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IT-Unternehmer: Einige Länder wollen das Internet unter nationale Kontrolle bringen

Die Vertragsverhandlungen zur Regulierung des weltweiten Datengewerbes seien in Dubai wohl gescheitert, sagt Jimmy Schulz (FDP). Vor allem auch, weil die europäischen Demokratien nicht die Freiheit im Netz aufgeben wollten, ergänzt der IT-Unternehmer.

Mario Dobovisek im Gespräch mit Jimmy Schulz | 14.12.2012
    Mario Dobovisek: Das Internet, es wächst und wächst. Doch dessen Regulierung ist dezentral organisiert. Eine Handvoll Stiftungen und Universitäten verständigen sich bis heute über technische Fragen und setzen die Standards. Viele dieser Institutionen sitzen in den USA, das stört unter anderem Russland und China. Sie wollen, dass eine UN-Organisation die Regulierung des weltweiten Datengewerbes übernimmt, in der, ganz nebenbei gesagt, sie ein gehöriges Mitspracherecht hätten - auch über Inhalte, die über das Netz verbreitet werden können. Darüber sprachen in den vergangenen zwei Wochen die Delegierten der Internationalen Fernmeldeunion in Dubai.
    Am Telefon begrüße ich Jimmy Schulz, IT-Unternehmer und für die FDP im Bundestag. Guten Tag, Herr Schulz!

    Jimmy Schulz: Guten Tag!

    Dobovisek: Sie waren selbst in Dubai auf der ITU-Konferenz, auf der Konferenz der Fernmeldeunion. Steht die Freiheit des Internets tatsächlich in Gefahr?

    Schulz: Ja, das ist richtig, denn wie auch im Bericht gerade gehört: Es gibt eine Reihe von Ländern, die versuchen, das Internet unter nationale Kontrolle zu bringen. Und dann gibt es ja nun den einen oder anderen Staat, der damit nichts Gutes im Schilde führt.

    Dobovisek: Was könnte man sich darunter vorstellen, wenn Sie sagen, nichts Gutes im Schilde führen?

    Schulz: Das heißt zum Beispiel Inhaltskontrolle, Zensur, Verhinderung von freiem Informationsfluss, Meinungsfreiheit in Gefahr, also da gibt es eine ganze Reihe. Wir wissen das ja von Staaten, die mit dem liberalen Ansatz von Demokratie nichts anfangen können.

    Dobovisek: Heute wird die Konferenz in Dubai ja enden. Der Streit scheint aber nicht beigelegt zu sein. Ist aus Ihrer Sicht ein Kompromiss bei diesen diametral auseinanderliegenden Positionen überhaupt möglich?

    Schulz: Also wie ich die Verhandlungen erlebt habe über einige Tage hinweg, habe ich gemerkt, dass es da natürlich auch einen erheblichen Dissens gibt. Da gibt es natürlich auch Staaten, die aus ganz anderen Motivationen Probleme haben, die gerne mehr teilnehmen würden. Gerade aus den Entwicklungsländern kam natürlich der Ruf nach auch mehr Unterstützung, die sie sich von den Vereinten Nationen da erhoffen. Aber so wie es aussieht, sind die Vertragsverhandlungen nun gescheitert, und zwar am klaren und deutlichen Widerstand nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern auch im Wesentlichen natürlich der europäischen Demokratien und insbesondere auch Deutschland, die gesagt haben, wir wollen auf keinen Fall die Freiheit im Netz aufgeben.

    Dobovisek: Aber es ist schon eine komische Allianz, wenn sich westliche Staaten zum Beispiel mit Google zusammenschließen. Das ist ja normalerweise immer umgekehrt.

    Schulz: Hier hat sich niemand mit Google zusammengeschlossen, denn bei der ITU verhandeln ausschließlich Staaten, da haben Firmen kein Sprachrecht.

    Dobovisek: Wie könnte es jetzt weitergehen in dieser Debatte?

