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Jagdflieger Manfred von Richthofen 
Tod durch eine Zufallskugel

Manfred von Richthofen kämpfte im Ersten Weltkrieg als Jagdflieger und wurde wie kaum ein anderer zum Helden des Luftkampfes stilisiert. Am 21. April 1918, vor 100 Jahren, starb er - durch die Zufallskugel eines australischen Infanteristen.

Von Bernd Ulrich | 21.04.2018
    Porträt von Manfred von Richthofen.
    Der "Rote Baron" Manfred von Richthofen (picture-alliance / dpa)
    "Es sind eigentlich romantische oder idealisierte Vorstellungen, die wir vom Krieg, vom Luftkrieg haben. Und die Symbolfigur für diesen idealisierten Krieg ist die Person Richthofen."
    Der Historiker Joachim Castan, Autor eines Buches über den Jagdflieger, hat recht: Mehr als jeder andere stand Freiherr Manfred von Richthofen für die Idealisierung des Luftkampfes. Jedenfalls für den, der sich im Ersten Weltkrieg zwischen Jagdfliegern als eine Art Zweikampf entwickelte. Ritter der Lüfte wurden sie bald genannt. In Piloten wie Max Immelmann, Oswald Boelcke oder Manfred von Richthofen, dem bekanntesten von allen, nahmen sie Gestalt an. Sie boten den Menschen zuhause und an den Fronten eine Projektionsfläche der Identifikation. Joachim Castan:
    "Richthofen wurde systematisch zu einem Vorzeigehelden aufgebaut, also schon seit dem Jahre 1917. Der Grund dafür liegt darin, dass es ab 1917 auf der deutschen Seite eigentlich keine positiven Nachrichten mehr gab. Richthofen war sozusagen eine Erlöserfigur für demoralisierte deutsche Truppen."
    Tod durch einen Zufallstreffer beim Tiefflug
    Noch sein Tod am 21. April 1918 blieb lange Zeit umrankt von Legenden. Richthofen starb indessen nicht im Kampf zweier heldenhafter Dioskuren. Bei der Verfolgung eines Gegners im Tiefflug hatte ihn vielmehr die Zufallskugel eines australischen Infanteristen getroffen. Er schaffte es noch, seinen Dreidecker, der auch auf diesem letzten Flug in strahlendem Rot erschien, hinter den feindlichen Linien zu landen. Dort, nahe der kleinen Ortschaft Vaux-sur-Somme, fand Richthofen an diesem Apriltag im Alter von 25 Jahren den profanen Tod des Maschinenkrieges. In dem aber schlug der "Sensenmann", wie es in einem Feldpostbrief hieß, "ebenso wahllos zu wie eine Fliegenklatsche". Das durfte nicht sein. Schon im Telegramm des Geschwaderführers an den Vater des "toten Helden" hieß es:
    "In dem feierlichen Gelöbnis, den Kampf fortzusetzen, wie er ihn uns täglich zeigte, soll er für alle Zeiten als leuchtendes Beispiel kühnsten Jagfliegergeistes in uns weiterleben."
    Dabei hatte von Richthofen, wie Joachim Castan zu berichten weiß, vor allem eine Leidenschaft:
    "Und diese Leidenschaft war die Leidenschaft für die Jagd. Seit seinem elften Lebensjahr ging er mit seinem Vater auf die Jagd, um Tiere zu jagen. Und als er schließlich zur kaiserlichen Fliegertruppe gehörte, übertrug er diese Leidenschaft fast eins zu eins auf die Verhältnisse in der Luft."
    In dem 1917 unter Richthofens Namen publizierten, tatsächlich von einem Journalisten zusammengeschriebenen Erlebnisbuch "Der rote Kampfflieger" – bis Kriegsende wurde nahezu eine halbe Million Exemplare verkauft – hieß es:
    "Mein Vater macht einen Unterschied zwischen einem Jäger und einem Schießer, dem es nur Spaß macht, zu schießen. Wenn ich einen Engländer abgeschossen habe, so ist meine Jagdpassion für die nächste Viertelstunde beruhigt. Ich bringe es also nicht fertig, zwei Engländer unmittelbar hintereinander abzuschießen. Erst sehr viel später habe ich mich dazu überwunden und mich zum Schießer ausgebildet."
    Nationalsozialisten instrumentalisierten von Richthofen
    Man weiß nicht, was mehr frappiert: die Fähigkeit, die eigene Handlungsweise als die eines Schießers zu charakterisieren oder die schnöselige Überheblichkeit, sie vor aller Welt zu bekunden. Insgesamt 80 belegte Abschüsse schienen ihm nicht genug.
    Aber die Luftkämpfe im Ersten Weltkrieg dienten keinem Selbstzweck. Sie sollten in erster Linie den Stellungskrieg am Boden wieder in Bewegung bringen. Eine Grundvoraussetzung dafür aber bildete die Luftüberlegenheit, die von den Jagdflugzeugen in verlustreichen und erbarmungslosen Kämpfen herzustellen war. Dazu gehörten Mut und der Einsatz des Lebens - die richtigen Zutaten für die Stilisierung der Jagdflieger zu Helden des industrialisierten Krieges. Und leicht instrumentalisierbar für jeden politischen Zweck.
    Als Hermann Göring ein von der "Heldenmutter" Kunigunde von Richthofen initiiertes Museum eröffnete, erklärte er ihren Sohn kurzerhand zum Nationalsozialisten, - wie meist bei Göring mit vor Eigenrührung klebriger Stimme:
    "Manfred von Richthofen hat ein Leben gelebt, das das Idealleben eines Nationalsozialisten war. Er war im tiefsten Inneren Nationalsozialist. Er diente seinem Volk, er diente seiner Nation und bewies somit die Grundlage dieser Bewegung."
    Bis heute sind Straßen und Plätze in den Städten unserer Republik, ja, ganze Stadtteile nach Richthofen benannt. Und seit dem 43. Todestag Richthofens, am 21. April 1961, trägt auch ein Jagdgeschwader der bundesdeutschen Luftwaffe seinen Namen.