Nach dem Kalbitz-Rauswurf

Steht die AfD vor der Spaltung?

06:48 Minuten
Porträtaufnahme des AfD-Politikers Andreas Kalbitz im Landtag, teilweise hinter einer Plexiglasscheibe.
Will den Rauswurf aus der AfD nicht hinnehmen: der brandenburgische Landesvorsitzende Andreas Kalbitz. © picture alliance/Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB
Stefan Gosepath und Nadine Lindner im Gespräch mit Alexander Moritz · 16.05.2020
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Überraschend hat die AfD eine ihrer Kernfiguren, den Brandenburger Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz, aus der Partei ausgeschlossen. In der Folge werde es zu großen parteiinternen Zerwürfnissen kommen, meint der Philosoph Stefan Gosepath.
Der AfD-Bundesvorstand hat mit knapper Mehrheit beschlossen, den brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz aus der Partei zu werfen.
Ausschlaggebend waren nicht nur Kontakte, die Kalbitz zur rechtsextremistischen "Heimattreuen Deutschen Jugend" gehabt hatte, sondern auch, dass er offenbar in den 1990er-Jahren eine Zeitlang Mitglied der Partei "Die Republikaner" war. "Beides ist ein Ausschlussgrund beziehungsweise kann die Parteimitgliedschaft für nichtig erklären", erläutert unsere Korrespondentin Nadine Lindner.
Was dieser überraschende Schritt für die weitere Entwicklung der AfD bedeutet, lasse sich derzeit noch nicht einschätzen, so Lindner. Dem Philosophen Stefan Gosepath zufolge könnte er möglicherweise ein Ausdruck davon sein, dass die AfD versuche, auf den Unmut der Bevölkerung gegenüber den Anti-Corona-Maßnahmen zu reagieren. Deshalb positioniere sich die Partei stärker in der Mitte und sage: "Wir sind das Volk, wir nehmen euern Unmut auf. Da können sie die Rechtsextremen nicht gebrauchen und deshalb distanzieren sie sich von denen."

Kalbitz' Anhänger sinnen auf Rache

Auch habe die Partei unter enormem Druck gestanden, da Teile von ihr vom Verfassungsschutz beobachtet werden. "Und sie mussten oder müssen befürchten, dass die ganze AfD kontrolliert und überwacht wird und dem wollen sie sich deutlich entziehen, und deshalb nehme ich das schon wahr als einen Versuch, sich stärker wieder zu ‚mittisieren‘", sagt Gosepath.
Man dürfe aber nicht vergessen, dass Kalbitz im Bundesvorstand trotz seiner hinlänglich bekannten Vergangenheit auch Fürsprecher gehabt habe, meint unsere Korrespondentin Nadine Lindner. "Und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass sich seine Unterstützer hinter ihm scharen und auch mehr oder weniger Rache an Jörg Meuthen angekündigt haben."
Stefan Gosepath im Porträt
Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath© imago/Horst Galuschka
Parteiintern werde der Rauswurf Kalbitz' große Zerwürfnisse mit sich bringen, so sieht es auch Philosoph Gosepath. "Und es könnte natürlich auch sein, dass sich rechts von der AfD noch mal eine Gruppe positioniert und dass wir noch eine größere Aufspaltung des Parteienspektrums in der Bundesrepublik Deutschland sehen werden."
(uko)

Stefan Gosepath ist Professor für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gerechtigkeit, Gleichheit, Menschenrechte, Verantwortung, Demokratie, Theorien der Vernunft und Rationalität, Moralphilosophie, Ethik und Handlungstheorie. 2017 bis 2018 war er Visiting Scholar am Department of Philosophy der New York University und der Columbia University.

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