selbstmitleid, um den Folgesong "OK" mit den Zeilen zu beginnen: "Ich wurde verletzt – na und? So ist die Welt nun mal."
Und irgendwann folgt noch die für Everett geradezu revolutionäre Zeile "You know the past / The past doesn’t last". Mark Oliver Everett verabschiedet sich also von der Vergangenheit. Der Schmerz in den Songs des heute 57-Jährigen hat im Vergleich zu früher zwar nachgelassen, aber die schönen Melodien, die doppelbödigen Texte sind immer noch da.
Everett hat es früh gewagt, von tiefsten Verletzungen und Unsicherheiten in Popsongs zu erzählen, inzwischen tun das viele. Das ist gut so. Der Eels-Sänger war mutiger Vorreiter, nicht zuletzt das hat ihm seine große, treue Fangemeinde eingebracht.
"Das ist dann ein schönes Nebenprodukt, wenn man feststellt, dass das auch anderen Leuten etwas gibt. Das hat etwas Magisches. Wenn so etwas möglich ist, wie kann ich dann überhaupt wirklich pessimistisch sein, trotz allem, was ich erlebt habe?"
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