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Radsport
Gegenwind für Froome und den neuen Teamsponsor

Dass er während der Tour de France angepöbelt oder sogar bespuckt wird – daran ist der viermaligen Tour-Sieger Chris Froome gewöhnt. Doch jetzt wurde der Brite sogar während eines Rennens in der Heimat angefeindet. Grund ist der neue Hauptsponsor seines Teams: ein Fracking-Unternehmen.

Von Tom Mustroph | 05.05.2019
Der Brite Andre Froome vor seinem Teamkollegen Pavel Sivakov bei der Tour of the Alps
Noch ziert der alte Sponsor "Sky" die Trikots des Teams von Chris Froome (picture alliance / Andre Huber)
Ein Sportheld spaltet ein Land. - Chris Froome, vierfacher Tour-Sieger, wird ausgebuht in der Heimat. Ihm galt bei der Tour de Yorkshire auch Beifall von seinen Fans. Aber fast ebenso groß war an manchen Stationen des Etappenrennens in Mittelengland auch die Anzahl der Menschen, die ihn ausbuhte und ihm nahelegte, zu verschwinden.
Kritik am neuen Teambesitzer Ineos
Auslöser des Zorns ist der neue Geldgeber, der Chemiekonzern Ineos. Ausgerechnet in Yorkshire hält er viele Fracking-Lizenzen. Und Fracking ist wegen seiner Umweltrisiken bei den Bewohnern der idyllischen Landschaft höchst unbeliebt. Richard Scholey, Radsportfan und Anti-Fracking-Aktivist:
"Man sieht diese fantastischen Luftaufnahmen bei den Rennen. Wenn die Fracking-Industrie sich durchsetzt, würde das alles ganz anders aussehen. Man würde dann tausende Bohrtürme sehen, tausende Transporter, Pumpstationen, Kompressorstationen. In einem Gebiet, das im Moment noch die schönste Landschaft im ganzen Land ist."
Weil Scholey das verhindern will, protestierte er am Rande des Rennens. Auf ein Pappschild hatte er das gepunktete Trikot des Bergkönigs der Tour de France gemalt und darüber geschrieben: "Ineos, König der Umweltverschmutzer".
"Letztes Jahr trat Team Sky noch als Retter der Ozeane auf. Und nun sind sie bei Ineos. Ineos will mit Fracking Gas gewinnen, das es dann zu Plastik verarbeitet. Dieses Plastik landet dann im Meer. Das ist die schlimmste Entwicklung, die wir uns bei dem Team vorstellen konnten", sagt Scholey.
Ineos baut Sportimperium auf
Beim neuen Rennstall sieht man das nicht so. Team-Manager David Brailsford hatte bei der Sponsorenauswahl sogar die Qual der Wahl: "Ich war angenehm überrascht, wie hoch die Bereitschaft zu einem Investment in den Radsport weltweit war. Es lief dann darauf hinaus, zu entscheiden, mit welchem Partner wir arbeiten wollen."
Vier Optionen und eine halbe hatte Brailsford, erzählte er Deutschlandfunk. Die Verbindung mit Ineos sieht er als Optimum: "Wir haben schnell mitbekommen, was das für eine großartige Gelegenheit ist. Sie haben ein Segel-Team, ein Fußball-Team und jetzt ein Radsport-Team. Wir sind jetzt Teil einer größeren Sport-Familie, in der wir voneinander lernen können."
Ineos besitzt noch die Crew um Skipper Ben Ainslie, die den America’s Cup holen soll, sowie den FC Lausanne. Auch den FC Chelsea will Ineos-Gründer Jim Ratcliffe erwerben – ein regelrechtes Sport-Imperium entsteht dort. Mit dem Widerstand, den ein Zusammengehen mit dem Chemie-Konzern auslösen könnte, hat sich Brailsford auch beschäftigt:
"Ich will nicht lügen. Es war meine Verantwortung, mich hinzusetzen und zu lernen, was das Geschäft von ihnen ausmacht und auch was die Vorwürfe sind, die manche Leute an sie richten. Ich wollte das verstehen und mir meine eigene Meinung auf der Grundlagen von Fakten und Wissenschaft bilden."
Kritik prallt am Team-Manager ab
Was hat sein kleines Forschungsemester in Sachen Petrochemie und Energieerzeugung ergeben?
"Wenn man sich die Fakten anguckt, dann scheint es ein unglaublicher Erfolg in den USA zu sein. Dort gibt es mehr als eine Million Fracking-Anlagen. Und das hat ihre Wirtschaft gestärkt. Es gibt viele Jobs. Sie hatten auch keine Probleme. Und sie haben damit eine billige Energiequelle, die die Wirtschaft ankurbelt."
Das klingt wie aus einer Werbebroschüre von Ineos abgelesen, findet auch Anti-Frackingaktivist Scholey: "Von wem bekam er seine Informationen? Ich vermute, direkt von Ineos. Das ist nichts anderes als wenn man sagen würde, ich beziehe meine Nachrichten direkt aus Nordkorea."
Die Kontroverse geht weiter. An Brailsford prallt sie allerdings weitgehend ab. Er will sich in den nächsten Wochen an die Ausarbeitung einer Fünfjahres-Strategie für das neue Team setzen, Schwerpunkt weitere Grand-Tour-Siege und wichtiges Nebenziel Eintagesklassiker.
Froome konzentriert sich auf die Tour
Chris Froome, ausgebuht in Yorkshire, ist voll im Tour-de-France-Vorbereitungsmodus: "Ich würde zwar gern auch dieses Jahr beim Giro sein, aber ich weiß noch, wie sehr er mich strapazierte und was mir dann im letzten Jahr bei der Tour fehlte. Deshalb konzentriere ich mich jetzt komplett auf die Tour."
Nur ein einziges Rennen will er vor dem Tour-Start noch bestreiten: Das Criterium du Dauphiné im Juni. Neuerlichen Unmutsbekundungen geht er damit weitgehend aus dem Weg.