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Israelisch-irakisches Musikprojekt
Dudu Tassa und sein „Iraq’n’Roll“

Der 1977 in Tel Aviv geborene Singer-Songwriter Dudu Tassa hat sich als feste Größe in der israelischen Rockmusik etabliert. Seit 2011 verarbeitet er mit „Dudu Tassa & The Kuwaitis“ das musikalische Erbe seines Großvaters, der im Irak der 1940er Jahre ein Superstar war.

Von Ralf Bei der Kellen | 19.01.2019
    Dudu Tassa 2019
    Dudu Tassa 2019 (Tal Schahar)
    Schon die ersten Töne des Albums "Dudu Tassa & The Kuwaitis" aus dem Jahr 2011 machen unmissverständlich klar: hier geht es um das Zusammenspiel verschiedener Kulturen – und verschiedener Generationen.
    Dudu Tassa: "Meine Mutter stammt aus dem Irak, mein Vater aus dem Jemen. Die Musik in unserem Haus war eine sehr interessante Mischung – meine Mutter hörte irakische Musik – natürlich vor allem die meines Großvaters – und mein Vater hörte jemenitische Musik. Außerdem lief ständig Musik von jüdischen Arabern aus Marokko."
    Ein kultureller Mix, der sich auch im Interview spiegelt – oft beginnt Dudu Tassa seine Antwort auf Englisch, um dann ins Hebräische zu wechseln, was dann von seinem Manager Or Davidson übersetzt wird. Was gelegentlich zu Missverständnissen führt.
    Missverständnis beim "ersten Mal"
    Als ich Dudu aus Verlegenheit die uralte Musikjournalisten-Frage nach der ersten selbstgekaufte Platte stelle, versteht Dudu sie als Frage nach dem ersten Mal – also dem ersten Mal, dass er für Musik Geld bekam.
    Dudu Tassa:"In Israel gibt es Wagen, die durch die Straßen fahren und Eis verkaufen. Oft machen sie mit einem Lied auf sich aufmerksam. Ich ging einfach frech zu unserem Eisverkäufer und sagte: Hey, ich mache Dir ein besseres Lied für Deinen Eiswagen!"
    Gesagt, getan – und fünf Dollar verdient. Ein Musikproduzent hört ihn singen und nimmt ein Album mit ihm auf. Mit 13 ist Dudu ein Kinderstar. Dann kommt der Stimmbruch, Dudu konzentriert sich auf die Gitarre und wird ein gefragter Session-Muiker. 2001 erscheint dann sei erstes "erwachsenes" Soloalbum. Er erspielt sich ein Publikum, füllt Clubs, und fragt sich, ob das jetzt alles sein soll?
    Dudu Tassa 2019
    Dudu Tassa 2019 (Tal Schahar)
    Vorbild Kuwaiti-Brothers
    Manager: "Nach neun Alben wollte Dudu seine Musik erweitern. Auf seinen hebräischen Alben fand sich hier und da schon mal ein Sample der Kuwaiti-Brothers, aber nie ein komplettes Lied. Und jetzt war er einfach so selbstsicher in seiner Karriere, dass er sich ein solchen Projekt erlauben konnte."
    Im Irak der 1930er und 1940er Jahre spielten die jüdischen Brüder Dauod und Salah Al-Kuwaiti regelmäßig für den irakischen König. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierten die Brüder wie tausende andere Juden nach Israel. Im Irak wurden ihre Spuren getilgt, ihre Lieder wurden zu Volksliedern erklärt. Und in Israel wollte nur die arabische Community ihre Lieder hören.
    Dudu Tassa: "Das war eine komplizierte Situation. Vor fast 70 Jahren kamen die jüdischen Araber nach Israel. Kultur und Politik des Landes wurden damals von den aus Europa immigrierten Juden dominiert. Die arabischen Juden hatten große Probleme, sich in diese neue Gesellschaft einzufügen. Und ihre Muttersprache war die des Feindes. Sie kamen ohne Geld, denn sie durften nichts mitnehmen."
    Vertonte Heimat- und Familiengeschichte
    2011 drehte Gili Gaon den Dokumentarfilm "Iraq’n’Roll". In der ersten Einstellung enthüllen Dudu und seine Mutter ein Schild mit der Aufschrift: Al-Kuwaiti Brothers St(reet). Ein bewegender Moment. Aber am Rand der Einweihung regt sich Widerwillen. Eine Frau sagt: Wer sind die Al-Kuwaiti Brothers? Wir müssen mal bei der Stadtverwaltung vorsprechen. Und ein Mann fragt: "Zeigt das die Richtung nach Kuwait an? Sind wir hier in Gaza?"
    "Dudu Tassa & The Kuwaitis" speist sich aus der Geschichte – und zwar der seiner Heimat und seiner Familie.
    Das neue Album "El Hajar" ist in dieser Hinsicht auch das "Dichteste" der drei Alben. Durch Dudu Tassas langjährige Beschäftigung mit der Musik der Al-Kuwaiti-Brothers seines Großvaters wirkt die Musik hier wie aus einem Guss. Und wie schon auf dem ersten Album singt auch auf "El Hajar" Dudus Mutter Carmela auf einem Lied. Dass er nicht mehr von seiner Musik leben konnte, hatte ihren Vater derart frustriert, dass er seinen Kindern jegliche musikalische Aktivität untersagte. Dudus Manager erklärt: "In dem Dokumentarfilm sieht man am Ende, wie Dudu seine Mutter auf die Bühne holt. Und er sagt: 'Wenn Großvater jetzt noch leben würde, dann würde ich ihm sagen: Mutter hat vierzig Jahre in derselben Bank auf demselben Stuhl gesessen. Da wirst Du es ihr es doch sicher erlauben, ein Lied zu singen.'"