Aus den Feuilletons

Wie Demokratien sterben

Ansicht des leeren Plenarsaals der Nationalversammlung in Paris
Bricht das Zeitalter des Demokratiesterbens an? Die Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt haben Kriterien entwickelt, die einen angehenden Autokraten auszeichnen. © dpa / MAXPPP / Le Pictorium /Julien Mattia
Von Adelheid Wedel · 10.08.2018
Die Freiheit gerät zunehmend in Gefahr: Die Politologen Levitzky und Ziblatt analysieren, wie es dazu kommen konnte, dass Donald Trump im Weißen Haus sitzt, während Kirchenvertreter die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf kritisieren.
"Freiheit in Gefahr" – das klingt wie ein Hilferuf, ausgesendet von zwei US-amerikanischen Politikwissenschaftlern. Die Tageszeitung taz informiert über deren aktuelles Buch "Wie Demokratien sterben". Steven Levitsky und Daniel Ziblatt entwickeln darin vier Kriterien, "die einen angehenden Autokraten auszeichnen. In ihrem Buch analysieren sie, was gegenwärtig in den USA mit der Demokratie passiert und mit welchen Mitteln Trump beständig versucht, diese zu attackieren."
Sie untersuchen auch, wie es dazu kommen konnte, dass Trump überhaupt zur Wahl aufgestellt werden konnte, und kommen zu dem Schluss: "Die Parteiwächter haben 2015 in allen entscheidenden Augenblicken versagt." Zu ihrer Analyse der Geschehnisse in den USA jetzt, sagen die Politikwissenschaftler, "sie wissen, dass ähnliches Verhalten andernorts Vorboten demokratischer Krisen waren." Immer gehe es um die schrittweise Aushebelung demokratischer Institutionen auf dem Weg zur Macht.
Sie sehen das Schiff "Iuventa" der Nichtregierungsorganisation Iuventa Jugend rettet (undatierte Aufnahme).
Das private deutsche Rettungsschiff "Iuventa"© dpa-Bildfunk / IUVENTA Jugend Rettet e.V.
Ebenfalls in der taz lesen wir von einer demokratischen Aktion in Deutschland: Drei Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags haben aus "Anlass der aktuellen Flüchtlingspolitik der Europäer" eine Petition initiiert, die innerhalb von fünf Wochen von 100.000 Personen unterschrieben wurde.

"Erst stirbt der Mensch, dann das Recht"

Die Initiatoren – Beatrice von Weizsäcker, Sven Giegold und Ansgar Gilster - setzen sich "für eine christliche, menschenrechtliche und solidarische Flüchtlingspolitik in Europa ein". In der Petition unter dem Namen "Erst stirbt der Mensch, dann das Recht" heißt es unter anderem:
"Es ist völkerrechtswidrig, Menschen in Seenot nicht zu retten. Es ist unverantwortlich, Menschen monatelang in Lagern festzuhalten, andere Staaten für die Abwehr von Flüchtlingen zu bezahlen und gefährliche Herkunftsstaaten für sicher zu erklären." Drei leitende Geistliche der evangelischen Kirche – Bischöfin Ilse Junkermann, Präses Manfred Rekowski und Bischof Heinrich Bedford-Strohm - gehören inzwischen zu den Unterzeichnern, ebenso der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Neuer Roman von Michael Ondaatje: "Kriegslicht"

Ein neues Wort schnappen wir in der Beilage der WELT auf: "Literatur-Quickie." Von einem Schnell-Durchlauf in Sachen Literatur kann aber keine Rede sein. In einem ausführlichen Interview kommt Michael Ondaatje zu Wort, der sich ein Vierteljahrhundert nach seinem Weltbestseller "Der englische Patient" mit dem neuen Roman "Kriegslicht" zurückmeldet.
Der Schriftsteller Michael Ondaatje bei der Verleihung des "Golden Man Booker"-Preises, den er für seinen Roman "Der englische Patient" erhalten hat. Der Golden Man Booker Prize wurde zum 50. Jubiläum des alljährlich verliehenen "Man Booker"-Preises vergeben.
Der Schriftsteller Michael Ondaatje bei der Verleihung des "Golden Man Booker"-Preises, den er für seinen Roman "Der englische Patient" erhalten hat.© picture alliance / Photoshot / Justin Ng
Wieland Freund fragt ihn gründlich zum neuen Werk aus, und fragt den in Kanada lebenden Schriftsteller auch nach seiner Meinung zum Geschehen im Nachbarland. Ondaatjes dazu: "Die politische Entwicklung dort ist verheerend, absolut verheerend. Amerika ist so mächtig und so nah. Und nichts, was dort geschieht, ist logisch. Das ist das Problem."

Literatur satt

Der Blick in die Wochenendausgaben ermöglicht ein virtuelles Treffen mit einem weiteren knappen Dutzend Gegenwartsschriftstellern: Der TAGESSPIEGEL rezensiert den neuen Roman von Wolf Wondratscheks "Selbstbildnis mit russischem Klavier", taz und WELT beschäftigen sich mit Maxim Billers "Fragen an den Tod seines Großvaters" im Roman "Sechs Koffer", Marko Martin stellt in der literarischen WELT den "gerade angesagtesten Schriftsteller Argentiniens", Marcelo Figueras, vor, das gleiche Blatt druckt einen Text, entnommen einem Essayband, von David Foster Wallace ab.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erinnert an den viel zu früh verstorbenen chilenischen Dichter Roberto Bolano und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erzählt von der nigerianischen Schriftstellerin Ayobami Adebayo und ihrem "berührenden Familienroman" "Bleib bei mir". In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist der russische Schriftsteller besorgt, wenn er an die Jugend in seinem Heimatland denkt.
Der russische Bestseller-Autor und Journalist Dmitry Glukhovsky spricht in ein Mikrofon. 
Der russische Bestseller-Autor und Journalist Dmitry Glukhovsky© privat
"Die alten Säcke an der Macht", so Glukhovsky, "machen sich nicht die Mühe, die neue Welt vorauszuahnen. Man ersetzt die Zukunft durch die Vergangenheit, gründet Pseudo-Pionier- und Pseudo-Komsomol-Organisationen. So ist es einfacher für Putin: Kinder, die in die Vergangenheit abgeschoben werden, drängen ihn nicht in die Zukunft".
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