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Italien nach dem Referendum
Das Ende des Wandels

Mit einem deutlichen Nein haben sich die italienischen Bürger gegen eine Reform der Verfassung ausgesprochen, die unter anderem eine Verkleinerung und Entmachtung des Senats vorsah. Zurück bleibt ein Scherbenhaufen, vor allem in Renzis Partei, aber auch im Parlament. Wie geht es nun in Italien weiter?

Von Karl Hoffmann | 05.12.2016
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi kündigt seinen Rücktritt an.
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi kündigt seinen Rücktritt an. (dpa / picture alliance / Isabella Bonotto)
    Der italienische Ministerpräsident Renzi blieb sich auch angesichts der deutlichen Niederlage beim Verfassungsreferendum in Italien am Sonntag treu bis zuletzt. Seinen Abschied nahm er mit der ihm typischen jugendlichen Forschheit und leicht überzogenen Rhetorik des Selbstdarstellers, der sein Publikum zu bedienen weiß.
    "Man kann ein Referendum verlieren, aber die gute Laune darf man nie verlieren. Man kann eine Schlacht verlieren, aber nicht das Vertrauen in die Tatsache, dass dies das schönste Land auf der Welt ist und Ausdruck der Ideale von Gemeinsinn, Bildung und Schönheit, die uns groß machen und auch stolz machen auf unsere Lebensart."
    Der Ministerpräsident Italiens, Matteo Renzi, spricht im Palazzo Chigi in Rom. Im Hintergrund steht seine Lebensgefährtin, Agnese Landini.
    Der Ministerpräsident Italiens, Matteo Renzi, spricht im Palazzo Chigi in Rom. Im Hintergrund steht seine Lebensgefährtin, Agnese Landini. (picture-alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Gut 59 Prozent der Italiener stimmten gegen die Reformpläne, etwa 41Prozent dafür, bei einer hohen Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent. Die Verantwortung für die Niederlage übernahm der 41Jahre junge Ministerpräsident, aber die Ursachen hätten nicht an seiner Reform gelegen, sondern am Unverständnis derer, die darüber abgestimmt haben.
    "Wir haben es versucht, haben den Italienern eine Gelegenheit zur Veränderung gegeben. Es war eine gute Chance. Aber wir haben es nicht geschafft. Es ist uns nicht gelungen die Mehrheit unserer Bürger zu überzeugen. Wir haben viele Millionen Ja-Stimmen erhalten, aber die reichen leider nicht. Deshalb übernehme ich die volle Verantwortung für die Niederlage."
    Heftige Diskussionen über Vor- und Nachteile
    Am Montagnachmittag reichte Sozialdemokrat Renzi bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein. Es ist das abrupte Ende eines der längsten und leidenschaftlichsten Wahlkämpfe, die Italien je erlebt hat. Nach der Verabschiedung der geplanten Verfassungsreform im Parlament im Oktober 2015 gab es bereits heftige Diskussionen über die Vor- und Nachteile, vor allem über die möglichen Gefahren einer autoritären Wende Italiens, verschleiert hinter der Forderung nach einer unumgänglichen Erneuerung.
    Diese bereits angeheizte Stimmung bereicherte Regierungschef Matteo Renzi Anfang dieses Jahres mit einer offiziellen Erklärung im römischen Senat, jener Kammer, die mit der Reform drastisch reduziert werden sollte, sowohl in ihren Befugnissen, wie auch in ihren Dimensionen
    "Sollte ich bei dem Referendum verlieren, dann würde ich meine politische Laufbahn als beendet betrachten. Und zwar deshalb, weil ich zutiefst an Werte glaube wie zum Beispiel die Würde eines politischen Amtsträgers."
    Reform wird zum persönlichen Anliegen
    Doch statt edler Motive bei einer Ablehnung der Verfassungsreform, unterstellten ihm seine Gegner natürlich genau dieses: ein Für- oder ein Gegen-Renzi, und damit viel mehr als nur eine Volksabstimmung über Reformen, die die meisten Bürger – zumindest im Detail - zunächst nicht verstanden. Renzi machte aus der Reform sein persönliches Anliegen. Er stürzte sich in einen beispiellosen Kampf für sein Reformprogramm, als ginge es um Alles oder Nichts, um eine Zukunft für Italien oder den Absturz in die Krise ohne Ausweg.
