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Italien
Arbeitsmarkt-Reform zeigt erste Erfolge

In Italien galt bisher ein rigider Kündigungsschutz. Das schreckte Unternehmen ab, neue Mitarbeiter fest anzustellen. Regierungschef Matteo Renzi wollte den Arbeitsmarkt flexibler gestalten. Gegen Proteste aus linken Reihen hat er seine Pläne durchgesetzt und erzielt damit nun erste Erfolge.

Von Kirstin Hausen | 01.07.2015
    2640404 06/10/2015 Italian Prime Minister Matteo Renzi attending the National Day of Russia at Expo Milano 2015. Sergey Guneev/RIA Novosti
    Matteo Renzi, Italiens Ministerpräsident (picture alliance / dpa / Sergey Guneev)
    Ein verspiegeltes Bürohochhaus vor den Toren Mailands. Sitz des Versicherungskonzerns Assimoco. Hier, in einem Sitzungssaal im siebten Stock, mit Blick auf den begrünten Innenhof, wurde über das Schicksal von 14 Angestellten mit befristeten Arbeitsverträgen entschieden. Generaldirektor Ruggero Frecchiami hat sie nach Inkrafttreten von Renzis "Jobs Act" fest angestellt.
    "Die Aktionäre sind normalerweise froh über zeitlich befristete Arbeitsverträge, weil sie in ihnen eine Möglichkeit sehen, Kosten rasch zu senken, wenn es wirtschaftlich bergab geht. Insofern mussten die Aktionäre überzeugt werden. Der Jobs Act hat dazu beigetragen, weil er in den ersten drei Jahren einer Festanstellung Steuererleichterungen vorsieht."
    Vision von einem flexibleren Arbeitsmarkt
    Außerdem bietet die neue Arbeitsmarktnorm dem Unternehmen mehr Möglichkeiten, den Angestellten auch wieder zu entlassen. Der Kündigungsschutz steigt zwar mit den Jahren an, und ist im internationalen Vergleich immer noch stark, aber für die traditionelle politische Linke und die Gewerkschaften war es ein schmerzhafter Verlust von Errungenschaften. Und dementsprechend heftig waren die Proteste gegen den "Jobs Act" im linken Lager.
    Doch trotz aller Widerstände hat Matteo Renzi seine Vision von einem flexibleren Arbeitsmarkt schließlich durchgesetzt. Und die Folgen sind, zumindest kurzfristig, die gewünschten. Schon im ersten Monat nach Inkrafttreten des neuen Rahmengesetzes wurden mehr als 160.000 neue Langzeitverträge abgeschlossen – fast doppelt so viele wie im gleichen Monat des Vorjahres. 40.000 von ihnen wandelten temporäre Anstellungsverhältnisse in feste um. Regierungschef Matteo Renzi ist zufrieden.
    "Das ist ein historischer Schritt für den italienischen Arbeitsmarkt. Mehr Flexibilität aber auch flankierende soziale Maßnahmen. So wird das Arbeitslosengeld auf 24 Monate ausgeweitet."
    Sehnsuchtsziel Festanstellung
    Geht es nach den Unternehmern, dann steht nun ein Mentalitätswechsel an. Schon immer war die Festanstellung, der "posto fisso", für viele Italiener ein Sehnsuchtsziel, aber, einmal erreicht, auch das Ende ihres beruflichen Strebens. Das zumindest geben die italienischen Arbeitgeber als Begründung für ihr Zögern an, fest anzustellen. Die Erfahrung des Managers Ruggero Frecchiami:
    "Motivation und der persönliche Einsatz steigen nicht automatisch mit der Festanstellung, manchmal lassen sie eher nach."
    Seble Woldeghiorgis, Tochter afrikanischer Einwanderer, hat seit ihrem Universitätsabschluss in Kommunikationswissenschaften vor acht Jahren bereits vier Mal den Arbeitsplatz gewechselt, weil der Vertrag nach jeweils einem Jahr auslief. Der "Jobs Act" hat auch ihr den ersten unbefristeten Vertrag beschert. Mit positiven Folgen für sie und den Arbeitgeber.
    "Ansonsten hast du doch gar keine Lust, dich anzustrengen. Viel positive Energie, die junge Leute in ihre Arbeit, in ein Unternehmen stecken könnten, verpufft, weil ihre Projekte ja sowieso jemand anders zu Ende bringt."
    Die aktuellen Zahlen des nationalen Statistikinstitut ISTAT sprechen von einer Arbeitslosenquote von 12,4 Prozent. Die Industrieproduktion ist leicht gestiegen, das Vertrauen der Konsumenten ebenfalls. Nach drei Jahren zieht die Binnennachfrage erstmals wieder an. Noch ist der Aufschwung nicht mehr als eine zarte Brise. Aber die kommt gerade recht, um Europa zu zeigen, dass sich Italien aus der Krise heraus arbeitet. Mit Blick auf Griechenland dürfte das Matteo Renzi in Brüssel den Rücken stärken.