Donnerstag, 25. April 2024

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Jacques Berndorf
Fiktive Nachrichten aus "Preußisch-Sibirien"

Jacques Berndorf machte den Eifel-Krimi zum Erfolg. Doch zuvor hatte er bereits jahrzehntelang über das echte Leben geschrieben - als Journalist unter seinem Geburtsnamen Michael Preute.

Von Michael Borgers | 08.08.2017
    Krimiautor Jacques Berndorf alias Michael Preute sitzt am 30.09.2016 in seinem Arbeitszimmer in Dreis-Brück (Rheinland-Pfalz). Der "Eifel Krimi-Guru", der in 30 Jahren mehr als fünf Millionen Bücher zum Thema Mord und Totschlag verkauft hat, wird am 22. Oktober 80 Jahre alt. Foto: Harald Tittel/dpa (zu dpa-Text: "Mord-Serie in der Provinz: Eifelkrimi-Guru Jacques Berndorf wird 80" am 16.10.2016) | Verwendung weltweit
    Journalist gelernt, als Autor erfolgreich: Jacques Berndorf (dpa)
    Durch romantische Dörfer und Städte, vorbei an Wiesen und Wäldern, kurvenreich bergab und bergauf. Wer Michael Preute besucht, ist mittendrin - in seiner Welt, der Eifel. Wo Preute vor mehr als 30 Jahren als Journalist aufschlägt. Wo er bleibt und ein neues Leben beginnt.
    "Ich bin Jacques Berndorf, ganz eindeutig. Der Michael Preute ist sehr weit zurück. Er ist ein zweites Ich, aber er ist nicht besonders von Bedeutung."
    Für die Nachwelt, ergänzt er. Doch der Schriftsteller Jacques Berndorf, wie er sich selbst eines Tages nennt, wäre ohne den Journalisten Michael Preute nicht möglich gewesen.
    "Ich habe Geschichten einfach übertragen, aus dem Gestern ins Heute. Das war sehr einfach, manchmal, manchmal auch schwierig."
    "Ich wollte wissen, wie die Abgründe aussehen"
    Es sind Geschichten über Gewalt, über Mord und Totschlag, mit denen er Ende der 1950er-Jahre seine Karriere im Ruhrgebiet startet, als Volontär beim Duisburger General-Anzeiger.
    "Ich wollte wissen, warum machen Menschen sich kaputt? Oder warum machen Andere Menschen kaputt? Ich wollte wissen, wie die Abgründe aussehen."
    Antworten findet er zunächst an deutschen Gerichten, später im Ausland. Preute berichtet über die als Mörderin verurteilte Vera Brühne, den Einmarsch der Russen in die Tschechoslowakei, den Sechstage- und den Vietnam-Krieg. Schreibt lange Reportagen und Sachbücher. Wechselt immer wieder den Arbeitgeber, arbeitet festangestellt für den "Stern", die Illustrierte "Quick", leitet kurz das Verbrauchermagazin "DM". Bis er eines Tages feststellt:
    "Ich bin ein Einzelgänger, im Grunde genommen. Immer gewesen. Aber das zu begreifen, hat lange gedauert."
    Die nächste Erkenntnis dieser "wilden Jahre", wie er heute sie nennt:
    "Ich hatte Probleme mit dem Trinken, und zwar erhebliche. Ich bin Alkoholiker."
    Mitte der Siebziger ist Preute am Boden, muss in eine Suchtklinik, kehrt erst nach einer längeren Auszeit zurück als Journalist. Arbeitet dann wieder für große Blätter. Kommt so in die Eifel. Und bleibt. Preute schreibt über den bis dahin geheimen Regierungsbunker im Ahrtal bei Bonn, über die Zustände in Psychiatrien, über das einsame Leben alter Menschen.
    "Der Schriftsteller kam und er blieb"
    Und entwickelt parallel den Charakter seines Lebens: einen in der Eifel gestrandeten Journalisten, der Kriminalfälle löst.
    Kohler: "Hey Baumeister!"
    Baumeister: "Kohler? Was willst du? Mitten in der Nacht? Ich bin 38 und fühle den nahen Tod! Und außerdem hab ich Urlaub."
    Kohler: "Aber, das weiß ich doch alles, mein Junge. Es ist nur so, dass der Chef unbedingt dich will. Er weiß halt, was er an dir hat."
    Baumeister: "Es gibt Bessere…"
    Kohler: "Nicht für diese Sache. Es ist eher eine leise Geschichte. Und sie spielt irgendwo bei dir in der Gegend."
    Baumeister: "In der Eifel?"
    Kohler: "Ganz genau!"
    Eine Szene aus der Hörspielfassung von "Eifel-Blues", dem ersten Teil einer Reihe, die inzwischen 23 Bände umfasst, im Jahrestakt veröffentlicht unter dem Pseudonym Jacques Berndorf. Eine Reihe, in deren Geschichten immer wieder ganz Deutschland auf die Eifel blickt: Wo Bundeswehr-Soldaten, Politiker und Schüler sterben und ein Journalist die Fälle löst.
    Und auch im echten Leben rückt die Eifel mit dem wachsenden Erfolg der Reihe in den Fokus. Das einst als "Preußisch-Sibirien" verschriene Mittelgebirge wird zur ersten Krimi-Adresse des Landes - und zu seinem Gesicht der Autor mit den schlohweißen Haaren, Schnurrbart und der Pfeife im Mund. Seine Bücher und Hörbücher verkaufen sich millionenfach. Journalist ist er nur noch in ihnen.
    In der Eifel zur Bestimmung gefunden
    "‘Sieh es doch mal so‘, begann er erneut: ‚Da haben wir einen Mordfall, und du bist Journalist, du bist als Journalist bekannt, und zwar als guter Journalist. Oft haben wir beide zusammengearbeitet und du hast dich auf mich und mein Fachwissen berufen. Nun will dieses Fachwissen mal der Bundesnachrichtendienst, gegen Bezahlung. Und er fordert: ‚Den Baumeister lassen Sie aber mal schön raus!‘"
    Im vergangenen Jahr wird Michael Preute alias Jacques Berndorf 80 Jahre alt. Gerne hätte er seinen Lesern einen neuen Roman präsentiert. Doch das Schreiben ist ihm abhanden gekommen. Grund sei das Alter, bedauert er - und greift zu einer Zigarette, Marke "Reval", die vor ihm liegt. Auch die Pfeife schmeckt ihm nicht mehr.
    Und was bleibt sonst am Ende eines bewegten Autoren-Lebens? Er bereue es nicht, als Journalist gearbeitet zu haben und würde es wieder tun, betont Preute. Doch zur Ruhe und seiner Bestimmung habe er erst in der Eifel gefunden.
    "Die erste Etappe ging ganz schnell vorbei, ganz schnell, das war eigentlich kaum bewusst. Der Schriftsteller kam und er blieb. Kann man so sagen."