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Israel
Der "Netanjahu-Zirkus" beginnt die vierte Amtszeit

Benjamin Netanjahu bleibt Ministerpräsident Israels. Die Knesset bestätigte den Vorsitzenden des konservativen Likud-Blocks mit knapper Mehrheit im Amt. Bei der Antrittsrede kam es zu tumultartigen Zuständen im Parlament.

Von Christian Wagner | 15.05.2015
    Benjamin Netanjahu vor der Vereidigung seiner Regierung in der Knesset
    Benjamin Netanjahu nach seinem Wahlsieg. (afp / Jim Hollander)
    Benjamin Netanjahu ließ nicht nur das gesamte Parlament zwei Stunden warten, sondern auch den Staatspräsidenten. Der kam abends um sieben zunächst umsonst in die Knesset. Israels Regierungschef brauchte dann noch einmal zwei Stunden, um seine Kabinettsliste endlich fertigzustellen. Erst nach neun trat Netanjahu ans Rednerpult der Knesset: "Wir werden heute Abend - mit Gottes Hilfe - eine Regierung bilden. Wir werden die Sicherheit wahren, uns um Frieden bemühen."
    Wütende bis hämische Zwischenrufe
    Und gleich zu Beginn wurde der alte und neue israelische Regierungschef von wütenden bis hämischen Zwischenrufen unterbrochen: "Was denn für ein Frieden?", schleuderten ihm die Abgeordneten der Opposition entgegen. Mehrere Abgeordnete der arabischen Minderheit wurden des Saals verwiesen.
    Und unter lautem Tumult fuhr Netanjahu fort, er wolle die Kluft zwischen Arm und Reich verringern, zum Wohl der Bürger Israels arbeiten.
    Eine hauchdünne Mehrheit
    Tatsächlich hat Netanjahu weder eine klare Agenda für seine vierte Amtszeit noch viel Spielraum. Denn die Koalition seines Likud-Blocks mit vier weiteren Parteien verfügt nur über eine hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten.
    Vor allem die Ansprüche aus der eigenen Fraktion haben Netanjahu wohl bis zuletzt Kopfzerbrechen bereitet. Silvan Shalom etwa wurde erst in letzter Minute zum Innenminister und Netanjahus erstem Stellvertreter. Gilad Erdan, der ebenfalls einen einflussreichen Posten verlangt hatte, geht vorerst leer aus.
    Als Netanjahu sein Kabinett vorstellte, forderte er Oppositionsführer Jitzchak Herzog noch einmal auf, in seine Regierung einzutreten. Der lehnte in seiner Antwort entschieden ab und beklagte: "Das ist nicht die Regierung, die das Volk wollte. Das ist nicht mal die Regierung, die das halbe Volk wollte. Herr Ministerpräsident, sie haben keine Regierung gebildet. Sie haben einen Zirkus geschaffen, den Netanjahu-Zirkus. Eine Regierung nach dem Motto: 'Nimm dir, was du kriegen kannst', und eine Regierung 'auf den allerletzten Drücker'."
    Herzog fragte außerdem, wie es Netanjahu in Zukunft wagen könne, nach solchen Koalitionsverhandlungen anderen noch Ratschläge für die Atom-Verhandlungen mit dem Iran zu geben.
    Sollte sich Herzog, der Vorsitzende der Arbeitspartei, aber doch noch entscheiden, Netanjahus Regierung beizutreten – er könnte umgehend Außenminister werden. Diesen Posten hält Netanjahu frei, fungiert vorerst selbst als Chef des Ministeriums. Keine Überraschung: Verteidigungsminister Ya'alon bleibt im Amt. Andere Besetzungen sind äußerst umstritten, wie etwa Ayelet Shaked als Justizministerin. Die Abgeordnete der rechts-nationalistischen Partei Bayit Yehudi steht für feindselige Äußerungen zu Palästinensern, Minderheiten und Flüchtlingen und will den Einfluss des Obersten Gerichtshofs beschneiden. Parteichef Naftali Bennett, bisher Wirtschaftsminister, übernimmt das Bildungsministerium. Die ultra-orthodoxe Schas-Partei stellt Wirtschafts- und Religionsminister.
    Nur der Finanzminister weckt Hoffnung
    Die Hoffnungen vieler Israelis ruhen jetzt auf Moshe Kahlon, der mit sozial- und Wirtschaftsthemen Wahlkampf gemacht hat. Der Chef der Likud-Abspaltung Kulanu ist neuer Finanzminister und verspricht, das Leben in Israel werde bald billiger. Ein Dialog mit den Palästinensern aber ist von diesem vierten Kabinett Netanjahu noch weniger zu erwarten als vom vorangegangenen.
    Die Vereidigung des neuen israelischen Kabinetts zog sich bis Mitternacht. Ein wenig würdevoller Regierungsantritt, da waren sich die Kommentatoren im israelischen Fernsehen einig. Diese Regierung, sagte einer, beginne mit einem schalen Beigeschmack.