Freitag, 29. März 2024

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Israel und der Nahost-Konflikt
"Die Hoffnung auf Trump überlagert alles"

In Israel sei die Vorfreude auf den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump groß, sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok im DLF. Die Israelis erhofften sich von ihm die volle Unterstützung ihrer Siedlungspolitik im Westjordanland. Brok mahnte zudem, für Frieden im Nahen Osten müsse Europa sehr viel aktiver werden.

Elmar Brok im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 06.01.2017
    Der Europa-Abgeordnete Elmar Brok während einer Tagung zum Thema Europa in Tutzing
    Der Europa-Abgeordnete Elmar Brok während einer Tagung zum Thema Europa in Tutzing (imago / Oryk Haist)
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses sagte im Deutschlandfunk, derzeit sei der europäische Einfluss auf die Entwicklungen zwischen Israelis und Palästinensern relativ gering. Europa werde von den Israelis mit großem Misstrauen gesehen. Dagegen habe die Europäische Union bei den Palästinensern einen hohen Stellenwert.
    Der CDU-Abgeordnete betonte, die EU halte in den Palästinensergebieten manches aufrecht: Sie finanziere Lehrer, Krankenpfleger, Ärzte sowie weitere Projekte auf Wunsch der internationalen Gemeinschaft, damit nicht vollständige Hoffnungslosigkeit und noch mehr Terrorismus herrsche. Brok sieht die Option auf Frieden im Nahen Osten dennoch in weitere Ferne gerückt.
    Für eine Lösung des Konflikts sei es daher wichtig, den Gedanken des Quartetts aus der EU, den USA, Russland sowie der UNO voranzubringen. Allerdings sei unklar, in welcher Weise dort der zukünftige US-Präsident Trump agieren werde. Brok, der in den vergangenen Tagen den Nahen Osten bereist hat, forderte, auch die amerikanische Politik müsse sich für mehr Gesprächsbereitschaft zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen.