    Eine derartige Reduzierung komplizierter Inhalte nach Renzis Vorgaben war wohl einer der Gründe für die unerwartet klare Niederlage. Auch das Argument, die Verfassungsreform werde an die 500 Millionen Euro einsparen helfen, fiel zwar bei manchen Bürgern auf fruchtbaren Boden, aber eben lange nicht bei allen.
    Die Mitte-links-Parteien trafen sich am Donnerstag im Palazzo Chigi
    Der Palazzo Chigi, der Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten. (AP)
    "Parlamentssitze werden verringert, Ausgaben in den Regionen gestrichen, Kosten der Politik reduziert. Endlich landet das Geld für Senatoren und Regionalräte in den Taschen der Italiener."
    Kostenersparnis rechtfertigte nicht Umfang der Verfassungsreform
    Tatsächlich, das haben amtliche Statistiker veröffentlicht, hätte die Reduzierung des Senates eine maximale Ersparnis von nicht mehr als etwa 60 Millionen Euro betragen. Damit alleine war eine so weitreichende Verfassungsreform auf keinen Fall zu rechtfertigen. 46 von den 159 Verfassungsartikeln sollten verändert werden. Der wichtigste Punkt war die Abschaffung des Zweikammersystems, in dem Abgeordnetenhaus und Senat bislang – und auch künftig - gleichberechtigt abstimmen. Für Matteo Renzi der Grund unvertretbarer Verzögerungen bei der Verabschiedung von Gesetzen und ursächlich für den Sturz zahlreicher Regierungen.
    "In diesem Land gab es in den letzten 60 Jahren 63 Regierungen. Es ist klar, dass sich das ändern wird, wenn nur noch eine Kammer ein Misstrauensvotum aussprechen kann. Zum zweiten wird es klarere Kompetenzen zwischen Staat und Regionen geben. Und, was der wichtigste Punkt ist, die Reform ist ein Zeichen der Vereinfachung. Dieses Land muss einfacher werden als bisher."
    Notwendige Modernisierung oder Rückschritt für die Demokratie?
    In der Tat hat Italien ein Heer von Institutionen, die sich oft gegenseitig ausbremsen. Die Regionen können durch Einsprüche beim Verfassungsgericht Parlamentsentscheidungen blockieren. Kritiker sahen dagegen in der geplanten Umwandlung des Senats in eine Versammlung von Regionalvertretern mit klar begrenzten Befugnissen, einen Rückschritt für die Demokratie. Diese wären von den Parteien entsandt, also nicht mehr direkt gewählt.
    Regionalräte und Bürgermeister, die für ihre Amtszeit von mindestens sieben Jahren parlamentarische Immunität genossen hätten. Ein heikles Problem. Etwa ein Drittel der jetzigen Volksvertreter hat bereits Probleme mit der Justiz, wird aber in der Regel vor gerichtlicher Verfolgung geschützt. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Politikverdrossenheit bei vielen Bürgern. Ernstzunehmende Gegner der Reform, wie der angesehene Verfassungsrechtler Gustavo Zagebrelsky verwiesen vor dem Referendum darauf, dass die bisherigen beiden Parlamentskammern keinesfalls doppelte, das heißt, unnütze Arbeit leisteten:
    "Die beiden Kammern hatten bisher zwar gleiche Kompetenzen, aber unterschiedliche Aufgaben. Eine Kammer kontrollierte die Arbeit der anderen. Das Zweikammersystem diente der Verbesserung von Gesetzesvorschlägen."

    Dass mit der Abschaffung der gleichberechtigten Senatskammer ein langwieriges Ping-Pong Spiel von Gesetzesvorlagen abgeschafft würde, bezweifelte Zagrebelsky. Schon bisher wurden 80 Prozent aller Vorlagen problemlos in beiden Kammern verabschiedet, der Rest scheiterte wegen Differenzen unter den Parteienvertretern im Parlament. Zagrebelsky vor der Abstimmung:
    "Des Übels Wurzel ist politischer Natur, nicht der Institutionen. Und deshalb sind viele Bürger besorgt, dass dies jetzt eine autoritäre Wende bedeutet. Eine Machtkonzentration an der Spitze der Institutionen. Wir riskieren jetzt den Wandel von einer Demokratie zu einer Oligarchie. Das ist keine demokratische Regierungsform."
