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IT an Schulen
IT-Aufwendungen nach Schulform differenzieren

Ist der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln an Schulen sinnvoll? An einigen ja, an Grundschulen aber nicht, meint der Medientheoretiker Ralf Lankau. Denn dort müssten die elementaren Kulturtechniken vermittelt werden. "Das lernt man tatsächlich nur manuell", sagte Lankau im Dlf.

Ralf Lankau im Gespräch mit Michael Böddeker | 03.11.2017
    Mit einem speziellen Tablet arbeitet am 20.02.2015 ein Schüler am "Tag des digitalen Lernens" am Ökumenischen Domgymnasium in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).
    Digital lernen: Wo fängt der Nutzen an, wo hören die Probleme auf? (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Michael Böddeker: Abgesehen von den Kosten gibt es aber auch noch einige mögliche Risiken und Probleme bei der Digitalisierung. Unzureichender Datenschutz und Lobbyismus von großen Firmen sind da nur zwei Stichworte, wir haben ja auch kürzlich schon über einige solcher Fälle berichtet. Eine wichtige Frage ist auch: Was bringt das Ganze eigentlich für den Unterricht und für das Lernen selbst, also für die Schülerinnen und Schüler? Darüber sprechen wir mit Ralf Lankau, Professor für Medientheorie in Offenburg. Schönen guten Tag!
    Ralf Lankau: Schönen guten Tag, Herr Böddeker!
    Böddeker: Sie haben ja gerade schon zugehört, als es um die Kosten für die Digitalisierung der Bildung ging. Sind Sie überrascht von diesen neuen Zahlen?
    Lankau: Nein, das ist im erwartbaren Maß. Herr Breiter und seiner Kollegen aus Bremen haben ja schon 2015, glaube ich, die erste Studie veröffentlicht im Auftrag von Bertelsmann und da war schon von einer Größenordnung von 100 bis 350 Euro pro Schüler und Jahr die Rede. Und das, was jetzt publiziert wurde heute, ich habe das noch nicht im Detail durchgearbeitet, aber das, was ich bis jetzt kenne, liegt in dieser Größenordnung. Bei der Grundschule etwas deutlicher, denn das fängt jetzt bei 200 Euro pro Schüler und Jahr an, aber das war erwartbar. Die ersten Schätzungen waren deutlich zu gering, und Herr Zorn hat ja schon gesagt, dass die Anbindung ans Netz noch gar nicht dabei ist, das heißt, auch die jetzigen Kosten sind ein Einstieg. Aber wenn es tatsächlich realisiert würde, wären die Kosten noch deutlich höher.
    Böddeker: Sie sind ja auch eher skeptisch, was den Einsatz von digitalen Mitteln an manchen Schulen angeht. Es gibt Grundschulen, weiterführende Schulen, Berufsschulen. Wo würden Sie es sinnvoll finden und wo eher nicht?
    Lankau: Also, absolut sinnvoll – und ich glaube, da ist auch Konsens – ist, dass die beruflichen Schulen ausgestattet werden müssen, berufsvorbereitenden Schulen und beruflichen Schulen. Die kommen ohne digitale Technik gar nicht aus. Und es gibt von der IHK ja eine Berechnung, dass alleine die berufsbildenden Schulen 500 Millionen Euro im Jahr brauchen, um die entsprechende IT-Ausstattung zu bekommen. Bei berufsbildenden Schulen ist es absolut notwendig.
    Was mich aber irritiert und auch stört, ist, dass ansonsten gar nicht differenziert wird. An den Grundschulen zum Beispiel halte ich das für nicht sinnvoll, weil an den Grundschulen ganz andere Dinge erst mal gelernt und auch vermittelt werden müssen, also die elementaren Kulturtechniken, Lesen, Schreiben, Rechnen, Hörverstehen, diese ganzen Dinge. Und das lernt man tatsächlich nur manuell und durch vieles Üben und auch durch Anleitung. Und da haben die digitalen Geräte zumindest nach dem bisherigen Wissensstand keinen Nutzen oder nur sehr geringen Nutzen. Das heißt, der erste Punkt, wenn es über Gelder für Schulen geht, dann sollten wir differenzieren nach Schulform, nach Lebensalter der Schülerinnen und Schüler und dann auch nach konkreten Einsatzgebieten.
