Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Japans Umgang mit Geflüchteten
Jahrelange Haft, keine Perspektive

In Japan bleiben abgelehnte Asylbewerber im Durchschnitt zwei Jahre in Abschiebehaft, viele jedoch länger. Immer wieder treten Häftlinge in Hungerstreik, um gegen ihre unmenschliche Behandlung im Gefängnis zu protestieren. Als Flüchtling anerkannt wird kaum jemand.

Von Kathrin Erdmann | 21.12.2019
Ein Gefängnisaufseher steht im Zellentrakt in einer Haftanstalt in Tokio
Die mangelnde ärztliche Versorgung in japanischen Abschiebegefängnissen steht in der Kritik (AFP/ Karyn Nishimura)
Im Erdgeschoss vom Abschiebegefängnis von Ushiku, rund 50 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegen, klingt es wie im Wellnessstudio. Das sei es zwar nicht, aber dennoch hätten es die Ausländer hier gut und das wolle man dem ARD-Hörfunk zeigen, sagt Daisuke Akinga von der Öffentlichkeitsarbeit. Derzeit sind fast 70 Prozent der 400 Plätze in dem Abschiebegefängnis belegt.
Viele Treppen rauf und runter, Türen auf und zu – und dann steht man in einem leeren Zellentrakt. Dort ist bereits alles vorbereitet. In einer Box liegt das heutige Mittagessen. In Ushiku wird frisch gekocht. "Hühnchen mit Tomatensauce und Gemüse, ein bisschen Mais, gekochter Spinat und Spaghetti mit Pepperoni."
Drei Mal am Tag geht die Klappe des Zimmers für das Essen auf und zu. Oft teilen sich bis zu fünf Personen über Jahre einen Raum. Zwischen den drei Mahlzeiten haben die Geflüchteten Freizeit, dürfen ihre Zellen verlassen und auf dem kleinen Gang herumspazieren. "Dann können sie dahinten ihre Wäsche waschen, dort sind auch Duschen, und dann stehen hier zwei Telefone."
Immer wieder Hungerstreiks
In Japan bleiben abgelehnte Asylbewerber im Durchschnitt zwei Jahre in Abschiebehaft, in Ushiku ist ein Fünftel der Männer schon mehr als drei Jahre dort, viele waren mehrfach in Haft. Gerade sind in Ushiku 30 Männer im Hungerstreik, wieder mal. Zwei Iraner erzählen warum. Weil Tonaufnahmen nicht gestattet sind, Zitate der Mitschrift:
"Wir werden hier nicht wie Menschen behandelt. Es gibt kein Internet, das Münztelefon ist so teuer, dass ich nur selten mit meiner Familie sprechen kann. Und wir haben ständig Angst, dass wir in den Iran zurückmüssen. Was sollen wir mit so einem Leben?"
Einer der beiden wiegt bei einer Größe von 1,67 Meter nur noch 52 Kilo. Auch in anderen der insgesamt 17 Abschiebehaftanstalten sind Menschen im Hungerstreik.
Gefangen im japanischen Justizsystem
Hassan hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Der Kurde sitzt im Happy Kebab in Saitama, eine Region etwa eine Stunde nördlich von der Tokioter Innenstadt entfernt. Der 37-jährige Kurde lebt seit 16 Jahren in Japan. Damals, so sagt er, waren die Bedingungen gut. Er stellte einen Antrag auf Flüchtlingsschutz. "Drei Jahre lange habe ich das versucht, aber er wurde immer wieder abgelehnt. Dann wurde ich festgenommen und kam in Abschiebehaft."
Seit acht Jahren ist er frei – frei ja, aber gefangen im japanischen Justizsystem. "Ich darf offiziell nicht arbeiten, also mache ich heimlich kleine Jobs, davon lebe ich."
Mehr als 300 Geflüchtete sind inzwischen untergetaucht, führen in Japan ein "Leben in der Dunkelheit", wie letztens eine japanische Tageszeitung schrieb. Welche Folgen ein solches Leben hat, lässt sich gut an Onur sehen. Der 40-jährige Kurde reiste 2004 mit einem Visum nach Japan ein, alle Anträge auf Flüchtlingsschutz wurden abgeschmettert, mehrfach saß er in Abschiebehaft, als er dort erkrankte, habe ihm niemand geholfen, sagt er: "Die ärztliche Versorgung war ganz schlimm. Wie viele Leute da verrückt geworden sind - man wird dort nicht menschlich behandelt. "
Onur hat eine "Kari Homen", eine vorübergehende Freilassung, weil er krank ist. "Zwei- drei Mal im Monat gehe ich zum Arzt, mir geht es körperlich und mental nicht gut. Ohne Medikamente kann ich nicht schlafen."
Mangelnde ärztliche Versorgung
Dass die ärztliche Versorgung nicht so ist, wie sie sein sollte, räumt die Leiterin der Ausländerbehörde, Shoko Sasaki, im Klub ausländischer Journalisten ein bisschen umständlich ein: "Insbesondere bei der medizinischen Versorgung habe ich nicht die Erkenntnis, dass die derzeitige Situation zufriedenstellend ist. Ich bin der Meinung, dass wir weitere Verbesserungen vornehmen müssen. "
In anderer Hinsicht aber bleibt die Beamtin hart: "Unter den Ausländern gibt es welche, die immer wieder einen neuen Antrag auf Flüchtlingsanerkennung stellen, weil wir sie während der Bearbeitung ihres Antrags nicht abschieben können. Das ist sozusagen ein Missbrauch des Systems."
Im vergangenen Jahr hat Japan knapp 10.000 Menschen abgeschoben. Fast doppelt so viele sind ausreisepflichtig. Als Flüchtling anerkannt wurden 42 Menschen.