    Schulz: Die Debatte wird natürlich weitergehen, das ist vollkommen klar. Sie wird bei weiteren Konferenzen, die jetzt so die nächsten ein bis zwei Jahre stattfinden, das nächste Mal im Mai in Genf, da wird es eine weitere Konferenz geben, auch dort werden wir mit wahrscheinlich denselben Diskussionen rechnen. Nur dieses war sozusagen der Startpunkt in Dubai, denn hier werden ja Verträge, völkerrechtlich bindende Verträge verhandelt, und ich bin sehr froh, dass wir hier eine ganz klare und deutliche harte Haltung bewiesen haben und gesagt haben, keine staatliche Beeinflussung des Netzes. Denn, sage ich mal, in der Geschichte des Internets - warum ist denn diese Erfolgsgeschichte, Freiheit im Internet, so eine große? Doch unter anderem genau deswegen, weil sich Staaten in den Jahren zuvor immer herausgehalten haben.

    Dobovisek: Blicken wir doch mal auf die Kritik an der bisherigen Organisation und Struktur des Internets. Da gibt es zum Beispiel die ICANN, sie koordiniert die Vergabe von einmaligen Namen und Adressen im Internet, sitzt in den USA und ist eng mit der US-Regierung verbandelt. Was können Organisationen wie diese besser und unabhängiger, wie es ja immer heißt, als die Vereinten Nationen?

    Schulz: Das ist natürlich mit Sicherheit eine Sache, die auch diskutiert werden muss: Wie wird denn das Internet reguliert, wie wird es denn beherrscht, wer hat dort die Macht. Auf der anderen Seite: Nehmen Sie doch mal die RFC's, die Request For Comments. Das sind die Standards wie zum Beispiel HTML oder HPPT des World Wide Web. Diese Standards werden in einem vollkommen basisdemokratischen Prozess entwickelt, da hat kein Staat die Macht, sondern die werden von der Gemeinschaft der Leute und Unternehmen und der Beteiligten im Internet gemeinsam entwickelt. Da sieht man schon, dass dieses Internet - und das ist das schöne daran - eben nicht organisiert, nicht reguliert, nicht beherrscht wird von irgendjemandem, sondern sich selbst organisiert und das ist auch der Garant für Freiheit.

    Dobovisek: Warum war dann zum Beispiel die ICANN lange, lange Zeit Teil der Regierung, nämlich Teil des Handelsministeriums dort?

    Schulz: Ja, das ist richtig. Aber ich glaube, das hat sich ja auch weiterentwickelt. Daran muss man arbeiten, das ist vollkommen klar. Aber lieber so mit einer demokratischen Entwicklung, und das wollen wir ja in Deutschland auch machen. Ich habe gehört, dass der Wirtschaftsminister Philipp Rösler gesagt hat, wir müssen diesen Prozess des Nachdenkens, wie wir denn mit diesen Verträgen auch umgehen wollen, eben nicht, wie es früher war, auch in anderen Ländern Usus ist, sozusagen in Regierungsalleinherrschaft machen, sondern er will eine breite basisdemokratische Diskussion darüber anstrengen und alle Beteiligten mit einbeziehen.

    Dobovisek: Warum meinen Sie, Herr Schulz, wären die Vereinten Nationen nicht in der Lage, eine demokratische Weiterentwicklung voranzubringen?

    Schulz: Das Problem ist: Die Verträge, den sogenannten ITR's, die jetzt in Dubai verhandelt wurden, das sind völkerrechtlich bindende Verträge, und da hat natürlich die Mehrheit der Nationalstaaten dann das Wort, also der einzelnen Mitgliedsstaaten, und da gibt es halt jene, die sind, sagen wir mal, demokratisch, rechtsstaatlich orientiert, und es gibt halt auch die anderen. Und wenn dort jeder sozusagen dann Einfluss auf diese Regulierung des Internets hat…

    Dobovisek: Aber genau das wäre doch Demokratie, wenn jeder den gleichen Einfluss hätte auf eine solche Organisation.

    Schulz: Demokratie ist es dann, wenn sich auch die Staaten alle an demokratische Grundrechtsprinzipien halten würden. Aber da gibt es halt nun eine nicht unwesentliche Anzahl von Staaten auf der Welt, die diesen Grundsätzen nicht verpflichtet sind.

    Dobovisek: Der Streit über die Zukunft des Internets - der liberale Netzpolitiker Jimmy Schulz war das. Ich danke Ihnen für Ihre Einschätzungen.

    Schulz: Danke sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.