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CDU-Politiker Voss
Feindbild der Netzaktivisten im Europawahlkampf

Die EU-Urheberrechtsreform polarisiert, ebenso wie der mögliche Einsatz von Upload-Filtern. Axel Voss ist einer der Befürworter der Reform. Der CDU-Europaabgeordnete sieht sich in seinem Wahlkampf vielen Anfeindungen ausgesetzt - bis hin zu Morddrohungen.

Von Moritz Küpper | 26.04.2019
Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss
Wird von vielen Internetaktivisten angefeindet: Der CDU-Europapolitiker Axel Voss (imago stock&people)
Hier muss Axel Voss nichts befürchten. Ein Restaurant im Kölner Stadtteil Lindenthal, ein bürgerliches Viertel, eine CDU-Hochburg. Voss, 56 Jahre alt, Jurist, seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, ist zu einer Wahlkampf-Veranstaltung gekommen. Trotz eines plötzlich einsetzenden Starkregens, trotz Osterferien und trotz großer Konkurrenz an dem Abend durch das DFB-Pokal-Halbfinale, sind fast 50 Menschen gekommen, vor allem CDU-Mitglieder, sitzen hinter ihren Weingläsern, Kölsch-Stangen oder Apfelsaft-Gläsern.
Die umstrittene Gas-Pipeline North Stream 2, die Sorge um die Abschaffung des Bargelds, die Energieversorgung, aber auch eine weitere EU-Erweiterung – das sind die Fragen der Gäste – doch Voss selbst, hat auch noch ein Thema:
"Jetzt regen sich alle über sogenannte Upload-Filter auf, die eigentlich gar nicht mal im Text stehen."
Hassfigur und Morddrohungen
Die Diskussion um die sogenannten Upload-Filter, die mittlerweile beschlossene "Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt", wie es offiziell heißt, wurde in den letzten Monaten zu einem Kampf um die Freiheit des Netzes umgedeutet, war das wohl umstrittenste Gesetz der ausgehenden Legislaturperiode des EU-Parlaments – und Voss, der zuständige Berichterstatter, wurde für viele Gegner der Reform zu einer Hassfigur, bekam sogar Morddrohungen.
"Also, bei jeder Podiumsdiskussion, die ich bislang mitmache und auch bei dem Vandalismus an den Plakaten stelle ich schon fest, dass hier auch dieses Urheberrecht, der Artikel 13 oder jetzt eben 17, durchaus noch eine Rolle spielt.
Nicht so im bürgerlichen Köln-Lindenthal. Gut zwei Stunden hat Voss mit seinen Parteifreunden diskutiert, steht nun neben der Besteckausgabe des Restaurants. Eigentlich plätschert der Europa-Wahlkampf bisher eher unaufgeregt vor sich hin – Osterferien, der Wahl-Termin noch fast einen Monat hin. Doch die Person Voss polarisiert: In Köln beispielsweise, wurden zu Wochenbeginn, eine zweistellige Zahl von CDU-Wahlplakaten entfernt oder besprüht. Die Täter verpassten Voss in schwarzer Farbe ein Anarchisten-"A" und den Slogan "Nie mehr CDU".
"Es ist schwierig, ich versuche das insbesondere nicht zu sehr an mich ranzulassen, ich versuche aber auch, der Familie nicht alles zu erzählen, was dort vorkommt oder was dort geschrieben wird."
Verzögerte Abstimmung im Parlament befeuert das Thema
Ursprünglich hatte Voss gedacht, spiele das Thema im Wahlkampf keine Rolle mehr. Doch weil die Abstimmung sich immer weiter verzögerte, rückte das Thema immer mehr an den Wahltermin heran:
"Es ist schon schwierig, weil es ja eigentlich um eine Sachfrage geht, die aber so hochemotional da drauf reagiert wird, wo sie ganz zu Recht sagen, da sind Grenzen überschritten, es gibt eine Verrohung in diesem ganzen Zusammenleben oder auch diskutieren. Der politische Diskurs als solches findet nur wenig statt."
Voss weiß, dass auch Anzeigen in dem Fall fast immer ins Leere laufen. Die Schlacht um das Urheber-Recht, wie Voss die Diskussion nannte, sie ist also nun in den Wahlkampf geschwappt.
"Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass diese Anonymität aus dem Internet, wo man durchaus mal Sachen von sich gibt, die man vielleicht so im realen Leben gar nicht sonst sagen würde, dass das aber hinsichtlich der Plakate irgendwie sich schon überträgt, anscheinend in das reale Leben. Es ist traurig, muss auch nicht sein, wird auch der Sache überhaupt nicht gerecht, aber es ist im Moment leider Realität."
"Es hat schon Aggressivität angenommen."
Auch Felix Spehl, 21 Jahre, Jurastudent und Kreisvorsitzender der Jungen Union Köln ist an diesem Abend gekommen, hat Voss zugehört. Doch: Wie ist das für die Wahlkämpfer, gerade auch für die Jungen, das Gesicht der Upload-Filter-Debatte als eigenen Kandidaten zu haben?
"Es gibt natürlich bei uns welche, die sagen: Das mit den Upload-Filtern ist ein großes Thema für mich, aber in ganz Deutschland ist es ja vor allem eine Wahl für oder gegen Europa. Und: Wir haben ja Landeslisten-Prinzip, das heißt, wir haben ja auch keinen direkten Wahlkreis-Kandidaten. Axel Voss ist unser Kandidat, aber es geht ja natürlich auch bei den Leuten, die sagen, wir haben, ja, ein bisschen Schwierigkeiten mit dem Thema Upload-Filter, sie sehen trotzdem ein, dass das Thema Europa, die EVP, so ein großes Thema ist, dass sie sagen: Ich mache trotzdem Wahlkampf für Axel Voss."
Durchaus ein Problem im Wahlkampf
Wer sich den vergangenen Wochen und Monaten in der Kölner, aber auch der NRW-CDU umgehört hat, bekommt dennoch hier und da zu hören, dass es ein Problem im Wahlkampf ist. Das weiß natürlich auch der Kandidat. Doch Voss fühlt sich weiterhin unterstützt:
"Bei den jungen Menschen gibt es durchaus die, die etwas kritisch mit dieser Frage umgehen, nicht alles vielleicht verstanden haben oder da nochmal nachfragen, aber grundsätzlich ist auch da eigentlich der Zusammenhalt zu spüren und deshalb gehen wir da jetzt auch als Gesamt-CDU, ob jetzt junge Teile, alte Teile sozusagen davon, gehen wir gesamt auch in diesen Wahlkampf rein."
Und: Alles hat ja auch immer zwei Seiten. Voss – noch immer neben dem Besteck stehend – lacht, wenn auch etwas gequält:
"Ich kann im Moment in der Tat sagen, glaube ich, was die Bekanntheit betrifft, wenn man es jetzt etwas auf die Spitze treibt: Der weltbekannteste Europa-Politiker zurzeit zu sein."