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Jäger: Obama braucht tragfähiges Verhältnis zu den Republikanern

Barack Obama hat sich gegen den Republikaner Mitt Romney durchgesetzt und ist als US-Präsident wiedergewählt worden. Jetzt käme es darauf an, dass er bei Gesetzesvorhaben im Repräsentantenhaus die Zustimmung der Republikaner bekomme, sagt der Politikwissenschaftler Thomas Jäger. In den vergangenen zwei Jahren sei ihm das nicht gelungen.

Thomas Jäger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 07.11.2012
    Wiedergewählt: Barack Obama
    Wiedergewählt: Barack Obama (picture alliance / dpa /Kevin Dietsch / Landov)
    Dirk-Oliver Heckmann: Barack Obama ist der alte und neue Präsident der Vereinigten Staaten. Das ist kurz und knapp das Ergebnis der Wahlen in der vergangenen Nacht. Bei mir im Studio weiterhin Professor Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln. Herr Jäger, Obama hat ja in seiner Ansprache ein paar Themen genannt, denen er sich vor allem widmen will. Da ist der Haushalt genannt worden, die Einwanderungspolitik, aber auch die Klimapolitik. Aber wie groß ist überhaupt Obamas Handlungsspielraum, denn im Abgeordnetenhaus gibt es ja weiterhin eine Mehrheit der Republikaner?

    Thomas Jäger: Der Handlungsspielraum ist so groß, wie er in den letzten zwei Jahren war. Wir haben einen geteilten Kongress, und für jedes Gesetzesvorhaben braucht er die Zustimmung beider Häuser. Das heißt, im Repräsentantenhaus muss er die Zustimmung der Republikaner finden. Und das ist Barack Obama in den letzten zwei Jahren eben nicht gelungen, auf die Republikaner, und zwar auch ganz konkret auf die republikanischen Führungspersönlichkeiten, im Repräsentantenhaus zuzugehen, mit ihnen ein persönliches Verhältnis aufzubauen, das dann eine Kompromisssuche überhaupt tragen würde, wo beide Seiten genug Glaubwürdigkeit in ihrer eigenen Partei haben, so einen Kompromiss vertreten zu können. Über das Haushaltsdefizit ist ja verhandelt worden, über die Verschuldungsgrenze ist verhandelt worden, das war alles ganz unschön, wie das ausging, sodass die Ratingagenturen, wenn Sie sich erinnern, zum Teil die Vereinigten Staaten herabgestuft haben. Hier muss der Präsident und muss seine Administration, aber er persönlich eben allen voran, wirklich viel Fantasie aufbringen, ein Verhältnis zu den Republikanern aufzubauen, das tragfähig ist.

    Heckmann: Was ist denn der Grund dafür, dass das bisher in der ersten Amtszeit ihm nicht gelungen ist, und was spricht dafür, dass es ihm jetzt besser gelingt?

    Jäger: Es spricht nichts dafür, dass ihm das besser gelingt. Das ist das Erschreckende an der Situation. Hier gibt es sozusagen Vorbehalte auf beiden Seiten. Man muss sehen: Die Republikaner haben eine Blockadepolitik betrieben. Sie haben gehofft, dass Barack Obama aufgrund seiner schlechten Wirtschaftsbilanz dann aus dem Weißen Haus ausziehen muss. Das ist nicht so gekommen, und Obamas Kalkül mag sein, dass er sagt, jetzt wissen sie, sie haben mich vier Jahre hier sitzen und jetzt müssen sie kompromissbereit werden. Wir wissen nicht, ob das so kommt, oder ob sie auf ihrer ideologischen Position beharren.
    Auf der anderen Seite ist es dem Präsidenten eben nicht gelungen, anders als etwa Bill Clinton, zu Führungspersönlichkeiten der Republikaner wirklich einen Draht aufzubauen, das heißt, mit ihnen ein Verhältnis zu haben, dass man auch mal außerhalb der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen einen Deal machen kann, den beide in ihren Parteien vertreten können. Das Verhältnis zu John Boehner ist zerrüttet. Und es entspricht auch nach allem, was man weiß, nicht der Persönlichkeit des Präsidenten, sich mit solchen Fragen zu befassen.

    Heckmann: Es kommt auf Obama an, aber es kommt auch auf die Republikaner an, haben Sie gerade eben betont. Wie werden die sich möglicherweise entwickeln? Werden die eher einen pragmatischen Kurs fahren, oder werden sie durch die Tea-Party-Bewegung weiter radikalisiert?

    Jäger: Das ist eine ganz wichtige Frage, die wir jetzt in den nächsten Wochen beobachten müssen. Denn aus der Niederlage lassen sich ja zwei Schlüsse ziehen. Der eine Schluss ist: Wir sind uns nicht treu geblieben, Mitt Romney ist im Wahlkampf dann am Ende doch in die Mitte gezogen, er hat an Glaubwürdigkeit eingebüßt, wir brauchen einen echten Konservativen das nächste Mal als Kandidat. Und die andere Position könnte sein: Wir müssen uns nun neue Wählerschichten erschließen. Es ist ja ganz deutlich, dass Obama mit großem Vorsprung die Hispanics etwa gewonnen hat, die die Republikaner noch unter George W. Bush für sich wenigstens im Verhältnis vier zu sechs gewinnen konnten. Aber ohne diese Gruppierung sind eine ganze Reihe von Staaten nicht mehr zu ziehen. Es ist ganz deutlich: Im Verhältnis von sechs zu drei hat Obama in urbanen Gebieten gewonnen. Er hat bei jungen Menschen gewonnen, etwas abgeschwächt dann bei Frauen. Und die republikanische zweite Reihe, die steht jetzt vor der Frage, welche Strategie schlagen wir denn ein, um in vier Jahren einen neuen Anlauf nehmen zu können.
    Mitt Romney ist jetzt aus dem Spiel. Ich glaube nicht, dass er noch großen Einfluss auf diese Entwicklung wird nehmen können. Jetzt sind Leute wie Chris Christie, Portman, vielleicht Marco Rubio und andere gefragt, die sich zusammentun müssen und überlegen müssen, in welche Richtung die Republikanische Partei sich entwickeln soll.

    Heckmann: Sie haben die Rolle der Hispanics angesprochen, die immer wichtiger werden, auch als Wähler, auch für die Republikaner. Erhöht das die Chancen, ganz kurz noch, dass wirklich eine Reform der Einwanderungspolitik, wie Obama sie ja anstrebt, kommen wird?

    Jäger: Das könnte ein Druck sein, hier ist eine Wählergruppierung. Wenn man bei den Hispanics in irgendeiner Weise reüssieren will, Erfolg haben will, dann wird man sich auf ein Einwanderungsgesetz einlassen müssen, und dann sind wir wieder genau in der Frage: Hält die Republikanische Partei das aus, oder bleibt sie bei ihrer ideologischen Position, die sie bisher eingenommen hat.

    Heckmann: Professor Thomas Jäger war das von der Uni Köln. Besten Dank für Ihre Einschätzungen.

    Jäger: Sehr gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.