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Italien
Umstrittene Wende zurück zum Erdöl

Sizilien braucht Geld - und das soll nach dem Willen der Regionalverwaltung auch von Lizenzgebühren aus Bohrgenehmigungen kommen. Ein völlig falscher Weg, kritisieren Umweltaktivisten. Gerade als sonnenverwöhntes Land müsse Italien mehr auf erneuerbare Energiequellen setzen.

Von Karl Hoffmann | 08.12.2014
    Küstenlandschaft auf Sizilien
    Nicht nur Umweltschützer fürchten, dass Siziliens Küste bald mit Bohrinseln gespickt sein könnte. (Imago)
    Licata ist ein kleines verschlafenes Städtchen an Siziliens Südküste. Mit herrlichem Blick auf das in der Sonne glitzernde Meer. Doch diesen freien Blick werden demnächst Bohrinseln verstellen. Die Bewohner haben schon jetzt Angst vor möglichen Gesundheitsschäden:
    "Ein Desaster für unsere Umwelt. Und die Politiker verschweigen uns natürlich die Wahrheit. Was wenn die Bohrungen das Wasser vergiften und wir später mal an Krebs erkranken? Warum nur produzieren wir keine Sonnenenergie, wie in Nordeuropa, wo es kaum Sonne gibt, während hier bei uns ... "
    Die Regierung in Rom will zusammen mit der sizilianische Regionalverwaltung zu den bisherigen fünf Bohrinseln vor der sizilianischen Küste weitere zehn genehmigen, ebenso zahlreiche Bohrungen an Land. Sizilien hat ein Defizit von vier Milliarden Euro. Die Bohrgenehmigungen sollen viel Geld bringen, so Rosario Crocetta, Gouverneur von Sizilien:
    "Wir haben eine für Sizilien sehr vorteilhafte Vereinbarung mit mehreren Bohrfirmen geschlossen, die bereit sind, ihren Firmensitz hierher zu verlegen. Das bringt zwischen 350 und 500 Millionen Euro an Einnahmen pro Jahr."
    Bisher hat Sizilien grade mal 1,7 Mio Euro an Lizenzgebühren aus einem halben Dutzend bereits bestehenden Förderstellen. Um die angestrebten Mehreinnahmen von einer halben Milliarde Euro zu erreichen, müsste man die halbe Insel mit Bohrtürmen umstellen – die Rechnung geht nach Meinung von Giovanna Segreto nicht auf. Im Gegenteil, sagt die Agronomin, die im Umweltreferat der sizilianischen Regionalregierung arbeitet und mit Schrecken die italienische Wende zurück zum Erdöl beobachtet:
    "Das widerspricht doch dem internationalen Trend, vom Protokoll von Kyoto bis hin zur Politik der Europäischen Union, die darauf drängt, fossile Energiequellen einzuschränken und dafür immer stärker erneuerbare Energiequellen zu nutzen."
    Grade Sizilien sei dafür ideal: soviel Sonne! Die Insel könne halb Italien mit Energie versorgen, wenn, ja wenn nicht – wie sie findet - absurde Barrieren den Transport verhindern würden.
    "Unsere Hochspannungsleitungen haben nur eine beschränkte Kapazität und schaffen grade mal den Strom, den die konventionellen Kraftwerke produzieren."
    Mineralöl angeblich von schlechter Qualität
    Das führe zu aberwitzigen Situationen, erklärt Fabrizio Vasile, Giovanna Segretos Kollege, auch er ein führender Mitarbeiter im Umweltressort in Palermo.
    "Oft müssen Windkraftwerke oder Solaranlagen gestoppt werden. Wenn die mit Öl betrieben Kraftwerke zu viel produzieren, werden bei uns die alternativen Energieanalagen heruntergefahren."
    Und das sei nicht der einzige Grund, warum die neuen Bohrgenehmigungen eine nicht nachzuvollziehende Entscheidung sind. Vasile, von Beruf Chemiker, zitiert ein Gutachten über das in Sizilien geförderte Erdöl:
    "Das Mineralöl ist von so schlechter Qualität, dass man ähnliches Öl noch nirgendwo auf der Welt gefördert und genutzt hat."
    Vor allem der Schwefelanteil von 25 Prozent sorge dafür, dass Bohrgenehmigungen in Sizilien nur dann interessant sind, wenn die Lizenzgebühren - und damit die Einnahmen für die Insel – praktisch gegen null gehen, während das Risiko für die Umwelt enorm hoch sei, meint Fabrizio Vasile. Schon die Probebohrungen seien eigentlich nach Umweltgesichtspunkten unzulässig:
    "Da werden mit Pressluft Explosionen am Meeresgrund erzeugt, mit denen sich Ölvorkommen aufspüren lassen. Diese Detonationen sind verantwortlich für die neuerdings auftretenden Fischsterben und das Stranden zahlreicher Meeressäuger, die ihren Orientierungssinn verloren haben."
    Ganz zu schweigen von den dramatischen Folgen einer möglichen Ölpest im Kanal von Sizilien, fügt er an, einem einmaligen Ökosystem mit großem Artenreichtum und Küsten, die besser und lukrativer für den Tourismus genutzt werden könnten.