    Das Interview in voller Länge:
    Ann-Kathrin Büüsker: Totschlag, das war am Mittwoch das Urteil gegen den israelischen Soldaten Elor Azaria, weil er einen wehrlos am Boden liegenden palästinensischen Attentäter mit einem Kopfschuss getötet hat. Der Prozess gegen einen Soldaten und dann auch noch ein solches Urteil, das ist für Israel, wo ja jeder zum Militär muss und Soldaten als Verteidiger des Staates auch einen ganz anderen Stellenwert haben, etwas Aufrüttelndes. So gab es zur Urteilsverkündung laute Proteste von Demonstrierenden und nach dem Urteil sogar Todesdrohungen in sozialen Netzwerken gegen die Richter. Das ist eine Facette eines andauernden Konflikts mit den Palästinensern, der immer noch weit entfernt von einer Lösung ist. Darüber möchte ich nun sprechen mit Elmar Brok. Er sitzt für die CDU im Europaparlament und ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. In den vergangenen Tagen war er in Israel und Palästina unterwegs und heute Morgen erreichen wir ihn in Jordanien. Guten Morgen, Herr Brok!
    Elmar Brok: Guten Morgen!
    Büüsker: Herr Brok, Sie waren ja schon viele Male in Israel. Wie haben Sie das Land in den vergangenen Tagen erlebt, ist es diesmal anders als sonst?
    "Das Warten auf Präsident Trump geschieht mit viel Vorfreude"
    Brok: Ja, wir haben eine Diskussion dort, die doch manchmal von der Regierungsseite, von der Koalitionsseite von wenig Liberalität geprägt ist, von einem klaren Bewusstsein, vorwärts zu gehen, viele Diskussionen, die jetzt von einer Annexion der Westbank sprechen, Hoffnung auf Trump, von dem sie hoffen, dass dann Amerika sie voll in dieser Politik unterstützen wird, sodass dieses Warten auf Präsident Trump mit viel Vorfreude dort geschieht.
    Büüsker: Was erwarten Sie denn von einer Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel unter einem Präsidenten Trump?
    Brok: Nun, wir haben ja die Resolution um die Siedlungen, die Resolution der Vereinten Nationen, dass Israel mit der Siedlungspolitik aufhören sollte, was zu hohem Entsetzen in Israel geführt hat. Wir haben da auch eine Diskussion, dass Siedlungen, die auf Land, auf privatem Land von Palästinensern gebaut werden, rechtlich legitimiert werden. Auch hier sehen sie wie in dem Fall des Soldaten, dass das Rechtssystem eindeutig funktioniert. Denn die israelischen Gerichte haben dieses für rechtswidrig erklärt. Aber es sind Pläne in der Regierung, Gesetze zu ändern, um so die eigenen Gerichte auszuhebeln, damit dort gebaut werden kann. Dort führt, wenn man Gespräche bei der palästinensischen Autorität führt, dass doch dieses dann zum Ende der Option der Zweistaatenlösung kommt. Und dann bedeutet dieses nichts anders als Annexion und das hat natürlich große Weiterungen dann für das Verhältnis dort mit all den Gefahren, die damit verbunden sind. Dort ist keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung gegeben, sodass viele, auch viele in der israelischen Opposition, wie der Oppositionsführer Herzog und andere dagegen kämpfen. Es gibt auch in der Politik Gegengewichte dagegen. Aber diese Hoffnung auf Trump überlagert alles.
    Büüsker: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist die Option auf Frieden in Israel eher in weitere Ferne gerückt?
    "Europa muss sehr viel aktiver wieder werden"
    Brok: Ich glaube, ja. Man erklärt, man habe da Rechte und mit den Palästinensern wolle man nicht, die wollten ja nicht wirklich verhandeln, das wird auch umgekehrt behauptet. Einer wirft dem anderen vor, nicht bereit zu sein zu verhandeln. Und wir müssen sehen, dass Israel, die israelische Regierung jetzt auch damit begonnen hat, dass die ganzen Wirren des Umfelds – das Verhältnis von Putin mit Syrien, Assad und dem Iran – lebensbedrohend sind, dass die ganze Entwicklung in der Region so gefährlich ist, dass Israel einzig auf der Grundlage der Stärke, in einer Zusammenarbeit mit einem Präsidenten wie Trump gestalten muss und nicht eine Lösung erreichen muss.
    Büüsker: Ja, Herr Brok, unter diesen Voraussetzungen, welche Möglichkeiten hat eigentlich Europa noch auf eine Unterstützung eines Friedens in Israel?
    Brok: Ich glaube, Europa muss sehr viel aktiver wieder werden. Wir sind da gegenwärtig nicht gut im Gespräch. Europa hat auf diese inhaltlichen Entwicklungen relativ wenig Einfluss gegenwärtig. Deswegen ist es wichtig, dass wieder der Gedanke des Quartetts, in dem auch Europa vertreten ist, aber auch die Vereinigten Staaten von Amerika und Russland und die Vereinten Nationen, vorangebracht wird. Die Resolution der Vereinten Nationen hat die Vorschläge des Quartetts, verbunden mit der arabischen Friedensinitiative, eindeutig genannt, und hier muss man glaube ich mehr Bewegung auch im Bereich der Araber hineinbringen, um diese Angebote zu erneuern, voranzubringen. Ich glaube, das ist von entscheidender Bedeutung. Europa hat bei den Palästinensern einen hohen Stellenwert, die Amerikaner werden dort nicht als fairer Vermittler betrachtet. Umgekehrt Europa nicht in Israel, Europa wird dort mit großem Misstrauen beobachtet. Aber ich glaube, dass man versuchen muss, hier das gemeinsam im Quartett zu machen. Aber auch da wissen wir nicht, in welcher Weise die amerikanische Politik, in welcher Weise Trump dort mitmachen wird. Da haben wir ja auch schon negative Äußerungen gehört.
    Büüsker: Wenn Sie Europas Einflussmöglichkeiten eher bei den Palästinensern sehen, was kann konkret Europa denn dort tun?
    "Die Leute werden direkt über die Europäische Union bezahlt"
    Brok: Wir machen hier sehr viel. Europa hält manches dort am Leben. Wir finanzieren Lehrer, wir finanzieren Krankenschwestern und Ärzte, sodass sozialer Ablauf da passieren kann, und manche andere Projekte auf Wunsch der internationalen Gemeinschaft, damit nicht völlige Hoffnungslosigkeit zustande kommt und noch mehr Terrorismus zustande kommt. Aber ich glaube, Europa muss hier sehr viel stärker auch politische Sprache umsetzen. Das bedeutet, dass wir auch hier eine gemeinsame Politik betreiben, also nicht jedes Land für sich alleine, um den nötigen Druck auszuüben, damit hier wieder Gesprächsfähigkeit besteht. Dies müssen wir auch gegenüber den Palästinensern sagen, dass sie bereit sein müssen zu Gesprächen, wie umgekehrt das den Israelis auch gesagt werden muss. Und wir hoffen, dass die amerikanische Politik dazu zur Verfügung steht, auch wenn das angesichts von Äußerungen von Trump gegenwärtig als nicht sehr hoffnungsvoll klingt.
    Büüsker: Sie haben die europäischen Finanzhilfen an Palästina angesprochen. Muss Europa hier vielleicht auch genauer hingucken, wofür dieses Geld verwendet wird, damit es nicht zweckentfremdet wird unter anderem für terroristische Zwecke?
    Brok: Ja, das wird glaube ich geschehen und vieles dieser Gelder geht ja gar nicht in die Hände der palästinensischen Behörden. Die Personalkosten für Ärzte und Krankenschwestern und Lehrer beispielsweise bezahlen wir direkt, die Leute werden direkt über die Europäische Union bezahlt, sodass das nicht in irgendeinen großen Topf kommt, aus dem man dann Waffen für Hamas abzweigt, sodass es da ein hohes Maß an Sicherheit vorhanden ist.
    Büüsker: Sagt Elmar Brok, er ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Herr Brok, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen hier im Deutschlandfunk!
    Brok: Ich danke auch, Frau Büüsker!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.