    Stimmabgabe zum Referendum über die Verfassungsreform in Italien am 4. Dezember 2016
    Stimmabgabe zum Referendum über die Verfassungsreform in Italien am 4. Dezember 2016 (imago/ZUMA Press)
    2006 versuchte Berlusconi ebenfalls eine Verfassungsreform
    Das Hauptargument der Gegner im Wahlkampf hat eine historische Parallele aus jüngerer Zeit. Im Jahr 2006 versuchte Silvio Berlusconi eine ähnliche Verfassungsreform durchzusetzen, in der die Einführung eines Premierministers nach französischem Vorbild realisiert werden sollte. Damit wäre der Medienzar zu einer Art Alleinherrscher aufgestiegen. Die Italiener entschieden sich damals ebenfalls mit großer Mehrheit gegen diese Verfassungsreform.
    Matteo Renzi galt als Saubermann, der sowohl in der Politik wie privat jene moralischen und demokratischen Spielregeln achtete, die Berlusconi immer wieder mit Füßen trat. Auch deshalb hatte er von Anfang an viel bessere Chancen für die angepeilte Verfassungsreform. Doch hat sich Renzi gerade im Medienbereich ähnlicher Mittel bedient wie Berlusconi, um den Wählerwillen zu steuern. Im vergangenen Sommer, kurz vor der Endphase des Wahlkampfes ließ er über den von ihm eingesetzten Generaldirektor des staatlichen Fernsehens RAI massive personelle Umbesetzungen vornehmen. Als Erste musste Bianca Berlinguer, die Tochter des legendären Kommunistenführers Enrico Berlinguer und die wohl bekannteste Nachrichtenmoderatorin des staatlichen Fernsehens ihren Hut nehmen, weil sie den Gegnern des Referendums angeblich zu viel Raum gab.
    Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi in der TV-Sendung "Porta a porta" Ende November 2016, die in dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI ausgestrahlt wird.
    Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi in der TV-Sendung "Porta a porta" Ende November 2016, die in dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI ausgestrahlt wird. (picture alliance /dpa / Giuseppe Lami)
    "In der letzten Zeit gab es enormen Druck von oben, plumpe und vulgäre Attacken aus höchsten Kreisen der Politik. Doch unsere Tagesschau hat standgehalten und ich hoffe, dass das so bleiben möge."
    Personelle Veränderungen in wichtigen Hörfunk- und Fernsehprogrammen
    Wie ihr ging es auch anderen nicht linientreuen Mitarbeitern. "Renzismus" nannten die Kritiker die von der Regierung verordneten personellen Veränderungen in den wichtigsten Hörfunk- und Fernsehprogrammen der RAI. Im August noch mahnte Carlo Freccero, ein kämpferischer Verfechter der Meinungsfreiheit innerhalb des staatlichen Fernsehens:
    "Die von Bianca Berlinguer geleitete Tagesschau hat ausgewogen über das Für und Wider berichtet und deshalb musste sie gehen. Die Umbesetzungen sind die Vorbereitung auf das Referendum, denn Renzi hat Angst, dass er es verliert."
    Nicht durch den direkten Besitz von Medien – wie früher bei Berlusconi – sondern durch persönlichen Druck auf die einzelnen Medienmacher sei die öffentliche Meinung massiv beeinflusst worden.
    Kritik an Renzis Wahlkampagne gab es auch bei den Briefwählern aus dem Ausland, die auf Kosten der Staatskasse Werbebriefe von der Regierung für ein "Ja" zum Referendum erhielten. Knapp über vier Millionen Italiener leben im Ausland. Oft sind es Nachkommen, der schon vor Generationen ausgewanderten Landsleute, die selbst nie in Italien waren, aber einen italienischen Pass besitzen.
    Nach einem Gesetz aus dem Jahre 2001 dürfen sie in Konsulaten, aber auch per Briefwahl abstimmen, im Gegensatz zu den Wählern in Italien. Dabei haben sich in der Vergangenheit immer wieder Fälle von Wahlbetrug ereignet. Die von Renzi bewusst geschürte Kontroverse in Italien führte in der Schlussphase des Wahlkampfes auch zu besorgten Reaktionen im Ausland. Etwa als Renzi das Thema Migranten aufgriff.
