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Italien nach dem Wahlkampfabschluss
Mit geballter Faust in die Wahlkabine

Im italienischen Wahlkampf versuchten die Kandidaten entweder den Bauch oder das Hirn der Italiener anzusprechen, aus unterschiedlichen Lagern, mit unterschiedlichen Mitteln. Dennoch, das Ergebnis scheint so kurz vor der Wahl immer noch so ungewiss, wie die Wähler ratlos.

Von Jan-Christoph Kitzler | 03.03.2018
    Ein Passant geht an einer Wand mit Wahlplakaten in Mailand vorbei. Italien wählt am 4.3.2018 ein neues Parlament.
    Wahlen in Italien (picture alliance / Miguel Medina)
    "Oh mein Gott, zeig mir den Weg", das wird sich an diesem Sonntag wohl so mancher Wähler auf dem Weg in die Wahlkabine denken. Mit mehreren Großveranstaltungen war der Wahlkampf zuende gegangen, aber ob das an der Ratlosigkeit vieler Wähler noch etwas geändert hat?
    Beppe Grillo hat den Anhängern der Fünf Sterne-Bewegung noch einmal in Rom eingeheizt. Zuvor hatte Luigi di Maio, der sich mit seinen 31 Jahren für das Amt des Ministerpräsidenten bewirbt, seine Regierungsmannschaft vorgestellt:
    "Heute habt ihr eine Regierungsmannschaft für Italien kennengelernt, die es von 2018 bis 2023 geben kann. Das hängt allein von den italienischen Bürgern ab. Wir glauben, dass wir die richtigen Personen an den richtigen Ort gebracht haben. Erlaubt ihr uns, dass wir Montag anfangen können, diese Minister einzusetzen und anfangen, die Dinge wirklich zu verändern."
    Keine Koalitionspartner in Sicht
    Ob es dazu kommt, ist mehr als fraglich: zwar könnten, glaubt man den letzten Umfragen, die Fünf Sterne als stärkste Partei ins Parlament einziehen, aber Koalitionspartner sind weit und breit nicht in Sicht. Regierungsfähige Mehrheit? Unwahrscheinlich. Am nächsten kommt der vielleicht Silvio Berlusconi, der als letzter im Programm der staatlichen RAI noch einmal seine Versprechen ausbreiten durfte: Flat Tax und die Abschaffung von Abgaben für alle, 1.000 Euro Grundeinkommen für Alte, Arme, Arbeitslose, Jobs für die Jungen. Und allen Wählern, die seine vielen Skandale vergessen haben und ebenso, dass er als Regierungschef Italien Ende 2011 an den Rand des Abgrunds geführt hat, sagte er noch das:
    "Die oberste Moral der Politik ist es, die Verpflichtungen, die man im Wahlkampf gegenüber den Wählern eingegangen ist, einzuhalten. Da darf es keinen Zweifel geben."
    Keinen Zweifel gibt es daran, dass auch Berlusconi am Ende nicht Italiens Ministerpräsident wird. Ein politisches Amt darf er als verurteilter Steuerhinterzieher nicht bekleiden. So will er, sollte es für sein Mitte-rechts-Bündnis reichen, Antonio Tajani vorschicken, den Präsidenten des Europaparlaments, und selbst im Hintergrund Regie führen, wie er sagt. Matteo Renzi hat da deutlich größere Ambitionen. Er will regieren, auch um den Beweis anzutreten, dass er in seinen fast drei Jahren als Italiens Ministerpräsident das Land vorangebracht hat.
    "Die echte Nachricht ist, dass Italien angesichts dieser Krise, die uns heimgesucht hat, wieder in Gang gekommen ist. Was tut man, damit das weitergeht? Denkt man sich ein Grundeinkommen aus? Oder eine Flat Tax? Hört zu, davon wird nach dem 5. März keine Rede mehr sein. Es wird keine Flat Tax geben, so wie der Schnee schmilzt, wird sich das in Luft auflösen."
    Dümpeln bei 20 Prozent
    Renzis Problem ist allerdings, dass Paolo Gentiloni, der amtierende Ministerpräsiden populärer ist als er, und vor allem: dass sein Partito Democratico bei knapp über 20 Prozent zu dümpeln droht, wie die SPD in Deutschland. Und weil Silvio Berlusconis Forza Italia noch schwächer abschneiden könnte, wird es wahrscheinlich noch nicht einmal zu einer GroKo all’Italiana reichen. Für eine der absurdesten Szenen im Wahlkampf-Endspurt, sorge aber Matteo Salvini, der mit der Lega Nord, die lange Jahre für Hetze auf den Süden und für die Abspaltung Norditaliens stand, nun ganz Italien erobern will. Der Lega werden keine 15 Prozent zugetraut, trotzdem leistete Salvini, vor dem Mailänder Dom, quasi schon mal den Amtseid:
    "Vor Euch verpflichte ich mich und schwöre meinem Volk, den 60 Millionen Italienern treu zu sein, Euch mit Ehrlichkeit und Mut zu dienen. Ich schwöre wahrhaft anzuwenden, was von der italienischen Verfassung vorgesehen ist, die von einigen ignoriert wird. Und ich werde die Inhalte dieses heiligen Evangeliums respektieren. Ich schwöre – schwört Ihr mit mir zusammen?"
    So versuchten die einen vor dieser Wahl den Bauch, die anderen das Hirn der Italiener anzusprechen. Fest steht eigentlich nur, dass viele der fast 51 Millionen Wahlberechtigten mit geballter Faust in der Tasche in die Wahlkabine gehen werden.
    Und was dabei herauskommt ist nach Lage der Dinge völlig offen.