Donnerstag, 28. März 2024

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Israel-Besuch Sigmar Gabriels
Innehalten und Verstimmung

Es waren Momente des Gedenkens: in einem Benediktiner-Kloster in Jerusalem, am Grab Oskar Schindlers und in der Gedenkstätte Yad Vashem. Außenminister Sigmar Gabriel erinnerte bei seiner Reise an die deutsche Verantwortung gegenüber Israel. Das bedeute aber keineswegs blinde Zustimmung zur aktuellen Politik - und Ärger folgte auf dem Fuße.

Von Klaus Remme | 25.04.2017
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (r, SPD) besucht am 24.04.2017 die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in Israel und legt dort zusammen mit dem deutschen Botschafter Clemens von Goetze einen Kranz nieder.
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel gedenkt in Yad Vashem in Jerusalem der Holocaust-Opfer. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Die Glocken der Dormitio Abtei, vor den Toren der Altstadt von Jerusalem. Sigmar Gabriel besucht die Benediktiner, die dieses Kloster vor über 100 Jahren übernommen haben. Es liegt auf der Spitze des Zionsberges und wer mit Pater Elias in Richtung Rotunde steigt und ihm zuhört, wie dieser den 360 Grad Blick erläutert, der taucht schnell ein in Religion und Geschichte:
    "Rechts ist russische Himmelfahrtskirche, in der Mitte ist Auguste Viktoria und das ist auch eine Himmelfahrtskirche, weil ja auch nicht klar war, wo ist auf dem Ölberg irgendwo Christus in den Himmel aufgefahren."
    Frage: "Und dann ist doch hier auch irgendwo der Platz des letzten Abendmahls?"
    Antwort: "Das ist hier um die Ecke rum."
    Besuch am Grab Oskar Schindlers
    Der alljährliche Holocaust-Gedenktag neigt sich schon dem Ende zu, da wird Gabriel von den Benediktinern ein paar Fußminuten entfernt zum katholischen Friedhof geführt, wo Oskar Schindler letzte Ruhe gefunden hat. Pater Jonas sagt, es ist eine Pilgerstätte geworden:
    "Jetzt liegen da ganz wenig Steine, wahrscheinlich weil man sie weggeräumt hat, damit man die Aufschrift sieht, normalerweise ist der Stein voll mit Steinen übersät (Gehen wir mal gerade kurz hin? Ja, sie sehen dort die Steine, "der unvergessliche Lebensretter 1200 verfolgter Juden."
    Der deutsche Außenminister legt Blumen nieder und auch, der jüdischen Tradition folgend, einen Stein aufs Grab. Als Sohn eines Auschwitz-Leugners, als Vater einer Tochter mit Auschwitz-Opfern auf mütterlicher Seite, weiß er, Schindler, das war die rühmliche Ausnahme. Noch auf dem Friedhof sagt er:
    "Manchmal wundern sich die Menschen, warum tretet ihr so sehr für den israelischen Staat ein, obwohl die doch mit den Palästinensern in einem Dauerkonflikt liegen, der unfair ist, warum liefert ihr denen Waffen, warum unterstützt ihr die? Und der Grund, der ist an einem solchen heutigen Tag absolut klar, es ist die Generation unserer Väter und Großväter gewesen, die in einem Land gelebt haben, die sechs Millionen europäischer Juden umgebracht haben.
    Gabriel kommt da direkt von der Gedenkstätte Yad Vashem. Es ist der erste Programmpunkt, gleich nach der Landung in Israel. Die Kranzniederlegung, das Entzünden der Ewigen Flamme in der Halle der Erinnerung, Rituale, Sigmar Gabriel kennt das alles, dann der Gang durch die Gedenkstätte für die ermordeten Kinder:
    "Wie immer etwas ganz Bewegendes, vor allen Dingen, bei mir ist das immer so, wenn ich das Kinderhaus, bei dem die Namen und das Alter der ermordeten Kinder vorgetragen werden, das ist für mich immer etwas besonders Bewegendes, auch wenn ich schon ganz oft da gewesen bin."
    Blick auf das Gute im Menschen
    Ins Gästebuch der Gedenkstätte schreibt Gabriel dann: "Nirgendwo sieht man so überdeutlich, zu wie viel Bösem Menschen fähig sind. Unsere Aufgabe ist es nun zu zeigen, zu wie viel Gutem wir als Menschen auch in der Lage sind, wenn wir uns jeden Tage daran erinnern, dass wir Menschen sind". Der deutsche Schriftsteller Rafael Seligman ist Teil der Kulturdelegation auf dieser Reise. Auch er will nicht nur zurück sondern nach vorn schauen:
    "Die Juden sind eine Art Seismograf. Wenn man etwas gegen Fremde hat, wenn man etwas gegen Moslems hat, dann hat man meistens auch was gegen Juden. Da sollte man aufpassen, nicht so sehr wegen 100.000 Juden in Deutschland, sondern um zu sehen, wie man mit den Menschen umgeht, wie man mit Minderheiten umgeht."
    Ärger wegen Treffen mit Nichtregierungsorganisationen
    Heute nun stehen die politischen Gespräche an. In Jerusalem und in Ramallah mit den Palästinensern. Deutsche Verantwortung für Israel bedeutet keinesfalls blinde Zustimmung zur aktuellen Politik, das sagt Gabriel deutlich. Und Ärger könnte es schnell geben, nach israelischen Medienberichten hat Ministerpräsident Netanjahu Gabriel ultimativ aufgefordert, zwei geplante Termine mit Nichtregierungsorganisationen abzusagen. Anderenfalls werde er sich nicht, wie vorgesehen, mit dem deutschen Gast treffen. Berlin beharrt darüber hinaus auf der Zwei-Staaten-Lösung und kritisiert den israelischen Siedlungsbau deutlich, auch das sorgt für Verstimmung. Der von Gabriel noch vorgestern in Amman geforderte Neuanlauf im Nahost-Friedensprozess ist jedefall weit und breit nicht in Sicht.