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Japan
Drehen an der Rüstungsschraube

Von Jürgen Hanefeld | 17.01.2015
    Ausgerechnet im 70. Jahr des Kriegsendes rüstet Japan auf wie noch nie. In dieser Woche stellte Premierminister Abe seinen Haushaltsplan für 2015 vor, in dem der Rüstungsetat zum dritten Mal in Folge angehoben wird, diesmal um 2,8 Prozent. Er umfasst beinahe fünf Billionen Yen, etwa 36 Milliarden Euro - das größte Budget aller Zeiten.
    Davon sollen Kampf- und Überwachungsflugzeuge angeschafft werden, Senkrechtstarter, Drohnen, Amphibienfahrzeuge und Patrouillenboote. Trotz dieses umfassenden Programms beteuert der Regierungschef:
    "Im 70. Jahr nach Kriegsende werden wir darüber nachdenken, was wir falsch gemacht haben im letzten Krieg und wie wir uns weiterentwickeln als friedliebende Nation."
    Der Weg ist bereits vorgezeichnet. Nach der vorgezogenen Neuwahl im Dezember, die Abe erwartungsgemäß im Amt bestätigte, tauschte er nur einen einzigen Minister aus - den für Verteidigung. Der neue Mann, Gen Nakatani, gilt als Falke. Kaum ernannt, erklärte er vor Journalisten:
    "Was das Recht auf kollektive Selbstverteidigung angeht, werde ich dem Volk erklären. Dass es nicht darum geht, einen Krieg zu beginnen oder in ein anderes Land einzumarschieren, sondern nur darum, unser eigenes Territorium zu schützen, Leben und Besitz unseres Volkes."
    Im Volk stößt diese Interpretation auf Widerstand. Umfragen selbst konservativer Medien haben gezeigt, dass die Japaner die sogenannte kollektive Selbstverteidigung ablehnen. Dies trotz der vermeintlichen Bedrohung sogar mit zunehmender Tendenz, zuletzt mit 60 Prozent.
    Auch Japans Nachbarn sind skeptisch. Zu auffällig ist das Zusammenspiel von Aufrüstung und nationalistischer Rhetorik. China zum Beispiel sind die Besuche von japanischen Regierungsmitgliedern am Yasukuni-Schrein ein Dorn im Auge. Dort werden unter anderem die Seelen hingerichteter Kriegsverbrecher verehrt. Abe selbst hatte dem Schrein vor zwei Jahren eine Visite abgestattet und damit einen weltweiten Skandal ausgelöst. Am Montag dieser Woche kam der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Hong Lei, darauf zurück:
    "Die chinesische Position ist fest und klar, was die Besuche japanischer Führer am berüchtigten Yasukuni-Schrein angeht. Chinesisch-japanische Beziehungen können sich nur dann stabil und dauerhaft entwickeln, wenn die japanische Seite die Geschichte gründlich reflektiert und sich klar vom Militarismus abwendet."
    Dass die Warnung aus Peking die Bedrohung übergeht, die Japan angesichts des sogenannten Inselstreits empfindet, wundert nicht. Immer wieder und immer häufiger nähern sich chinesische Schiffe und Flugzeuge den unbewohnten Senkaku-Inseln, die Japan 2012 zum nationalen Territorium erklärt hat. Hier lässt China nun die Muskeln spielen. Und Pekings Militärhaushalt ist nicht etwa kleiner als der japanische, sondern zweieinhalb Mal so groß. Auch mit Südkorea gibt es Streit um Inseln. Erst letzte Woche stellte Tokyo ein Propagandavideo ins Netz, in dem eine von Korea verwaltete Inselgruppe für Japan reklamiert wird. Korea protestierte postwendend:
    "Das Video, das rücksichtslos Ansprüche auf unsere Dokdo-Inseln erhebt, ist eine schwerwiegende Provokation. Zumal in diesem 50. Jahr der diplomatischen Normalisierung zwischen Südkorea und Japan."
    So der Sprecher des Außenministeriums in Seoul. Von Normalisierung kann zwischen Seoul und Tokio allerdings ohnehin nicht die Rede sein, solange Japan sich weigert, die systematische Verschleppung und Vergewaltigung Hunderttausender koreanischer Frauen durch die kaiserliche Armee anzuerkennen.
    Japan, so der Eindruck, will sich mit seinen Nachbarn nicht vertragen. Das Rüstungsprogramm ist nur der martialische Unterbau für eine Politik, die einen neuen Nationalismus predigt.