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Jahns "ist wirklich ein Kleinmeister"

Auch wenn es im Grunde genommen keinen deutschen Konstruktivismus gebe: Die Ausstellung von Zeichnungen Rodolf Jahns im Sprengel-Museum Hannover mache deutlich, dass der Künstler versucht habe, die Form als Form zu zeigen, sagt Christiane Vielhaber.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Beatrix Novy | 11.10.2012
    Beatrix Novy: Kurt Schwitters, Dada und Hannover, das ist eine bekannte Geschichte. Aber Schwitters war nicht allein, um ihn herum gab es in den 20ern einen Kreis von Künstlern, die sich im Dienste des Kunstfortschritts ein bisschen zusammengetan hatten. Sie nannten sich "die abstrakten hannover", einfach so, klein geschrieben natürlich. Einer von ihnen war Rudolf Jahns. Im Sprengel-Museum Hannover hat er jetzt eine Ausstellung, die ein eigenes Kapitel seines Werks beleuchtet, nämlich das grafische Gesamtwerk. Aber, Christiane Vielhaber, vielleicht erzählen Sie uns erst mal was über das nichtgrafische Gesamtwerk von Jahns, damit wir ihn kennenlernen.

    Christiane Vielhaber: Sie erwähnen jetzt gerade Kurt Schwitters. Jahns ist in Wolfenbüttel geboren, zieht dann mit seinen sehr bürgerlichen Eltern nach Braunschweig, wäre ganz gerne Architekt geworden, aber da waren die Eltern dagegen. Es war ein sehr musischer, musikalischer Haushalt oder eine Familie, in die er reingeboren wurde. Er zieht dann nach Holzminden und wird Beamter, er wird Zollbeamter und Finanzbeamter, ist sein Leben lang ein Amateur geblieben, der nie irgendwas studiert hat. Man weiß aus seiner Bibliothek, die er hinterlassen hat, dass er viel Literatur gelesen hat, dass er viele Kunstbücher gehabt hat, dass er sich für alles mögliche interessiert hat.

    Aber auch diese "abstrakten hannover", das war im Grunde genommen nicht sein Ding. 1927 lädt er Schwitters ein, nach Holzminden zu kommen, und es kommt auch zu einem Abend, wo Schwitters dann auftritt und auch Sachen zeigt. Aber Cesar Domela oder Carl Buchheister, die mit dazugehörten ... Rudolf Jahns war keiner, der solche Freundschaften pflegte, und man weiß auch aus dem, was er hinterlassen hat, das war alles nicht das, was er wollte.

    Seine Freundschaft zu Schwitters merkt man in dieser Ausstellung nur: Es gibt ein paar Collagen, wo sie auch Fahrscheine drin haben und dann aber, was Schwitters nicht hat, kleine Negative von Fotografien, also da hat er schon hingeguckt. Und wenn Sie durch die Ausstellung gehen, dann sehen Sie überall, wo er hingeguckt hat. Aber es wäre jetzt ganz falsch, ihn einen Epigonen zu nennen. Epigone ist man ja schnell, wenn man an irgendeiner Akademie ist, und dann ist man bei einem Professor und dann malt man eben wie Lüpertz oder man malt wie Kirkeby in Frankfurt. Das ist alles nicht der Fall. Er ist wirklich ein Kleinmeister und ich denke, manchmal hat das vielleicht auch mit dem Beruf zu tun.

    Novy: ... , der auch gemalt hat? Gemälde sind auch da?

    Vielhaber: ... , der auch gemalt hat. Ja, wir haben in Hannover auch einige Gemälde, die aber dann auf dem Flur sind, oder wir haben eins mal drinnen, wo die Zeichnungen und Skizzen und Linolschnitte sind, wo wir sehen, was das für eine Vorarbeit war für das Gemälde. Und wir erfahren aber auch, dass für ihn die Zeichnung eigentlich das viel wichtigere war. Bis so ein Gemälde entsteht, das zieht sich ja, und dann kann man verbessern. Aber in so einer Zeichnung, da muss der Strich sitzen.

    Novy: Das heißt, wenn das Museum sein grafisches Werk zeigt, dann geht es nicht um die Vorbereitung auf andere Kunstformen, nicht darum, dass das eine Vorarbeit fürs Gemälde ist, sondern das war ein Hauptteil seines Schaffens?

    Vielhaber: Absolut, Frau Novy. Das ist ein ganz eigenständiges Werk, diese Arbeiten auf Papier, was auch sehr hübsch zu sehen ist, und ich würde das jetzt nicht Collagen nennen. Aber es geht ja hier um die Linie, wo er dann zum Beispiel einen Faden nimmt und diesen Faden aufklebt, und dann finden Sie da eine Form, die finden Sie ganz früher auch jetzt schon gezeichnet, und das macht diese Ausstellung so deutlich, dass er eigentlich immer auf bestimmte Linien zurückgeht. Zum Beispiel das Runde ist immer das Weibliche und das Eckige, Kantige ist immer das Männliche. Da kann man sagen, es sind Klischees, aber es passt einfach.

    Es gibt Bilder, da denken Sie an Oskar Schlemmer, oder es gibt Felder, da denken Sie an Paul Klee. Sie denken und Sie denken und Sie denken möglicherweise an die russischen Konstruktivisten. Und wenn man ihn als einen Konstruktivisten bezeichnet, dann kann man nur sagen, es gibt im Grunde genommen keinen deutschen Konstruktivismus. Aber er hat das versucht, alles abstrakt und dann auch wieder die Form als Form zu zeigen, und das macht Spaß zu sehen.

    Novy: Kunst ist Assoziation – vielen Dank, Christiane Vielhaber. Es ging um die Ausstellung im Sprengel-Museum Hannover von Rudolf Jahns. "Im Zeichen der Linie – Die Entwicklung der Arbeiten auf Papier", so heißt die Ausstellung ganz genau.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.