Freitag, 29. März 2024

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Islamische Theologie an deutschen Hochschulen
"Der türkische Einfluss ist eklatant"

Beim Aufbau islamischer Theologie an deutschen Hochschulen hält Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter die Ditib für keinen geeigneten Partner. Sie sei zu stark ein Instrument der türkischen Regierung geworden, sagte sie im Dlf und plädierte dafür, die Zusammenarbeit aufzukündigen.

Susanne Schröter im Gespräch mit Regina Brinkmann | 16.05.2018
    Islam-Expertin Susanne Schröter zu Gast in der ARD Talkshow Maischberger am 16.11.2016 in Köln mit dem Thema Die Publikumsdebatte: Angst vor dem Islam
    "Ditib ist so stark ein Instrument der türkischen Regierung geworden, dass man nicht mehr guten Gewissens sagen kann, da haben wir einen religiösen Partner mit im Boot", sagte Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter im Dlf (imago stock&people)
    Regina Brinkmann: Erdogans Macht ist nicht allein auf die Türkei beschränkt. So gilt der größte Islamverband Ditib hierzulande als ausführendes Organ seiner Regierung. Kritiker werfen dem Verband vor, von der Religionsbehörde in Ankara gesteuert zu sein. Außerdem sorgten Imame der Ditib für Schlagzeilen, weil sie ihre Landsleute in Deutschland ausspionierten. Trotz dieses schlechten Leumunds ist die Ditib in allerlei Gremien vertreten und sichert sich an einigen Stellen ein Mitspracherecht, zum Beispiel beim Islamunterricht oder bei der Lehre der islamischen Theologie an deutschen Hochschulen. Wie weit dieser Einfluss reicht, kann die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter von der Universität Frankfurt beschreiben. Frau Schröter, wie viel Einfluss übt die türkische Regierung derzeit über den Islamverband Ditib an deutschen Hochschulen aus?
    Susanne Schröter: Der türkische Einfluss ist eklatant, weil die türkischen Verbände die größten sind - das hat historische Gründe, könnte sich vielleicht in der Zukunft ändern, wenn wir mehr arabische Muslime in Deutschland haben, aber im Moment ist es noch so. Und der türkische Staatsislam, der lange Zeit als moderat galt - keiner hat irgendwas dagegen gehabt, dass man mit diesen Leuten auf unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeitet -, aber dieser türkische Staatsislam ist jetzt unter Erdogan in eine sehr bedenkliche Richtung gegangen, eine islamistische, nationalistische Richtung, eine sehr intolerante Richtung, und das wird hier durchexerziert, und Erdogan hat den Anspruch, dass er hier Politik macht und dass er sich hier aller möglichen Instrumente bedient und dabei unter anderem auch der Ditib, aber auch der Milli Görus. Erdogan ist ja ein Milli-Görus-Mann, mehr noch als ein Ditib-Mann, und das heißt, da haben wir jetzt nicht nur konservative Verbandsvertreter im Boot, die nur einen Bruchteil der Muslime vertreten, sondern wir haben auch eine ausländische Regierung mit im Boot, und da muss man, glaube ich, ultimativ Stopp sagen.
    "Entpuppt sich eher als politischer denn religiöser Akteur"
    Brinkmann: Wie kann man diesen Einfluss denn dann stoppen aus Ihrer Sicht?
    Schröter Man kann den Einfluss stoppen, indem man die Zusammenarbeit mit Ditib aufkündigt. Und das ist im Moment durchaus möglich, weil sich Ditib eher als politischer Akteur denn als religiöser Akteur entpuppt. Und wenn man einen religiösen Verband in die Kooperation einbinden möchte, beispielsweise in Beiräte mit berufen möchte, dann passt Ditib unter Umständen gar nicht mehr, weil Ditib so stark in die türkische Politik verwoben ist, so stark ein Instrument der türkischen Regierung geworden ist, dass man nicht mehr guten Gewissens sagen kann, da haben wir einen religiösen Partner mit im Boot.
