Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Jahresbilanz des Bundeskartellamts
Die Schließung der "Wurstlücke"

Marktregulierung ist ein mühsames Geschäft. Doch 60 Jahre nach der Verabschiedung des deutschen Kartellrechts präsentiert sich die Behörde bei ihrer Jahresbilanz mächtiger denn je: Sie legt Internetgiganten wie Google und Facebook an die Kette – und kämpft erfolgreich gegen die Tricks von Fleischfabrikanten.

Von Moritz Küpper | 28.06.2017
    Bundeskartelamt
    Die Google-Entscheidung als "Leuchtturmentscheidung": Das Bundeskartellamt hat die Aufgabe, den Missbrauch von Marktmacht zu kontrollieren. (dpa/pitcture-alliance/Oliver Berg)
    Für Aufmerksamkeit war gesorgt, nicht zuletzt aufgrund des Rekordbußgelds von 2,4 Milliarden Euro gegenüber Google, aufgrund des Missbrauchs der Marktmacht.
    "Ich denke schon, dass die Wettbewerbsbehörden dabei sind, auch für die Internetwirtschaft, Leitplanken einzuziehen: Was kann man machen? Wo sind gewisse Grenzen? Und in dem Zusammenhang ist die Google-Entscheidung sicherlich auch ein Leuchtturm-Fall."
    Auch Facebook im Visier
    So begrüßte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts die Entscheidung der EU-Kommission, an der die Bonner Behörde beteiligt war. Sein Haus beschäftigte sich ja ebenfalls mit einem Internetgiganten: Facebook. Im Laufe des Jahres, so Mundt auf der Vorstellung des Jahresberichts heute, sollen dort Ergebnisse bekannt gegeben werden, beispielsweise wie der Konzern Daten erhebe und nutze.
    60 Jahre, nachdem Anfang Juli 1957, das deutsche Kartellrecht verabschiedet wurde, zeige sich somit die Zukunftsfähigkeit der Behörde. Er, so Mundt, sei ohnehin jemand …
    "... der schon seit Jahr und Tag sagt: Wir Wettbewerbsbehörden sind der zentrale Faktor für diese großen Internetunternehmen, weil ich persönlich große Zweifel habe, dass man dort regulieren kann. Regulierung ist immer schwierig, immer statisch."
    Branchen werden vielschichtiger
    Diese neuen Konzerne sind dagegen dynamisch. Unabhängig von diesen Entwicklungen, geht das Amt seinem Kerngeschäft nach, der Kartellverfolgung, verhängte in den beiden vergangenen Jahren rund 332 Millionen Euro Bußgelder, die sich auf 69 Unternehmen und 29 Privatpersonen verteilten. Die Vielschichtigkeit der Branchen, so Mundt, nehme zu:
    "Das beginnt bei der Milch, setzt sich fort über das Thema Holzvermarktung. Es gibt kaum eine Branche, mit der wir nicht auf der einen oder anderen Seite befasst sind."
    Gegen Tricks und Schlopflöcher
    Besonders glücklich war Mundt über die Schließung der sogenannten Wurstlücke, einem Schlupfloch innerhalb des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wodurch der Behörde im vergangenen Herbst Bußgelder in Höhe von knapp 130 Millionen Euro gegen einen Fleischfabrikanten entgangen waren.
    "Die Unternehmen können sich jetzt nicht mehr durch Umstrukturierungen oder interne Umstrukturierungen der Zahlung ihres Bußgeldes entziehen."
    Nun gebe es eine Übergangsfrist. Zwar, so gab Mundt heute bekannt, hätte seine Behörde drei weitere Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt gut 100 Millionen Euro einstellen müssen, dieses drohe auch für weitere Fälle in ähnliche Größenordnung …
    "… das hat uns auch dazu bewogen, gewisse Verfahren vielleicht doch hinter die GWG-Novelle zu ziehen", also dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
    Mehr Einfluss durch neues "Sündenregister"?
    Hinzu kommt nun ein weiteres, neues Instrument für die Bonner Behörde: Das sogenannte Wettbewerbsregister, eine Sünderkartei wie es der Autofahrer aus Flensburg kennt.
    "In das Unternehmen eingetragen werden, die sich erhebliche Rechtsverstöße haben zuschulden kommen lassen und die Folgen dieses Registers, dieser Eintragung wird sein, dass Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen werden können."
    Am 7. Juli soll der Bundesrat diesem Gesetz zustimmen, bis zum Jahr 2020 das Projekt dann stehen.
    "Gute Führung" soll belohnt werden
    "Weil Strafen sind für die Unternehmen schlimm und das eine, aber wenn sie von Aufträgen ausgeschlossen sind, das ist vielleicht noch einmal etwas ganz anderes."
    Durch besondere Aktivtäten, beispielsweise im Compliance-Bereich, soll Unternehmen in diesem Register dann aber auch Punkte reduzieren können.