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Jahrestag der Bombardierung Dresdens
Streit um das Gedenken

Am 13. Februar 1945 bombardierten die Alliierten Dresden, große Teile der Stadt wurden zerstört. Nach Untersuchungen einer unabhängigen Historikerkommission kamen 20.000 bis 25.000 Menschen ums Leben. Die Stadt gedenkt heute der Toten des Bombenangriffs und will mit Kunstaktionen zu anderen Kriegen in der Welt zum Frieden mahnen - wogegen rechte Kräfte mobil machen.

Von Bastian Brandau | 13.02.2017
    Demonstranten und Polizisten stehen am 07.02.2017 auf dem Neumarkt in Dresden (Sachsen) vor der Skulptur "Monument" des syrischen Künstlers Manaf Halbouni.
    Demonstranten und Polizisten auf dem Neumarkt in Dresden (Sachsen) vor der Skulptur "Monument" des Künstlers Manaf Halbouni. (dpa / picture-alliance / Sebastian Kahnert)
    "Ja, Pfui Deibel! Sie merken das nicht, Sie werden die Quittung schon noch kriegen!" Freitagmittag, auf dem Theaterplatz vor der Semperoper. Eröffnung der Ausstellung "Lampedusa 361." 90 großformatige Bilder zeigen Gräber auf der italienischen Insel. Dort werden regelmäßig die Leichen von Flüchtlingen angespült. In Riace auf Lampedusa versuchen die Menschen, den meist unbekannten Toten wenigstens eine Grabstätte zu geben. Eine Gruppe Menschen aus dem Pegida-Lager versucht die Ausstellung zu stören, mit Pfiffen und Plakaten.
    Zum Unmut dieser Besucherin: "Ich bin in Dresden geboren, und hab den Bombenangriff mitgemacht aber unbewusst, da war ich zwei Jahre alt, hab die Großmutter verloren und da habe ich jetzt wirklich sehr viel Achtung, wenn auch andere Tote, die durch irgendwelche Missstände und Kriege sterben müssen, da gedenkt man ihrer auch, egal aus welchem Land, welchen Glauben sie haben."
    Redner werden beschimpft
    Das Gedenken an die Bombardierung Dresdens erweitern, auf die Opfer aktueller Kriege wie in der Ukraine oder in Syrien: Das ist Ziel der Stadtverwaltung und von Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Die Foto-Ausstellung auf dem Theaterplatz gehört dazu, ebenso eine Kunstinstallation auf dem Neumarkt, vis-à-vis der wiederaufgebauten Frauenkirche. Manaf Halbouni, Dresdner Künstler mit syrischen Wurzeln, hat drei ausrangierte Busse aufrichten lassen. In Anlehnung an eine solche Barrikade zum Schutz der Zivil-Bevölkerung in Aleppo. Bei der Eröffnung am vergangenen Dienstag auch hier: Wütende, pöbelnde Pegida-Anhänger, die während der Rede von Oberbürgermeister Dirk "Volksverräter" rufen.
    Hilbert und die weiteren Redner werden beschimpft und ausgebuht, das Monument als Schrott verunglimpft. Ihnen werde das Gedenken an die Dresdner Toten weggenommen, behaupten die Wutbürger. Auch gerichtlich versuchen sie gegen die Installation vorzugehen. Oberbürgermeister Hilbert sieht sich bestätigt: "Über Kunst kann man ja vortrefflich streiten, und rein im Sinne der Nutzbarkeit ist es Schrott, aber im Sinne des Kunstprojektes ist es eine spannende Installation, die uns nachdenklich macht, über die Kriege und viel Leid, das über die Menschen kommt, und was wir nie nie wieder in unserer Stadt, gerade in unserer Stadt haben wollen."
    Polizeischutz für den Oberbürgermeister
    Hilbert selbst steht unter Polizeischutz, nachdem er Morddrohungen erhalten hat. Vor zwei Wochen hatte er darauf verwiesen, dass Dresden während der NS-Zeit "alles andere als eine unschuldige Stadt" gewesen sei. Das ist vielfach belegt, wird aber von vielen hier nach wie vor bestritten. Nicht nur von Neonazi-Gruppen, die am Samstag durch die Stadt zogen, und deren Demonstrationen nach Blockaden von Gegendemonstranten verkürzt wurden. Sondern auch von diesen älteren Dresdnern am Rande der Lampedusa-Ausstellung vor der Semperoper. Für sie sind die Gräber-Fotos und die Busse in Dresden eine Provokation: "Diese Opfer werden verleumdet als Schuldige. Gucken Sie auf das Denkmal, das sogenannte Denkmal am Altmarkt. 'Dresden war keine unschuldige Stadt'. Und das stinkt uns an. Das wollen wir nicht mehr hören."
    Für den Jahrestag der Bombardierung lädt das Bündnis Dresden Nazifrei zu einem Mahngang Täterspuren an. Dabei werden Orte angesteuert, die stellvertretend für die Verbrechen des NS-Regimes in Dresden stehen. Das sei heute angesichts des Erstarkens rechter Bewegungen notwendiger denn je, sagt Sprecher Albrecht von der Lieth: "Wenn man dann zum Beispiel auf dem Theaterplatz steht, und dieses Bild was ja relativ bekannt ist von dem 1.-Mai-Aufzug 1933, mit dieser großen Naziflagge an der Semperoper. Wenn man sich das verbildlicht und dann überlegt, was in den letzten Jahren auf dem Theaterplatz regelmäßig stattgefunden hat, das ist natürlich schon sehr beklemmend. Und diesen Eindruck wollen wir natürlich auch erwecken. Das eben die Tätergeschichte Dresdens, nicht einfach 1945 aufgehört hat, sondern sich eben fortsetzt letztendlich."
    In Kirchen und auf Plätzen werden Menschen sich heute zum Gedenken versammeln, auch am umstrittenen Monument an der Frauenkirche. Um 18 Uhr werden mehrere Tausend Dresdnerinnen und Dresdner sich zu einer Menschenkette über die Elbbrücken hinweg an den Händen halten.