    "Die Immigranten kommen heute in größerer Zahl als je zuvor. Der Grund ist, dass man in Libyen bombardiert hat ohne an die Folgen zu denken. Jetzt kommen von dort die Migranten. Es sind viel zu viele. Wie sieht eine sinnvolle Lösung aus. Erstens, man muss in Afrika investieren, damit die Leute nicht emigrieren. Zweitens, man rettet sie auf dem Meer. Drittens, wir brauchen ein effizienteres Aufnahmesystem. Wenn nun die anderen EU Länder weiterhin ihre Grenzen zu machen, dann werden wir unseren Geldbeutel schließen. Wir zahlen an Brüssel jährlich 20 Milliarden Euro und bekommen nur 12 Milliarden zurück. Wenn sie Mauern bauen wollen, dann bestimmt nicht mit unserem Geld."
    Renzi will Signal für starkes Italien setzen
    Bei der Verabschiedung des EU-Nachtragshaushalts enthielt sich Italien, obwohl darin sogar mehr Geld für die Flüchtlingshilfe beschlossen wurde. Ein Signal an die EU und an die italienischen Wähler. Renzi wollte Stärke beweisen, obwohl er gerade in der EU mit großen Problemen zu kämpfen hatte. Brüssel muss den italienischen Haushalt absegnen, doch immer wieder fehlten hier und dort Milliardenbeträge. Nach dem Erdbeben im vergangenen August hatte die Regierung versucht Sonderausgaben geltend zu machen, die aber im Haushalt nichts verloren haben, ebenso wenig wie jene für die Aufnahme von Immigranten, die Brüssel gesondert leistet. Während viele Italiener Renzis Vorgehen für gerechtfertigt und patriotisch hielten, schrillten in Brüssel die Alarmglocken. Sollte das etwa der Anfang vom Ausstieg Italiens aus der EU sein?
    Der hektische italienische Wahlkampf mit seiner Parole "Italien steht am Abgrund" sorgte für einen brüsken Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten. Der Zinsaufschlag für italienische Anleihen stieg innerhalb der letzten zwei Monate von 138 auf 176 Punkte. Italiens Hauptproblem ist der immense Schuldenberg von 2,23 Billionen Euro; das bedeutet einen Schuldendienst von jährlich etwa 70 Milliarden Euro. Die Befürworter der Verfassungsreform sprachen bereits von einem drohenden Abgrund, sollte das Nein überwiegen. Finanzminister Pier Carlo Padovan versuchte zu beruhigen.
    "Ich bin ständig bestrebt, Italiens Ruf zu verteidigen, vor allem im Ausland. Dass der Wahlausgang des Referendums etwas mit der Stabilität der Finanzmärkte zu tun haben soll, das stammt garantiert nicht von mir. Das behaupten die Investment-Banken schon seit mehreren Wochen."

    Allerdings hatte Padoan selbst das Votum für die Reform an große wirtschaftliche Erwartungen geknüpft und damit wohl die Angst vor einem Nein auf den Finanzmärkten eher geschürt.
    "Der Grund, warum ich die Verfassungsreform unterstütze ist, dass sie der italienischen Wirtschaft enorme wirtschaftliche Vorteile bringen wird. Scheitert sie, dann werden wir eine wichtige Gelegenheit verpassen unsere strukturellen Probleme zu lösen."
    Blick vom Mailänder Dom aus auf die Skyline von Mailand mit dem Finanzviertel Porta Nuova.
    Skyline von Mailand mit Blick auf das Finanzviertel Porta Nuova. (picture alliance/dpa/Daniel Kalker)
    Wahlrechtsänderung sollte Regierung mehr Macht geben
    Von denen hat Italien tatsächlich genug. Einer der Hauptgründe für Renzis Niederlage ist die Tatsache, dass es auch ihm trotz aller Versprechungen nicht gelungen ist, den Schuldenberg abzubauen, die Verwaltung zu entschlacken, eine Verschärfung des Strafrechts etwa bei Korruption und eine strengere Verfolgung von Steuersündern durchzusetzen. Die Hinterziehung von Steuern beläuft sich in Italien nach vorsichtigen Schätzungen auf mehr als 200 Milliarden Euro jährlich. Auch das organisierte Verbrechen schlägt mit vielen Milliarden zu Buch.
    Die Misswirtschaft der Banken, die etwa 200 Milliarden Euro an faulen Krediten in ihren Büchern stehen haben, begleitete wie ein Schatten die fast dreijährige Amtszeit von Matteo Renzi. Immer wieder hat sich gezeigt, dass seine Regierungskoalition, in der auch einstige Vertraute von Ex-Ministerpräsident Berlusconi mehrheitsentscheidend sind, zu schwach war, um den Lobbyisten im Lande Paroli zu bieten. Vielleicht Renzis wichtigstes, wenn auch nie ausgesprochenes Argument für die Verfassungsreform.
