Freitag, 29. März 2024

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Islamunterricht an deutschen Schulen

DLR: Kultusminister Bernd Busemann verkündete, dass Niedersachsen als erstes Bundesland flächendeckend Islamunterricht an Schulen anbieten will. Welche Chancen liegen in so einem Angebot? Dazu jetzt Rabeya Müller, sie ist Pädagogin und Islamwissenschaftlerin und leitet das Institut für Internationale Pädagogik und Didaktik in Köln. Hallo Frau Müller.

19.11.2004
    Müller: Ja, hallo.

    DLR: Ist es grundsätzlich besser, den Islamunterricht an den Schulen anzubieten als ihn den Koranschulen zu überlassen?

    Müller: Ich denke ja, denn dass wir einen islamischen Religionsunterricht brauchen, ist nicht nur eine Frage, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes durch Artikel 7.3 bereits mit Ja beantwortet haben, sondern es ist auch eine Frage der gerechten Integration, würde ich einmal sagen. Denn ob der Islam hier ist oder nicht, die Frage ist müßig: Er ist da. Eine demokratische Gesellschaft wird ja schließlich nicht den Ausschluss einer Weltreligion aus ihrem Staatenverband propagieren. Es ist natürlich so, dass man die Integrationsleistung der Muslime einfordern muss, wie von allen andern, aber dass natürlich auch ein Wille zur Integrationsaufnahme da sein muss und das zu signalisieren, dazu gehört meiner Meinung nach auch das Etablieren eines islamischen Religionsunterrichts in der Schule.

    DLR: Wie müsste denn dann so ein Islamunterricht aussehen? Welche Standards würden Sie da für wichtig halten?

    Müller: Erstmal denke ich, dass er Transparenz haben muss, dass er natürlich in deutscher Sprache zu erfolgen hat in der Schule. Das sind ganz klar die Bildungsstandards, die bei uns vorgegeben sind. Dass es wichtig ist, dass Moscheedidaktik und Schuldidaktik nicht miteinander vermischt werden.

    DLR: Was heißt das?

    Müller: Das heißt, dass ein Unterricht in der Schule nicht darauf abzielen kann, Kindern bloße Katechese beizubringen, das heißt nicht bloßes Auswendiglernen, nicht unreflektiertes Reproduzieren, also ich lerne das auswendig und gebe es wieder, ohne dass ich darüber nachgedacht habe. Außerdem muss so ein Unterricht ja auch etwas mit dem alltäglichen Leben der Kinder zu tun haben. Religion muss lebbar sein, sonst bleibt sie eine leere Hülse.

    DLR: Wer sollte denn solchen Islamunterricht geben? Welche Qualifikation sollten die Lehrerinnen und Lehrer da haben?

    Müller: Ich würde darauf plädieren, da eine Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zu standardisieren an einer deutschen Hochschule. Dazu braucht man oder brauchen wir natürlich entsprechende Curricula, die auch Lehrkräfte ausbilden lassen. Wir haben ein gutes Beispiel in der Schweiz und da hat zum Beispiel eine gute Ausbildung samt einem guten Plan, einen guten Integrationsbeitrag in der Schweizer Gesellschaft geleistet. Ich denke, das wäre eine gute Möglichkeit, bei uns das auch so durchzuziehen.

    DLR: Aber dann ist es natürlich schwierig, wenn man erst noch mal so eine Ausbildung an der Hochschule haben muss, jetzt direkt schon den Islamunterricht einzuführen. Da muss man ja auf andere Leute zurückgreifen?

    Müller: Richtig und ich denke für diese Übergangszeit sollten wir auch staatlicherseits natürlich ein waches Auge darauf haben, was da in unseren Schulen gelehrt wird. Ich denke, es reicht definitiv nicht aus, einen guten Lehrplan und eventuell auch gute Materialien vorzuweisen. Es ist wichtig, dass die Gemeinschaften, die diesen Unterricht verantworten, das, was sie darin stehen haben, auch umsetzen. Das heißt es steht und fällt eigentlich mit den Lehrkräften, die diesen Unterricht erteilen.

    DLR: Könnte denn so etwas auch eine Signalwirkung in eine andere Richtung haben, wenn man jetzt flächendeckend Islamunterricht einführt so wie jetzt zum Beispiel in Niedersachsen, dass zum Beispiel Islamisten sagen, hey, jetzt haben wir uns da durchgesetzt, jetzt kommen wir an die Schulen?

    Müller: Ich hoffe nicht, dass das eigentlich möglich ist. Denn normalerweise ist das so, wenn der Islamunterricht aus der Anonymität herauskommt und in ein öffentliches Licht gerückt wird, dann signalisiert er erstens Mal für die muslimischen Kinder, dass ihre Religion hier anerkannt und auch beheimatet ist, das heißt die Hetze, die eventuell gegen eine demokratische Mehrheitsgesellschaft als Feindbild propagiert werden könnte, fällt in dem Fall weg. Andererseits ist es natürlich so, wie gesagt, dass wir sehr wohl darauf aufpassen müssen, was in unseren Schulen gelehrt wird, das heißt wir können diesen Unterricht nicht jedem und jeder X-Beliebigen überlassen. Von daher denke ich, lässt sich ein Extremismus in die Schranken weisen, dann wenn er im Rampenlicht steht und tatsächlich begutachtet wird und eigentlich auch sich einer Kritik aussetzen muss.

    DLR: Also, Niedersachsen schon ein Vorbild, auch für die anderen Bundesländer?

    Müller: Je nach dem wie der Unterricht läuft, würde ich das für sehr positiv halten.