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IT-Konferenz London
Daten lügen nicht

Auf einer Konferenz über Wissensmanagement in London ging es um die wissenschaftliche Auswertung von Daten in Südasien. Anders als in Europa müssen chinesische Wissenschaftler nicht nur den Einfluss durch die Politik in ihre Auswertung einbeziehen, sondern auch das Verhalten der User in den sozialen Netzwerken, das sich von denen europäischer Nutzer unterscheidet.

Von Maximilian Schönherr | 14.05.2016
    Eine chinesische Schülergruppe in Guangzhou, die ihre bestandene Aufnahmeprüfung für die Uni feiert. Die Schüler tragen kurzärmelige Uniformen und machen das Peace-Zeichen.
    Chinesen ticken anders, auch in den sozialen Netzwerken (picture-alliance / dpa / Chinafotopress)
    Wenn Wissenschaftler von "Wissens-Management" sprechen, ist der zweite Teil des Begriffs mindestens so wichtig wie der erste: also Management, und zwar im Sinn von Vermarktung, nicht von wertneutralem Austausch von Wissen. Ein großer Teil der Redner auf der Konferenz über "Knowledge Management" in London kam aus dem Bereich des Business Computing, wo man durch den Einsatz von Informatik effektiveren Handel betreiben möchte.
    Shuliang Li lehrt an der Universität von Westminster und auch in China. Er formuliert sehr vorsichtig, wenn er davon spricht, dass Daten in Europa und China verschieden ausgewertet werden.
    "Manchmal manipuliert die Politik nachhaltig den Markt. Wenn wir Wissenschaftler uns um Informationen, Daten und Wissen kümmern, müssen wir den Einfluss der chinesischen Regierung auf die Geschäftsdaten berücksichtigen. Außerdem spielen kulturelle Unterschiede eine Rolle bei der Datenstrukturierung. Soziales Miteinander funktioniert in China nach dem Guan Xi-Prinzip. Diese beiden Faktoren, Kultur und Politik, machen die Auswertung von Daten kompliziert."
    Guan Xi-Prinzip - persönlicher und verbindlicher
    Guan Xi durchzieht auch die chinesischen sozialen Netzwerke im Internet wie zum Beispiel WeChat. Die Kontaktanbahnungen laufen da ganz anders als in der westlichen Welt, auf viel persönlicherer Ebene, wo ziemlich rasch Geschenke und Verpflichtungen ins Spiel kommen. Die Erforschung dieser Strukturen beginnt gerade erst, sagt Shuliang Li. Die chinesische Industrie jedenfalls hat begriffen, dass Forschung wichtig ist.
    "Nehmen wir eine Firma, die ihre Marke über die sozialen Netzwerke im Internet bekannt machen möchte. Da besteht ein großes Risiko, dass die Marke quasi über Nacht beschädigt wird – durch schlechte Bewertungen und Kommentare in den sozialen Medien. Die Industrie steckt da viel Forschungsaufwand hinein. Wie erzeugt man die Viralität einer Marke, um positive Rückmeldungen zu bekommen?"
    Chinesische Regierung realisiert, dass Daten nicht lügen
    Shuliang Li betreibt dazu selbst keine Forschung, sondern stellte auf der Konferenz in London nur Worthülsen in den Raum, die teilweise stark veraltet sind, Fuzzy Logic etwa. Aber als Wissenschaftler zwischen zwei Welten weiß er durchaus einzuschätzen, dass die chinesische Regierung allmählich herausfindet, dass Daten nicht lügen und ihre Manipulation Erkenntnis behindert und nicht befördert.
    "Die Regierung ist jetzt mehr als bisher an der Wahrheit interessiert. Sie will an unmanipulierte, echte Informationen herankommen und setzt dafür IT-Technologien ein."
    Auch ganz geerdete Themen des Wissensmanagements wurden auf der internationalen Konferenz angesprochen. Shashi Kant Srivastava vom Indian Institute oft Management Indore sah sich die Telekommunikations-Infrastruktur bei der Flutkatastrophe in Kaschmir vor zwei Jahren an. Die Menschen hatten Smartphones mit GPS, aber es fehlte die übergeordnete Technik, die Menschen über diese Smartphones gezielt anzusprechen und vorzuwarnen. Es gibt auf Behördenebene keine Ansätze, das Wissen mit Software zusammenzufügen. Selbst auf ganz banaler technischer Ebene versagt die IT, wenn die Flut kommt.
    WLAN aus Drohnen für Katastrophengebiete umstritten
    "Die Menschen versuchen, über ihre Mobiltelefone Hilfe zu rufen. Aber die Stromleitungen sind ins Wasser gefallen, viele sterben an Stromschlägen. Die Mobilfunk-Anbieter schalten ihre Sender ab, um sie vor weiteren Schäden zu bewahren. Vollgeladene Laptop- und Smartphone-Akkus nützen einem nichts, wenn man nicht mehr online kommt.
    Ich fordere in meinem Paper, dass sich die Regierung endlich aktiv fürs Katastrophenmanagement stark macht."
    Immerhin, so Shashi Kant Srivastava, finanziert die indische Regierung jetzt Drohnen mit, die aus der Luft WLAN in die Katastrophengebiete bringen. Wobei gerade das WLAN von oben stark kritisiert wird, weil Indien sich damit US-amerikanischen Firmen unterwirft, die die Technik bauen und vermarkten. Das spielte in London keine Rolle. Schließlich war die Konferenz business-nah, und man wollte kein Spielverderber sein.