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Island
Wal-Beobachtung in der Kritik

Die Hafenstadt Husavik im Norden Islands gilt als "europäische Wal-Hauptstadt". Der Grund: In die vorgelagerten Bucht kommen viele Walarten zum Fressen. Deshalb floriert hier auch das Whale-Watching, wofür jährlich Tausende Touristen in die Kleinstadt strömen. Mit Konsequenzen für die Wale.

Von Simon Berninger | 19.12.2017
    Wahlbeobachtungsboot vor der isländischen Stadt Husavik
    Wahlbeobachtungsboot vor der isländischen Stadt Husavik (imago stock&people / Frauke Scholz)
    Sogar Blauwale, die größten Meeressäuger der Erde, kommen allwinterlich zum Fressen in die Bucht vor Husavik. Kein Wunder, dass vier Whale-Watching-Betreiber das Hafenpanorama dominieren, mit bunten Flaggen und Fotos von springenden Buckelwalen, die knapp vor den Whale-Watching-Booten aus dem Wasser schießen. So sah es im Husaviker Hafen nicht immer aus. Daran erinnert das städtische Wal-Museum von Huld Hafliðadóttir. Die Museumsleiterin hat verfolgt, wie ihre Heimatstadt zur selbst ernannten Wal-Hauptstadt wurde.
    "In the 90s Iceland stopped using oak boats. They had other materials like plastic and steel. And a lot of people in Husavik thought: It’s really said this legacy to be burnt. So why not go whale watching? And twenty years later it’s the whale capital of Europe."
    Inzwischen werfe der längst motorisierte Hype um die Wale aber vermehrt kritische Fragen auf. Hafliðadóttirs Wunsch an die Whale-Watching-Anbieter:
    "That the companies keep on in harmony with the whales and keep in show responsibility towards the animals."
    Einer der Anbieter heißt Gentle Giants. Dessen offene Schnellboote sollen am dichtesten an die Wale heranfahren. Eingepackt in dicken Anzügen gegen den Fahrtwind sticht das Boot für rund 150 Euro pro Passagier in See.
    40 Minuten später hält das Boot vor zwei Buckelwalen. Das perfekte Naturerlebnis, zum Greifen nah – wären drum herum nur nicht die vielen anderen Boote und der Motorlärm. Die Deutsche Sarah Arndt leitet die Gentle-Giants-Tour. Ihr zufolge störe der Tumult die Wale nicht automatisch.
    "Klar, es ist ein Einfluss auf ihre Lebenswelt. Aber es ist selten, dass sie ihr Verhalten ändern aufgrund der Boote. Und das Geräusch über dem Wasser ist anders als das Geräusch unter dem Wasser. Und wenn sie in der Futtersuche so sehr beeinträchtigt würden, wären sie schnell weg."
    Wal-Spektakel in der Kritik
    Kaum gesagt, zeigen die zwei Wale ihre Schwanzflosse: ein Zeichen dafür, dass sie abtauchen und das Weite suchen. Die Touristen an Bord sind aber zufrieden, der Kapitän auch. Nach drei Stunden fährt er mit schaukelndem Karacho und aufgedrehter Musik eine Abschluss-Runde durch die Bucht, wie zur Feier seines erfolgreichen Turns. Ein solches Wal-Spektakel steht im Husaviker Forschungszentrum der Universität Island in der Kritik, allen voran bei der Meeresbiologin Helen Rasmussen. Sie hält Guide Sarah Arndt entgegen:
    "If you put a hydrophone in the water, you hear boats 10, 20 kilometres away. And it’s masking their communication. Like if you go to a big party, there’s a lot of noise, then we have to talk louder. And the whales have to do the same. And it’s a trade-off for the whale: If the food is here and 15 kilometres away it’s silent but no food – so: choose the food or swim away?"
    Das heißt aber nicht, dass die Marinebiologin Whale Watching per se ablehnt.
    "But it would be better if there were not so many boats around one whale. And now we usually just have the night where there’re no boats and it’s quiet. That’s why Icewhale came up with a Code of Conduct. But in reality the boats are not following these guidelines."
    Maria Gunnarsdottir, Koordinatorin des Whale-Watching-Verbands Icewhale, hat den Verhaltenskodex mitentworfen. Sie erklärt, worauf sich dabei alle Anbieter, die dem Dachverband mit Sitz in Reykjavik angehören, verständigt haben.
    "Basically how to approach the whales, the speed and how close you can get. We have a 50-metre-caution-zone, where the whales should be in control. So we don’t forbid getting close, but we expect it to be done on the whale’s terms."
    Lieber ein Gesetz als nur ein Verhaltenskodex
    Damit bleibt der Verhaltenskodex also Interpretationssache – und freiwillig. Verstöße der Anbieter führt Gunnarsdottir auch auf ein teils irreführendes Marketing zurück.
    "Because you always see these beautiful photos, putting up expectations because the guests look at the images. So definitely there are some who just want to get close to get their photo. But if the Code of Conduct was made into a law, we would need to be out there checking. And proving is very difficult in this incidence. And what kind of punishment? So I think the government should step in and set boundaries. But until then, the Code of Conduct is the only thing we have."