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Istanbuls junge Mode

Wenn auf den Straßen bunte Vögel rumlaufen und mehr Champagner getrunken wird als Wasser – dann ist Fashion Week Berlin. Auf Innovation wird dort wenig gesetzt. Doch Samstag gibt es eine Besonderheit: eine Modenschau von drei unbekannten Designerinnen aus Istanbul. Das gab es noch nie.

Von Sarah Tschernigow | 06.07.2012
    Akkurat sortiert Burce Bekrek ihre Blusen und Röcke auf einer Kleiderstange. Auf der Fashion Week präsentiert sie ihre Kollektion mehrere Tage dem Fachpublikum, zunächst auf der Fachmesse Premium. Die kleine Frau mit dem Dutt achtet auf den Abstand zwischen den Bügeln, es soll ja ordentlich aussehen. Hier wird Qualitätsware gezeigt.

    "Das ist meine vierte Kollektion. Erst habe ich zweifarbig gearbeitet, jetzt nehme ich für ein Teil nur eine Farbe. Diese Bluse ist transparent und hat Glanzeffekte. Alles handgemacht. Die Farben der Kollektion sind zitrone, beige, pink und acru. Das ist alles. Mutifunktional und minimalistisch."

    Morgen werden die Muster auf dem Catwalk an der Siegessäule präsentiert; in einer gemeinsamen Show mit zwei weiteren türkischen Designerinnen. Für alle ist es das erste Mal, dass sie ihre Mode in Deutschland zeigen. In der Türkei kennt man sie schon. Die 29-jährige Burce ist erst seit zwei Jahren im Geschäft. Sie hat aber schon einen eigenen Laden. Ihre Kunden sind chic gekleidete, geschäftstüchtige Frauen. "Maskulin", sagt Burce lachend.

    "Sie ist eine maskuline Weiblichkeit. Vor allem anspruchsvoll. Ich meine, die Frauen wollen einen männlichen und starken Look haben. So sind die Zeiten heute: modern. Sie müssen sich wie Männer verhalten. Aber innerlich wollen sie Frau bleiben."

    Ob sich die Männerwelt dadurch nicht bedroht fühle? Nein, sagt die Designerin selbstbewusst. Im Gegenteil:

    "Alle kommen und sagen: Bitte mach mal was für Männer! Sie wollen zum Beispiel die bedruckten T-Shirts haben. Und tatsächlich plane ich eine Herrenkollektion. Denn mein Vater hat eine Textil-Firma. Dort drucken wir Prints. Arbeiten auch für große Firmen, wie Hugo Boss, Dolce&Gabana, Armani und so. Die Textil-Firma macht eh nur Männersachen."

    Designerinnen wie Burce Bekrek wollen jetzt den internationalen Modemarkt erobern. Hinter ihrem Auftritt steckt das Projekt "Istanbul Next", das sogar Geld aus dem Förderungsfonds des türkischen Premierministeriums bekommt. Es soll eine weitere kulturelle Brücke geschlagen werden. "Eine Fashion-Brücke", sagt die Projektinitiatorin Gülriz Egilmez.

    "Ich denke, dass Berlin für uns, für junge Designer, ein sehr guter Startpunkt ist. Weil sich Berlin etabliert, noch nicht so gesettlet ist wie Paris oder Mailand. Es ist auf dem Weg. Es sind beides sehr interessante Städte, Berlin wie Istanbul. Werden total gehypt. Berliner lieben Istanbul. Istanbuler lieben Berlin. Und gerade in der Mode wissen die Chefs noch recht wenig voneinander."

    Zum Beispiel, dass die Türkei, was Mode betrifft, weit mehr ist als ein günstiges Produktionsland mit guter Verbindung zu Asien. Einige namhafte Top-Designer gibt es dort auch: Ümit Ünal, der mal gesagt haben soll "Wer bei mir kauft, kauft kein Kleidungsstück, sondern Spuren von mir". Oder Atil Kutoglu, der mit seinen Seidenkleidern schon Leute wie Heidi Klum oder Naomi Campbell verpackt hat. Apropos Verpackung: Junge türkische Mode ist nicht prüde und konservativ. Auch mit diesem Vorurteil soll aufgeräumt werden, erklärt die Organisatorin. Frauen in Istanbul seien im wahrsten Sinne des Wortes aufgeschlossener als hier.

    " "Berlin ist sehr viel bedeckter als Istanbul. Die Frauen dort sind viel wagemutiger, viel modebewusster und legen viel Wert auf ihre Erscheinung. Gehen jeden zweiten Tag zum Frisör, mindestens zwei mal im Monat zur Maniküre, Pediküre."

    Und geben angeblich wahnsinnig viel für Mode aus. Burce Bekrek zumindest kann schon nach zwei Jahren von ihrer Arbeit leben. Gut, etwas Starthilfe von den Eltern gab es schon, aber offenbar hat sie mit ihrem Label auch einen Nerv getroffen. Sie spielt mit einer "verdeckten Sexyness". Manche Blusen sind so hochgeschlossen, dass sie in der Halspartie fast zu eng erscheinen, aber dafür ist die Rückenpartie transparent.

    " Es gab keine Designer, die so etwas gemacht haben, das man tagsüber auf der Straße anziehen kann. Aber mit meinen Sachen kann man zur Arbeit gehen und Abends zu einem Event. Klar, in den östlichen Regionen geht das nicht. Aber auch von dort kommen anfragen. Sie sagen: Burce, kannst du den Ärmel für uns etwas länger machen? Und klar, ich mache das."

    Und auch den Messebesuchern gefällt die Arbeit. Ob nun kurze oder lange Ärmel.

    "Also die Farben sind schon sehr dezent, aber da gibt’s auch Modelle, die sind sehr extravangant, wie die Blusen, wo man die Haut durchscheinen sieht. Find ich super. Mir gefallen die Prints sehr gut und auch die Farben für den Sommer. Kann ich mir schon vorstellen, dass man 2013 so aussehen wird."

    Burce Bekrek hofft auch hier mit Händlern ins Gespräch zu kommen. Sie findet es aufregend in Berlin zu sein, sagt sie. Aber eines steht für die 29-Jährige fest: sie will in der Türkei bleiben, in Istanbul. Etwa nicht nach Paris oder Mailand? Nein, in Mailand sei sie schon gewesen. Istanbul sei dann doch spannender.

    Info:
    Fashion Week Berlin