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Israel
Palästinensische Minderjährige vor Militärgericht

Die 17-jährige Palästinenserin Ahed Tamimi hat einen israelischen Soldaten vor laufender Kamera geschlagen. Seit ihrer Festnahme sitzt sie in einem israelischen Militärgefängnis ein - genauso wie 350 weitere palästinensische Minderjährige. Eine israelische Menschenrechtsorganisation erhebt schwere Vorwürfe gegen dieses Vorgehen.

Von Benjamin Hammer | 21.03.2018
    Die 17-jährige Palästinenserin Ahed Tamimi.
    Das Gesicht des Protests: Die 17-jährige Palästinenserin Ahed Tamimi. ( Ilia Yefimovich/dpa)
    Das Internet-Video wurde im Dezember hunderttausendfach geklickt. Es zeigt Ahed Tamimi, damals 16 Jahre alt. Die junge Palästinenserin baut sich vor einem israelischen Soldaten auf. Sie schreit ihn an und schlägt ihm später ins Gesicht. Der Vorfall ereignete sich im palästinensischen Dorf Nabi Saleh im von Israel besetzten Westjordanland. Ahed Tamimi wurde wenige Tage später festgenommen und sitzt nun in einem israelischen Militärgefängnis.
    Neben Tamini befinden sich etwa 350 weitere palästinensische Minderjährige in israelischen Gefängnissen. Laut der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist der Schutz ihrer Rechte ein besonders hohes Gut. Auch Israel hat die Konvention ratifiziert. Doch die Rechte der Minderjährigen würden systematisch verletzt, so sieht es die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem in ihrem neuen Bericht. Yael Stein ist die Forschungsdirektorin der Organisation.
    "Was ihr passiert ist, passiert hunderten anderen Jugendlichen"
    "Der Fall Ahed Tamimi hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Das ist gut so. Aber was ihr passiert ist, passiert hunderten anderen Jugendlichen. Tamimi wurde mitten in der Nacht festgenommen. Die Beschuldigungen gegen sie sind absurd. Ihre Haft wird immer wieder verlängert, obwohl sie keine wirkliche Bedrohung für den Staat Israel darstellt und obwohl sie minderjährig ist."
    Wenn israelische Jugendlicher eine Straftat begehen, gilt für sie das zivile Strafrecht. Bei jungen Palästinensern im besetzten Westjordanland ist das anders. Hier setzt Israel auf Militärgerichte. Und das kann, je nach Fall, zu deutlich höheren Strafen führen.
    In den vergangenen zehn Jahren hat die israelische Armee nach eigenen Angaben viel unternommen, um die speziellen Bedürfnisse von Minderjährigen zu schützen. So soll es etwa kürzere Haftzeiten vor einer möglichen Anklage geben. Außerdem gibt es eigene Militärgerichte für Minderjährige. Doch diese vermeintlichen Verbesserungen seien reine Fassade, meint die Organisation B'Tselem.
    "Israel hat den Rahmen verändert, die Überschrift. Aber es geht nur darum, dass das System besser aussieht. So macht das Israel bei vielen Dingen in den besetzten Gebieten."
    Auch junge Palästinenser stellten eine Gefahr für Israelis dar
    80 Prozent der palästinensischen Jugendlichen, die festgenommen wurden, würden vor ihrer Vernehmung nicht über ihr Recht auf einen Anwalt informiert, schreibt B'Tselem. Eine Statistik, die ein ehemaliger Militärstaatanwalt in der Zeitung Jerusalem Post in Frage stellt. Die israelische Regierung schreibt: Die Rechte von minderjährigen Jugendlichen nehme man ernst. Die Umstände im Westjordanland seien jedoch außergewöhnlich. Auch junge Palästinenser stellten eine Gefahr für Israelis dar. Das liege vor allem an der palästinensischen Führung. So sieht es auch Emmanuel Nachshon, Sprecher des israelischen Außenministeriums.
    "Das sind relativ junge Kinder. Aber sie sind selbst die Opfer von einer sehr aggressiven palästinensischen Propaganda. Und sie sind für ihre Terrorangriffe verantwortlich."
    In der Vergangenheit haben auch minderjährige Palästinenser Israelis angegriffen, etwa mit Messern. Ahed Tamimi hat das nicht getan und auch ihre Kritiker würden sie wohl nicht als "Terroristin" bezeichnen. Trotzdem droht ihr eine mehrjährige Haftstrafe. Tamimi werden unter anderem Aufwiegelung und Körperverletzung vorgeworfen. Anfang der Woche entschied ein Militärrichter: Der Fall der jungen Palästinenserin muss unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden. Dies sei im Interesse der Angeklagten. Sie selbst hatte zuvor das Gegenteil beantragt.