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Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst
Gewerkschaften fordern erhebliche Lohnsteigerung

Gewerkschaften und Arbeitgeber starten heute in Potsdam in die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst. Für die mehr als zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen fordern die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb sechs Prozent mehr Lohn. Zur Begründung verweisen sie auf die steigenden Steuereinnahmen.

Von Vanja Budde | 21.03.2016
    Ein Plakat mit der Aufschrift "Heute: Warnstreik!" hängt in München an einem Tor der Münchner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM).
    Verdi kündigte schon mögliche Warnstreiks an, auch in den Kitas und im Nahverkehr. (Sven Hoppe, dpa picture-alliance)
    Stress, Zeitdruck, Überstunden: Wegen der Flüchtlinge arbeiten viele der rund zwei Millionen Angestellten des Öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen seit Monaten am Limit, ob in der Stadtverwaltung oder bei der Bundespolizei. Ein warmer Händedruck als Anerkennung reiche da nicht mehr, so Willi Russ, Vizechef des Deutschen Beamtenbundes:
    "Durch die jüngsten Entwicklungen haben wir festzustellen, eine deutlich gestiegene Arbeitsbelastung der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Die muss sich am Ende letztendlich auch im Gehalt widerspiegeln."
    Sechs Prozent mehr Gehalt, das ist eine stolze Forderung. Die Arbeitgeber könnten das aber stemmen, meint Verdi-Chef Frank Bsirske – mit Blick auf die gute Konjunkturlage.
    Die Kommunen haben die Forderung bereits zurückgewiesen
    "Mit 1,8 bis 2 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsproduktes und nach der jüngsten Steuerschätzung wird vor dem Zeitraum von 2016 bis 2019 ein Steuerplus von 14,3 Prozent beim Bund und von 14,6 Prozent bei den Kommunen erwartet."
    Die Kommunen haben die Forderung bereits zurückgewiesen. Worauf Verdi mögliche Warnstreiks ankündigte, auch in den Kitas und im Nahverkehr. Diese frühe Drohung sei nicht nachvollziehbar und entbehre jeder Grundlage rügte prompt der Präsident der kommunalen Arbeitgeberverbände, Thomas Böhle.
    Verdi argumentiert, dass bei den Menschen nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass für die Flüchtlinge Geld da sei, für sie aber nicht. Wolfgang Pieper, Verdi-Bundesvorstandsmitglied für den Öffentlichen Dienst, warnte die Arbeitgeber davor, die Interessen der Beschäftigten gegen die der Zuflucht-Suchenden auszuspielen, nach dem Motto: Die Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen belastet die öffentlichen Kassen so sehr, dass kräftige Gehaltssteigerungen nicht drin sind.
    "Das kann nicht die Perspektive sein. Wir müssen Menschen Schutz gewähren, wir müssen dafür die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, und im Zweifel müssen wir unsere Finanzpolitik ändern. Da ist auch Herr Schäuble gefragt, diese Politik zu korrigieren."
    Altersversorgung mit Zähnen und Klauen verteidigen
    Denn wegen der nach Deutschland strebenden Flüchtlinge müssten massiv neue Stellen geschaffen werden, fordert Pieper. Und schon heute habe der Öffentliche Dienst Schwierigkeiten, genügend Fachkräfte in seine Reihen zu locken, warnt Willi Russ vom Beamtenbund:
    "IT-Fachleute beim Bund fehlen, Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst fehlen, Entscheider beim BAMF, Polizisten bei der Bundespolizei, man könnte das ellenlang auflisten. Wir gewinnen zu wenig Menschen dafür, weil der Öffentliche Dienst in seinen Bezahlungsstrukturen nicht mehr attraktiv genug ist."
    Darum lehnen die Gewerkschaften die von den Kommunen geforderten generellen Einschnitte in die Zusatzversorgung im Alter auch kategorisch ab, wie Verdis Vorsitzender Bsirske betont:
    "Und es wird niemanden überraschen, wenn man sich klarmacht mit welchen Perspektiven wir es in der gesetzlichen Rentenversicherung zu tun haben. Deswegen kommt der betrieblichen Altersversorgung natürlich eine herausragende Bedeutung zu."
    Das Thema sei bei den Beschäftigten sehr emotional besetzt, meint Bsirske. Sie seien bereit ihre Altersversorgung mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Als wäre das alles nicht schon schwierig genug, soll dieses Mal nach Wunsch der Gewerkschaften auch die schon lange diskutierte neue Entgeltordnung unter Dach und Fach gebracht werden. In Potsdam stehen bis Ende April also harte Verhandlungsrunden an.