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Israel
Künstler wünschen sich Atomvertrag mit dem Iran

Die Atomeinigung mit dem Iran hat im offiziellen Israel Abwehr ausgelöst. Kulturschaffende sehen das hingegen oft ganz anders. Sie wünschen sich eine Lösung des Konflikts. Für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sind diese Meinungen allerdings nicht gefährlich.

Von Christian Gampert | 13.12.2013
    Als Anfang Dezember der israelische Komiker Yosef "Sefi" Rivlin starb, gab es eine große Trauerfeier in der Habima, dem Nationaltheater, wo Rivlin unter anderem gespielt hatte. Kulturministerin Limor Livnat lobte Rivlins komödiantisches Talent, ließ aber auch durchblicken, dass sie die Mehrheit der normalerweise links orientierten Künstler und Intellektuellen im Prinzip für vaterlandslose Gesellen hält.
    Nun muss man wissen, dass Sefi Rivlin ein begnadeter Schauspieler und Fernsehentertainer, aber auch ein Aktivist der rechten Likud-Partei war, der sowohl Premierminister Netanjahu wie auch die Kulturministerin angehören. Die Künstler sahen dem Kollegen Rivlin seine politischen Extravaganzen stets nach, er war einfach ein großartiger Mime. Aber seine Haltung war die große Ausnahme: Israelische Künstler und Intellektuelle sind mit ihrer Regierung normalerweise über Kreuz. Sie fühlen sich wenig ernst genommen. Und die freie Szene ist chronisch unterfinanziert. Viele gehen ins Ausland, und nicht nur die Künstler: Rund 15.000 Israelis sollen derzeit allein in Berlin leben.
    Und die daheimgebliebenen Intellektuellen sehen die Dinge aus völlig anderer Perspektive als die Regierung. Nach all den gescheiterten Verständigungsversuchen mit den Palästinensern ist ihnen alles recht, was neue Gespräche in Gang bringen könnte. Auch die neue diplomatische Offensive der USA in Nahost, auch der fragile Atom-Vertrag mit dem Iran, den Netanjahu ablehnt. Alles sei besser als Krieg, so der Tenor. Der Schauspieler und Regisseur Nimrod Freed:
    "Ich denke, der Vertrag mit dem Iran ist gut. Es ist besser, alles zu versuchen, bevor etwas Schreckliches geschieht. Und das kann ja wirklich passieren."
    Und er fügt hinzu, Israel möge sich auch vor der eigenen Haustür um Frieden bemühen.
    "Natürlich wollen wir nicht, dass der Iran die Bombe bekommt. Aber keinen Frieden mit den Palästinensern zu haben, ist noch schlimmer als die Möglichkeit, dass der Iran die Bombe baut."
    Auch der Choreograf Rami Beter sieht das Iran-Problem als Teil des gesamten Nahostkonflikts.
    "Die USA müssen eine Lösung bringen, die natürlich auch das Iran-Problem löst. Es muss eine Gesamtstrategie geben, die alle Elemente des Nahost-Konflikts berücksichtigt, Iran, Palästinenser, arabische Staaten."
    Die Journalistin und Theaterintendantin Gaby Aldor ist eine der bekanntesten Tanz-Kritikerinnen Israels – und misstraut der eigenen Regierung.
    "Die israelische Regierung ist gegen alles, was Frieden bringt. Das ist ihre Lebensberechtigung. Was wollen sie mit Frieden und Ruhe, wenn sie uns auch zu Tode erschrecken können? Das ist eine gute Art, zu regieren. Furcht kann man immer leicht erzeugen."
    Zum Konflikt mit dem Iran sagt sie:
    "Es ist ein Spiel, und Netanjahu spielt gerne. Come on, der Iran hat doch was Besseres zu tun, als Israel zu zerstören. Wir sind so ein kleines Land – bei einem Atomschlag würde die halbe arabische Welt draufgehen. Es tut mir leid, aber das ist doch surreal. Mir kommt das alles lächerlich vor."
    Auch der Filmemacher Nini Moshe hält die Atomvereinbarungen mit dem Iran für eine Chance. Aber er hält den gesamten Nahostkonflikt letztlich für nicht lösbar.
    "I think that it's kind of an impossible mission. I really would love to think that things will change, but I don't know if it's possible."
    Für Benjamin Netanjahu sind die Meinungen der Intellektuellen letztlich nicht gefährlich: Er liegt in den Umfragen weiter weit vorn.