    Brinkmann: An der Humboldt-Uni in Berlin soll ja nun zum Wintersemester 2019 die islamische Theologie starten. Das war eine schwere Geburt, auch weil sich von den fünf Islamverbänden, die im Beirat mitwirken sollten, zwei ausklinken, darunter die Ditib. Ist das eine gute Nachricht jetzt, wenn dieser Verband nicht dabei ist?
    Schröter Ja, im Prinzip ist es eine gute Nachricht und die Ditib klinkt sich ja auch deshalb aus, A, weil sie nicht so viel Mitspracherecht hat, wie sie gerne hätte, und B, weil ihr die Klausel nicht passt, dass der Beirat evaluiert wird und dass man sich auch von dem einen oder anderen wieder trennen kann, wenn das irgendwie nicht funktioniert, und das war für die Ditib jetzt nicht akzeptabel. Also von daher hat man ein Problem weniger.
    "Die Hochschulen gehen sehr viele Kompromisse ein"
    Brinkmann: Dennoch gibt es natürlich auch noch deutsche Hochschulen, wo die Ditib Einfluss hat. Gehen da Hochschulen vielleicht auch zu viele Kompromisse ein, um die islamische Theologie hier voranzutreiben?
    Schröter Ja, ich finde, die Hochschulen gehen sehr viele Kompromisse ein zum Teil, weil sie dachten oder weil die Hochschulleitungen dachten, es geht nicht anders, man muss einen religiösen Partner mit ins Boot nehmen, wir brauchen dieses Beiratsmodell nach dem Vorbild der evangelischen und katholischen Theologien, wo das eben auch so läuft, aber man hat sich eigentlich nicht wirklich überlegt, was das bedeutet in allerletzte Konsequenz hinein. Und es bedeutet auf der einen Seite, dass wir da konservative bis fundamentalistische Akteure mit in diesen Beiräten haben an staatlichen Hochschulen, die in der Vergangenheit schon gezeigt haben, dass ihr Interesse darin besteht, liberale und progressive Berufungen zu verhindern.
    Wir haben das zweite Problem, dass diese Verbandsvertreter nur einen Bruchteil aller in Deutschland lebenden Muslime vertreten, weil anders als bei den christlichen Kirchen, wo die Mehrheit ja einen Mitgliedsstatus hat, ist das eben im Islam nicht so. Die Mehrheit aller Muslime sind nicht organisiert. Und das Dritte ist eben tatsächlich im Falle der türkischen Verbände, dass wir da jetzt auch die türkische Regierung mit im Boot haben, und das letzte konnte man vor einigen Jahren noch nicht übersehen, weil zu dem Zeitpunkt, als die Theologien eingerichtet wurden, die türkische Regierung noch nicht diese Absicht hatte, massiv hineinzuregieren, aber Erdogan hat das jetzt und nutzt auch Ditib und nutzt die türkeistämmigen Organisationen in Deutschland, um hier in Deutschland Politik zu machen und auch eben bis in die Hochschulen hinein.
    "Eine demokratische islamische Theologie entwickeln"
    Brinkmann: Aber Ihre Hochschule, die Universität Frankfurt, konnte sich dagegen erfolgreich wehren beziehungsweise Sie haben gar keine Beiräte eingeführt. Wie das?
    Schröter Ja, in Frankfurt hat man sich gegen das Beiratsmodell entschieden, auch weil man eben die schlechten Erfahrungen an anderen Universitäten vor Augen hatte, und das geht offensichtlich. Also da gab es jetzt auch keinen Einspruch aus rechtswissenschaftlicher Seite. Ich würde immer raten, dass man sich nicht so sehr orientiert an einem Modell, das sowieso nicht passt, sondern dass man versucht, gute Verfahren zu finden, in denen man das, was man eigentlich möchte, nämlich eine demokratische und zum Grundgesetz passende islamische Theologie hier an deutschen Hochschulen zu entwickeln, dass das auch wirklich gelingt, und zwar ohne ständiges Störfeuer von außen.
    Brinkmann: Sagt Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Universität Frankfurt. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schröter!
    Schröter: Bitte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.