    Mehr Macht für eine Regierung, die sie erhalten sollte durch das mit dem Referendum verknüpfte geplante neue Wahlrecht mit dem Namen Italicum. Es sah vor, dass eine Partei mit mehr als 40 Prozent der Wählerstimmen automatisch eine 65-Prozent Mehrheit im Parlament erhalten sollte. Unterhalb der Hürde hätte eine Stichwahl zwischen den zwei stärksten Parteien entscheiden sollen. Und das sei der Haken, sagte der Verfassungsrechtler Gustavo Zagrebelsky. Eine Partei mit am Ende nur 25 Prozent Wählern hätte eine viel größere Macht erhalten.
    "Diese Partei darf dann fünf Jahre lang regieren. Das ist für mich keine Demokratie. Es ähnelt vielmehr dem, was Jean Jacques Rousseau einmal über die Engländer gesagt hat. Sie glauben, sie seien frei, aber das sind sie nur in dem einen Augenblick, in dem sie ihren Stimmzettel abgeben."
    Renzis Partei ist nach der Wahlschlacht zerrissen
    Matteo Renzi hoffte nach einem Sieg beim Referendum auf mehr Zuspruch bei den Wählern. Mit der Reform und dem neuen Wahlrecht ging es ihm wohl vor allem auch darum eine Machtübernahme durch die Fünf–Sterne-Partei zu verhindern. Doch seine eigene Partei ist nach der Wahlschlacht zerrissen und die Reformgegner, allen voran Pier Luigi Bersani, Renzis Vorgänger im Parteivorsitz, hatten immer wieder gewarnt, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte. Die Reform hätte nicht nur Renzis Traum vom uneingeschränkten Regieren erfüllt sondern auch den Populisten Tür und Tor öffnen können.
    "Viele Wähler haben sich längst von uns abgewendet. Wollen wir dieses Problem nicht endlich zur Kenntnis nehmen. Ich sage das, weil ich verhindern will, dass uns die Rechten eines Tages überrollen.
    Das Nein kam aus unterschiedlichen Ecken
    Besonders die Fünf-Sterne-Bewegung rückte den Sozialdemokraten gefährlich auf den Pelz, was nach dem Sieg bei den römischen Kommunalwahlen deutlich wurde.
    Feiern in Rom: Die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung nach der Kommunalwahlen in Italien. 
    Feiern in Rom: Die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung (dpa / picture alliance / Alessandro Di Meo)
    Zurück bleibt ein Scherbenhaufen, vor allem in Renzis Partei, aber auch im Parlament. Ganz abgesehen von der Frage der Bildung einer neuen Regierung und den jetzt wohl unumgänglichen Neuwahlen. Ein Jahr lang waren wegen des anstehenden Referendums viele wirkliche Probleme auf Eis gelegt. Im Parlament stauen sich die Gesetzesvorlagen.
    Sicher wäre für Italiens und auch Europas Stabilität ein Sieg Renzis bequemer gewesen. Und es ist unvermeidlich, dass sich nun die Populisten jeder Couleur die Hände reiben, Neuwahlen fordern und hoffen, endlich ein saftiges Stück vom künftigen Regierungskuchen abzubekommen. Aber das überwältigende Nein gegen Renzi ist nicht automatisch ein Ja, mit dem nun einer Fünf-Sterne-Partei oder anderen EU-Kritikern die Tür geöffnet wird.
    Das Nein kam aus zu vielen unterschiedlichen Ecken, wie etwa auch von den Linken bei Renzis Sozialdemokraten. Die Gegner der Reform haben immer wieder betont, dass das Votum eine rein italienische Angelegenheit sei. Nicht zu vergleichen mit Brexit oder der Wahl von Donald Trump. Und es scheint, dass auch die Finanzmärkte das vorläufig genauso sehen.
    Die befürchteten Kurseinbrüche an den Börsen blieben aus. Alles hängt jetzt davon ab, wie schnell eine neue Regierung die Geschäfte übernimmt, um den Haushalt zu verabschieden. Im Gespräch als Nachfolger von Renzi war heute der Finanzminister Pier Carlo Padoan. Sicherlich der richtige Mann um die Finanzmärkte auch weiter zu beruhigen.