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Israelis in Deutschland
"Ich war das letzte Mal in Israel in einer Synagoge"

Viele Israelis leben in Deutschland, allein in Berlin sind es Schätzungen zufolge 18.000 Menschen. Dort machen Israelis als Künstler von sich reden, komponieren, bieten koscheres Catering oder Hebräisch-Unterricht. Nur in jüdischen Gottesdiensten sind sie selten zu finden.

Von Gerald Beyrodt | 12.05.2015
    Die Kuppel der Jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße, aufgenommen am 23.07.2014 in Berlin.
    Die Kuppel der Jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Seit über 30 Jahren lebt die Hebräisch-Lehrerin Miriam Rosengarten in Deutschland, hat ihre beiden Kinder hier großgezogen. Doch die haben vom Judentum damals kaum etwas mitbekommen. Denn in eine Synagoge ging Miriam Rosengarten nicht.
    "Die waren klein, als ich hierher kam. Der Sohn war zwei, die Tochter war acht, die haben kein Bar-Mitzwah gefeiert."
    Bei der Bar-Mitzwah-Zeremonie wird ein jüdischer Junge zum vollgültigen Gemeindemitglied. Wörtlich bedeutet Bar-Mitzwah: Sohn des Gebots. Mädchen werden Bat Mitzwa, Tochter des Gebots.
    "Zu der Zeit dachte ich, ich brauche das gar nicht. Ich bin Jüdin, ich brauche keine Zeichen, ich brauche keine Synagoge, ich fühle mich so gut, als jüdisch, ich brauche gar nicht zu machen."

    So oder ähnlich denken viele Israelis in Deutschland – zum Beispiel der junge Komponist Gilad Hochman.
    "Ehrlich gesagt, war ich das letzte Mal in Israel in einer Synagoge – vor ein paar Jahren. In Berlin habe ich noch nie eine besucht."
    Gilad Hochman liest durchaus gerne und häufig in der Bibel, komponiert sogar Musikstücke zu biblischen Themen. Doch er brauche keine Synagoge, sagt er. Andere Menschen könne er auch im Café treffen.
    Religiös sind in Israel Orthodoxe
    Wer Israelis fragt, warum sie so selten einen Fuß über die Synagogenschwelle setzen, hört eine Antwort immer wieder.
    "Ich meine, ich bin kein religiöser Mensch. Ich bin säkular", sagt Nirith Bialer vom jungen Berliner Kunstprojekt HaBait. "Ich bin nicht religiös" bedeutet in Israel jedoch etwas völlig anderes als in Deutschland. "Religiös" nennt man dort orthodoxe und ultra-orhodoxe Juden – Menschen, deren Alltag vom jüdischen Gesetz geprägt ist, die am Schabbat kein Licht einschalten, denen man die Gesinnung oft schon an der Kleidung ansieht.
    Solche Menschen gehen in Israel morgens und abends oder mindestens am Schabbat in die Synagoge. Viele Israelis sind auf die "Religiösen", wie man sagt, nicht gut zu sprechen. Sie verkörpern für Metropolenbewohner ein rückwärtsgewandtes Judentum, ein Judentum, das vor allem aus Verboten besteht, wie die Säkularen finden.
    In Israel ist das Leben auf Juden abgestimmt
    Der Durchschnitts-Israeli geht hingegen kaum in die Synagoge. Manch ein Bewohner von Tel Aviv verbringt den Versöhnungstag Jom Kippur lieber am Strand, als in der Synagoge zu fasten. Doch das Judentum spielt auch für viele säkulare Juden eine große Rolle, erzählt Miriam Rosengarten:
    "Wenn du in Israel lebst, brauchst du nicht religiös zu sein, um dich jüdisch zu fühlen. Die Israelis, die meisten, die feiern Pessach, Beschneidungsfest, Bar-Mizwah, die Hochzeiten sind vom Rabbiner."
    Doch ohne Synagoge jüdisch zu leben, ist in Deutschland viel schwieriger als in Israel. Denn dort ist das gesamte öffentliche Leben auf Juden abgestellt, sagt Nirith Bialer:
    "Schabbat alles ist zu. Jom Kippur man kann jetzt nicht mit dem Auto fahren oder ins Restaurant gehen. Das Leben ist geprägt von jüdischen Leuten. Wenn man in Deutschland lebt, oder es kann auch woanders sein, dann muss man sich mit diesem Thema beschäftigen. Wenn ich jetzt fasten will, dann muss ich etwas vorbereiten. "
    So war der deutsche Alltag für Nirith Bialer ein Anlass, um über ihr Judentum nachzudenken.
    "Ich fühle mich hier jüdischer, weil ich zum ersten Mal mit der Frage konfrontiert bin, zum ersten Mal."