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Italien
Rom fordert eine internationale Flüchtlingspolitik

170.000 Flüchtlinge hat die EU alleine 2014 aufnehmen müssen - allen voran Italien. Nun fordert das Land die Errichtung von Lagern, Kontrollen in Afrika sowie eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf Europa. Außerdem müssten die Rettungshilfen im Mittelmeer verstärkt werden.

Von Karl Hoffmann | 24.03.2015
    Ein überfülltes Boot mit Flüchtlingen aus Afrika schwimmt vor der italienischen Insel Lampedusa.
    Flüchtlinge aus Afrika vor der italienischen Insel Lampedusa (picture alliance / dpa / Ettore Ferrari)
    Gestern sind in Karthum, der Hauptstadt des Sudan, fünf Brüder und Schwestern aus Syrien in einem Flugzeug aus Damaskus gelandet, der jüngste von ihnen ist zwölf und heißt Moustafa. Derzeit irren sie durch die afrikanische Großstadt und versuchen, Schlepper zu finden, die sie nach Libyen bringen.
    Nicht nur ein lebensgefährlicher Ort für Flüchtlinge, sondern auch Grund für die tiefe Besorgnis in den Ländern der EU, die alleine im vergangenen Jahr 170.000 Flüchtlinge aufnehmen mussten, allen voran Italien. In Rom herrscht Alarmstufe Rot: Wenn das Wetter besser wird, dann droht eine massenhafte Ankunft von Flüchtlingen aus Libyen, wo es keinerlei Kontrolle mehr gibt. Schon vor zwei Wochen drängte deshalb der italienischen Innenminister Angelino Alfano, allerdings weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit
    "Wir müssen unbedingt die Lage in Libyen stabilisieren und dazu brauchen wir eine gemeinsame internationale Politik."
    In Rom herrscht Alarmstufe Rot
    Und weiter:
    "Wir sollten endlich Flüchtlingslager in Afrika einrichten, wo die wir dann Kontrollen durchführen werden. Wer Anrecht auf Asyl aus humanitären Gründen hat darf weiter nach Europa, wer kein Anrecht darauf hat, muss bleiben wo er ist."
    Diejenigen - so Alfano weiter - die nach Europa dürften, müssten dann auf alle Länder der EU nach einem gerechten Schlüssel verteilt werden. Das war der erste Vorstoß Italiens, Bewegung in die erstarrte europäische Flüchtlingspolitik zu bringen, während es an den Außengrenzen immer mehr gärt. Der zweite Vorstoß kam Mitte vergangener Woche von Federica Mogherini, der EU Außenbeauftragten. Libyen müsse an oberster Stelle auf der Tagesordnung der Beratungen stehen:
    "Seit elf Jahren haben die europäischen Außenminister keine gemeinsame Flüchtlingspolitik mehr betrieben. Es ist höchste Zeit dass wir uns endlich damit befassen. Wir müssen dringend über die Lage in Afrika reden, und zwar nicht nur über die Konflikte, die uns im Augenblick am meisten Sorgen bereiten, sondern auch über Partnerschaft auf politischer Ebene."
    Massenansturm von Flüchtlingen verhindern
    Ziel sei es, die Lage in den Krisenländern so zu verbessern, dass die Menschen von dort nicht mehr fliehen müssten. Den dritten Vorstoß unternahm schließlich Italiens Außenminister Paolo Gentiloni, für den die Hilfsmaßnahmen zur Rettung von Menschenleben auf dem Meer wieder verstärkt werden müssen:
    "Die EU hat zwar recht schnell reagiert mit der Aktion Triton unter der Leitung der Grenzschutzagentur Frontex, aber es muss noch mehr geschehen. Und ich habe das Gefühl, dass Europa bereit ist zu handeln, allerdings wissen wir auch, dass nicht alle EU-Länder bei Frontex und Triton mitmachen wollen."
    Um die zögerlichen Partner zu mehr Engagement anzuregen, hat das italienische Außenministerium Ende vergangener Woche schließlich ein inoffizielles Papier in Brüssel kursieren lassen, in dem neue Vorschläge zur Verhinderung eines befürchteten Massenansturms von Flüchtlingen gemacht werden.
    Nach der Installierung von Flüchtlingslagern sollten Libyens Nachbarstaaten Ägypten und Tunesien vor Libyen die Seekontrolle übernehmen. Angeblich, um Flüchtlinge besser retten zu können, aber auch um sie zurückzubringen und natürlich nicht nach Europa weiterfahren zu lassen. Dafür sollte die EU großzügige finanzielle Hilfe leisten.
    Es geht auch um die Sicherheit Europas
    Seit dem Attentat in Tunis vergangene Woche hofft Italien, dass nun endlich eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik in Gang kommt. Denn nun gehe es nicht mehr nur um humanitäre Fragen, sondern auch um die Sicherheit Europas, so der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi:
    "Der Terrorismus ist zu einer weltweiten Bedrohung geworden, wir müssen uns deshalb etwas mehr auf das Mittelmeer konzentrieren."
    Für die fünf syrischen Geschwister auf ihrer Flucht vom Sudan Richtung Libyen werden all diese Maßnahmen zu spät kommen. Sie müssen auf eigene Faust versuchen, den Weg durch die Wüste, zwischen den Kämpfen in Libyen und schließlich auf dem Schlauchboot übers Mittelmeer lebend zu überstehen und können nicht einmal darauf hoffen, nach ihrer Odyssee in Europa aufgenommen zu werden.