    Teil unserer Lebenswirklichkeit
    Böddeker: Sie haben gerade schon die Berufsschulen angesprochen, die sind zum Beispiel auch gar nicht Teil dieser neuen Bertelsmann-Rechnung. Ab welchem Alter würden Sie es denn zumindest für akzeptabel halten, dann doch mal ins Internet zu gehen und solche Geräte einzusetzen? An den weiterführenden Schulen?
    Lankau: Als Teil des Schulunterrichts in den weiterführenden Schulen, ja. Die Vorstellung, wie man damit umgehen muss, korrespondiert ein bisschen wie die Art und Weise, wie man mit Fernsehapparaten umgeht. Digitale Geräte und Endgeräte und Dienste sind Teil unserer Lebenswirklichkeit, auch in den Elternhäusern. Das heißt, man wird das Internet und die Geräte auch thematisieren, so wie man auch Fernsehsendungen im Unterricht thematisieren würde. Man stellt aber keine Fernsehapparate in der Schule auf. Und ähnlich muss man mit den digitalen Geräten umgehen. Das heißt, als Thema, mit dem sich Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen, muss man das in der Schule, auch in der Grundschule schon ansprechen, aber als Unterrichtsmedium und auch als Technik, mit denen man selbst arbeiten, würde ich selbst das erst in der fünften, sechsten, vielleicht siebten Klasse ansetzen, ganz differenziert nach dem Lebensalter der Schülerinnen und Schüler.
    Auch mögliche Vorteile?
    Böddeker: Auch wenn Sie insgesamt ein bisschen skeptisch sind, was das Ganze angeht, es gibt ja auch Vorteile, die so eine Digitalisierung vielleicht mit sich bringen könnte, zum Beispiel dass die Schülerinnen und Schüler motivierter sind, zumindest mit der richtigen Hard- und Software. Oder man kann auch ganz neue Sachen machen, zum Beispiel Videochats mit Schulen, mit Partnerschulen im Ausland. Also sehen Sie auch solche möglichen Vorteile?
    Lankau: Sagen wir mal so, die Motivation ist da, wenn mit Tablets mal in einer Stunde gearbeitet wird oder zwei, aber je intensiver Sie mit diesen Geräten arbeiten, desto gewöhnlicher wird es, und dann ist auch die Motivation nicht mehr da. Der zweite Punkt, diese Kooperation mit anderen Schulen: Man kann das durchaus einbinden, die Frage ist nur, ob neue technische Möglichkeiten wirklich in die Schule einfließen müssen, also ob der Nutzen dessen, was man in der Schule machen kann, sich relativiert gegen den Einsatz, gegen die Kosten und auch gegen oder für die Gewöhnung an diese Geräte. Ich denke, was viel wichtiger ist in der Schule, ist, dass man sich auf andere Dinge fokussiert, auf das soziale Miteinander, und dass diese Bildschirmmedien eben nicht zum selbstverständlichen Alltag auch in der Schule gehören. Weil, da sollten wir auch mit anderen Medien arbeiten können, also das ganze Medienspektrum einsetzen: analoge Bücher, Tafelanschriebe, Übungsblätter, diese ganzen Dinge. Das, was jetzt auch in dieser Studie wieder deutlich wird, ist, dass sehr stark und ausschließlich auf digitale Geräte fokussiert wird und dass diese Bildschirmmedien gar nicht mehr relativiert werden als eine Möglichkeit, mit Medien im Unterricht zu arbeiten.
    Böddeker: Sagt Ralf Lankau, Professor für Medientheorie in Offenburg. Mit ihm habe ich über die Probleme und Risiken gesprochen, die bei der Digitalisierung der Schulbildung entstehen können. Vielen Dank für das Gespräch!
    Lankau: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.