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Islamzentrum Münster
Ein Akt der Anerkennung

Bundespräsident Joachim Gauck hat das Zentrum für Islamische Theologie in Münster besucht, an dem künftige muslimische Religionslehrer ausgebildet werden. Dem Leiter wird von muslimischen Verbänden jedoch ein zu liberales Islam-Verständnis vorgeworfen.

28.11.2013
    Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch mit Zentrumsleiter Mouhanad Khorchide
    Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch mit Zentrumsleiter Mouhanad Khorchide (dpa / picture-alliance / Caroline Seidel)
    Bundespräsident Joachim Gauck hat die Verankerung der islamischen Theologie an deutschen Hochschulen als ein wichtiges Kapitel der Gegenwartsgeschichte bezeichnet. "Nun wird der Islam auch an unseren Universitäten eine akademische Disziplin unter anderen", sagte Gauck bei einem Besuch des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) an der Uni Münster. Das sei ein wechselseitiger Akt der Anerkennung.
    "Wir geben der Religion Raum, so wie es echte Religionsfreiheit erfordert", sagte das Staatsoberhaupt laut Redetext. "Unsere Gesellschaft gewinnt dadurch mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit muslimischer Glaubenspraxis." Gauck zeigte sich zugleich überzeugt, dass sich "diese größere Selbstverständlichkeit" positiv "auf das Miteinander in unserem Land" auswirke.
    Liberale Auslegung des Islams bei Verband umstritten
    Rund um das ZIT besteht derzeit ein Konflikt zwischen dessen Leiter, dem Theologen Mouhanad Khorchide, und dem Koordinationsrat der Muslime (KRM). Die Dachorganisation von vier islamischen Verbänden wirft Khorchide eine zu liberale Auslegung des Islams vor. Er argumentiere nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion, sondern wie ein Orientalist.
    Darüber hinaus hat sich der aus acht Mitgliedern bestehende Beirat, der über die Professoren und Lehrinhalte bestimmen soll, noch nicht konstituiert. Zwei nacheinander vom Koordinationsrat vorgeschlagene Kandidaten stießen wegen des Vorwurfs mangelnder Verfassungstreue auf Ablehnung. Das Zentrum an der Uni Münster bildet Islam-Wissenschaftler aus sowie angehende Lehrer, die in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren bekenntnisorientierten Islam-Unterricht geben sollen.
    "Befinden uns in einer Experimentierphase"
    Auf den seit Monaten ausgetragenen Streit ging Gauck nur indirekt ein. Der Bundespräsident sprach von Konflikten und vielen offenen Fragen. "Islamische Theologie ist ein noch junges Fach an deutschen Universitäten. Wir alle befinden uns in einer Experimentierphase. Und bei Experimenten - jeder weiß es - ist nicht alles gleich gelungen", sagte Gauck.
    Das Staatsoberhaupt verwies darauf, dass in der Bundesrepublik vier Millionen Muslime leben. Davon seien die Hälfte deutsche Staatsbürger. "Der Islam entfaltet sich in Deutschland längst nicht mehr allein in der sprichwörtlichen Moschee im Hinterhof, sondern auch in immer mehr schönen innerstädtischen Moscheen", sagte der Bundespräsident.
    "Zumutungen" für beide Seiten
    Laut Gauck kennt der Islam nicht "die eine religiöse Autorität". Verschiedene Sichtweisen existierten nebeneinander. Es sei gut, wenn die islamische Theologie an den Universitäten die pluralistische Tradition des Islam in wissenschaftlicher Freiheit ohne politischen oder fundamentalistischen Druck weiter entwickeln könne. Weiter betonte das Staatsoberhaupt, dass sich die Gesellschaft wandle, weil ihr immer mehr Muslime angehörten. Der Islam seinerseits entwickle sich im Kontakt mit der Gesellschaft. "Das birgt Zumutungen für beide Seiten - das gehört dazu."